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Aufwand und Nutzen

4. Dezember 2023, 20:35 Uhr von Uwe

Man hat ja im Allgemeinen das Bedürfnis, die Länge seines Lebens nicht durch unnötiges Frühableben unnötig zu verkürzen. Zu diesem Zwecke bietet es sich an, öfter mal beim Arzt des geringsten Misstrauens vorstellig zu werden. Da macht man dann Vorsorgeuntersuchungen, denn vorbeugen ist besser als nach hinten fallen. Also fuhr ich heute durch leicht verschneite Landschaften in die Stadt, um beim (laut Google) besten Hautarzt der Stadt vorstellig zu werden.

Aufgrund der Wettervorhersage mit potentieller Gefahr von Eisregen fuhr ich lieber einen Bus eher und stand somit eine halbe Stunde zu früh vor der Tür der Praxis. Aber lieber im Warmen dumm rumsitzen als im Kalten dumm rumstehen. Schritt 1: Drei Formulare ausfüllen wegen den allgemeinen taktischen Daten, dem Datenschutz und der Abrechnungsbevollmächtigung. Das passiert natürlich schön analog mit Stift auf Papier, anschließend tippte eine Mitarbeiterin das nochmal in den Computer – das kenne ich von meinem Zahnarzt sinnvoller, da kann man den Anamnesebogen direkt aufm Tablet ausfüllen.

Also setz ich mich ins Wartezimmer und fang an Papier zu befüllen. Um mich herum sitzen ein gutes halbes Dutzend andere Leute, darunter Väter mit Kind und ein Studentenpärchen. Gut, ich bin eine knappe halbe Stunde zu früh dran, also warte ich gemütlich auf die Dinge die da so passieren (oder auch nicht). Das Studentenpärchen (er mit wilden Dreadlocks, sie unauffällig) unterhält sich über Prüfungsanmeldungsformalitäten. Ich geb den ganzen Formularkrams wieder an der Anmeldung ab. Der Steppke neben mir spielt Minecraft auf nem Handheld Device. Das Studentenpärchen diskutiert über den Unterschied zwischen Mord und Totschlag (wohl Jurastudium). Ein älterer Herr wird aufgerufen. Meine Uhr piept – es ist 17 Uhr und somit meine Zeit für den Termin.

Ich werde aufgerufen: Die Frau am Empfang braucht noch die Postleitzahl, die nicht aufm Papier abgefragt wurde. Ich setze mich wieder, es sitzen noch drei weitere Leute herum. Der Doktor kommt aus dem Behandlungszimmer und diskutiert mit dem älteren Herrn über sein Auto. Er fährt nämlich noch immer sein erstes Auto, einen Carrera 3.2 mit 231 PS. Die erste Info über den Arzt ist also, dass er einen 40 Jahre alten Porsche ohne Kat fährt. Es sei ihm gegönnt.

Der Dreadlock-Student wird aufgerufen. Ich drehe Däumchen. Vorwärts und rückwärts, linksrum und rechtsrum. Der Student kommt zurück und muss noch 20 min warten, bis die Spritze, die er wohl wegen Allergie oder Ausschlag oder Ekzem oder oder oder gekriegt hat auch wirklich wirkt, ohne dass er umkippt. Mit seiner Freundin diskutiert er nun über die organisatorischen Probleme des Kaufens von Weihnachtsgeschenken. Ich wackele mit den Füßen, damit mir die Beine nicht einschlafen.

Inzwischen ist es 17:30 durch, das Wartezimmer leert sich zusehends. Der Minecraft spielende Junge hat seinen Allergietest überstanden. Auch das Pärchen geht schließlich, ich sitze also nun alleine im Wartezimmer. Gegen 17:38 Uhr werde ich schließlich aufgerufen. Das heißt eigentlich werde ich nicht aufgerufen, sondern es kommt nur ein „Sie können bitte mitkommen.“ Das ist nicht nur grammatikalischer Unsinn, sondern die Mitarbeiterin hat sich damit auch clever um das möglicherweise falsche Aussprechen meines Namens gedrückt. Im Behandlungszimmer stehen zwei Porsche-Modelle (ein 911 der ersten Bauserie und ein 911 aus den 80ern), und nach einigem weiteren gemütlichen Warten kommt dann auch mal der Doktor und fragt mich was er für mich tun könne.

Nachdem das schnell erklärt war (inkl. kurzem Nachfragen bezüglich Familienhistorie in Sachen Hautkrebs), hieß es auch schon Ausziehen von wegen man muss ja sämtliche Leberflecken und Muttermale begutachten. Aufgrund des Wetters war das etwas umständlich, so mit dicken Stiefeln und Pullover und Shirt und zwei Paar Socken. Der Doc sprach mich direkt auf meine alten Knobelbecher an – er war selbst wohl früher Stabsarzt bei der Bundeswehr und erkannte daher meine ollen Stiefel direkt. Aber hey, ich hab seit über 20 Jahren keine neuen Winterstiefel kaufen müssen.

Sämtliche Muttermale sahen ok aus, eine Mitarbeiterin machte noch Fotos von meinem Rücken (bzw. von den dort befindlichen Leberflecken) und dann durfte ich mich auch schon wieder anziehen. Das An- und Ausziehen der Klamotten dauerte gefühlt länger als die gesamte Untersuchung. Während ich mich also wieder in meine Klamotten wurschtelte fragte der Doc noch die interessanteste Frage des Abends, nämlich ob mein Name eine tiefere Bedeutung hat. Ja, hat er, und ich kann sie ausm Stegreif erklären. In 18 Monaten soll ich wieder vorbeischauen, ob sich irgendwas geändert hat.

Achja, ich muss mir jetzt aus medizinischen Gründen eine Freundin suchen: Melanome bilden sich wohl gerne am Rücken, und da brauchts jemanden, der regelmäßig meinen Rücken anguckt, ob da irgendeine auffällige Veränderung sichtbar ist. Bewerbungen mit Bild und Lebenslauf werden jederzeit entgegengenommen ;-).

Fazit: Vorbeugen ist besser als auf die Schuhe kotzen, die meiste Zeit des Lebens wartet der Uwe vergebens, und das Verhältnis von Wartezeit (Aufwand) und Untersuchungszeit (Nutzen) ist doch ausbaufähig.

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