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Album der Woche

15. Juni 2023, 20:17 Uhr von Uwe

Fun fact: Das Alphabet heißt ja bekanntermaßen so, weils nicht mit C und D anfängt. Denn wenns mit C und D anfangen würde, würds ja Gammadelta heißen, was eher nach wissenschaftlichem Paper oder nach Science-Fiction klingt (ungewöhnliche Solaraktivitäten im Gammadelta-Quadranten!). Heute gehts aber um das entgegengesetzte Ende des Alphabets, denn wo ich bin ist vorn, und wenn ich hinten bin ist hinten vorn. Und zu wissen wo hinten und vorn ist, ist ja gewissermaßen das A und O im Leben. Im Übrigen heißt es nur deswegen nicht A und Z, weil die ollen Griechen sich nicht mit so komischen Buchstaben wie F herumgeschlagen haben – waren eben auch alles Philosophen.

Am Ende dieser komischen buchstabenlastigen Einleitung kommen wir nun jedenfalls zu einer ungarisch-griechischen Koproduktion, nämlich der ungarischen Band mit dem griechisch klingenden Namen Omega. Denn da gibt es gleich mehrere Alben, die in diesem Jahr runden Geburtstag feiern und deswegen hier mal erwähnt werden müssen.

Das erste Album – gleichzeitig das Debüt der Band – datiert aus dem Jahr 1968 und hört auf den sperrigen Titel „Trombitás Fredi és a rettenetes emberek“ (auf deutsch „Trompeter Fredi und die schrecklichen Menschen“). Hier klingt die Band noch sehr nach den damals angesagten Rock- und Beatbands der 60er Jahre, mischt aber auch osteuropäische Klangtupfer rein, so dass es nicht zum reinen Abklatsch von Stones, Beatles und Kinks usw. wird. Das Titelstück wird zum Beispiel (klar bei dem Namen) mit Trompete begonnen, in anderen Songs kommen Klavier und Flöte dazu. Einige Songs wie Ha én szél lehetnék sind in Ungarn inzwischen zu modernen Volksliedern geworden, während mich das abschließende Kiskarácsony-nagykarácsony mächtig an die düstere Ursprungsfassung von Still I’m Sad der Yardbirds erinnert.

Fünf Jahre später hatte sich nicht nur die Besetzung verändert (Gábor Presser und Tamás Somló hatten Locomotiv GT gegründet und die Haupttexterin Anna Adamis gleich mitgenommen), die Band hatte auch drei weitere Alben veröffentlicht, international getourt und den Sound mehr in Richtung frühe Deep Purple verschoben. Das fünfte Album erschien also 1973 (und wurde 25 Jahre später als „Szvit“ (Suite) neu aufgelegt. Der Name ist dabei Programm, eine LP-Seite wird komplett von einer Suite eingenommen, die wiederum aus mehreren lose zusammenhängenden Stücken besteht – Progressive Rock auf ungarisch also. Der Sound ist insgesamt sehr orgellastig, in der Suite gibts stellenweise auch Streicherunterstützung, am Ende wirds aber lupenreiner Hardrock, der sich nicht vor den englischen Originalen verstecken braucht. A jövendõmondó klingt beispielsweise schwer danach, als hätte man die Sounds direkt von Deep Purple’s „Machine Head“ nach Ungarn verfrachtet. Im letzten Song Búcsúztató hingegen wird ein Synthesizer eingesetzt, was dann einen Ausblick auf die nächsten Jahre gibt.

Bevor die dazu kommen, müssen wir aber noch das Album „Omega“ erwähnen, welches ebenfalls 1973 erschien und englischsprachige Titel enthält. Diese stammen von verschiedenen Alben der frühen 70er und bieten einen Überblick über das Schaffen der Band.

Wiederum fünf Jahre später waren Omega eine der führenden Bands im Ostblock und nahmen ihre Alben mit modernster Technik im Westen auf. Zum Sound hatte sich dabei ein guter Schuss Pink Floyd hinzugesellt.

Das achte Album der Band heißt auf englisch „Skyrover“, auf ungarisch „Csillagok útján“ (ich kann die Übersetzung nicht ganz nachvollziehen, denn das ungarische Titelstück wurde mit High On The Starway übersetzt, während es auf deutsch wohl in etwa „Sternenweg“ heißen dürfte). Egal, die Scheibe erschien 1978 und ist für mich neben dem Vorgängeralbum das Beste, was die Band je aufgenommen hat. Das beginnt schon mit der Overtüre aka Nyitány, bei der einem erstmal das klassische da-da-daaaaa von Beethoven um die Ohren gehauen wird, bevor die Musik nahtlos in ein spaciges Instrumental übergeht. An zweiter Stelle folgt das englische Titelstück Skyrover bzw. Égi vándor, eine Pianoballade mit flächigen Keyboardsounds untermalt. Danach folgt das Stück Russian Winter bzw. Léna, eine konsequente Vertonung eines Rittes durch verschneite Wälder. Das folgende Stück The Lost Prophet (Légy erõs) ist erneut recht ruhig und atmosphärisch geraten, und erinnert phasenweise (und insbesondere beim Gitarrensolo) frappierend an Mittsiebziger Pink Floyd. Es folgt ein wesentlich rockigeres Stock namens Metamorfózis (bzw. Metamorphosis), bei dem ein Synthesizer für Klangtupfer zuständig ist. Danach ist erneut eine Ballade dran, Purple Lady bzw. Bíbor hölgy nämlich, bevor das ungarische Titelstück mit seinem markanten Bassintro daherkommt – Ähnlichkeiten mit Space Truckin‘ sind sicher nur zufällig. Danach folgt der zweite Teil von Metamorfózis (in der englischen Fassung The Hope, The Bread And The Wine betitelt). Musikalisch hat es aber quasi nix mit dem ersten Teil zu tun, dafür geht der Keyboardklang am Ende nahtlos in das abschließende Finálé über, welches die instrumentale Overtüre wieder aufgreift, weiter ausschmückt und den Hörer am Ende mit den Schlussakkorden von Beethoven’s Fünfter Sinfonie entlässt.

Fazit: Drei Alben, drei sehr unterschiedliche Klangwelten. Die ungarischen Texte haben natürlich nochmal nen Exotenbonus, aber auch rein musikalisch kann man hier auf ausgedehnte Entdeckungsreisen gehen.

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