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Album der Woche

9. Mai 2024, 09:55 Uhr von Uwe

Heute ist Feiertag, deswegen gibt es den relevanten Beitrag zum Album der Woche schon am Vormittag. Und außerdem geht es diese Woche auch um die Erfüllung eines Bildungsauftrages, denn dusslig rumlabern könnt ja jeder… Und bei genauerer Betrachtung hat sogar der Feiertag was mit dem Album der Woche zu tun… Aber der Reihe nach:

Beginnen wir mal mit einer Geschichtsstunde: Früher, als wir noch einen Kaiser hatten (also ich meine den Kaiser, der Anfang der 70er damit beschäftigt war, den Pokal der Landesmeister nach München zu holen – heute hingegen hat mein früherer Kollege als glühender Bayernfan gute Gründe zum Saufen, nachdem sie gestern abend im Halbfinale gegen Real Madrid gescheitert sind, hähä) wurden viel mehr Briefe und Postkarten verschickt. Und damit die ankommen, wurde ein System von sogenannten Postleitzahlen entwickelt. Das braucht man heutzutage nur noch, damit die Pakete von amazon, zalando und co. den Weg zur Packstation finden. Heutzutage sind die in Deutschland fünfstellig und können damit auch nicht mehr mit den Pin-Nummern von der EC-Karte verwechselt werden. Früher, als wir noch einen Kaiser hatten (der damals die Fußballschuhe gegen ein Sakko getauscht hatte und kurz davor stand, lizenzfrei als „Trainer“ bzw. Teamchef die Nationalelf gegen Maradona antreten zu lassen) waren diese Nummern noch vierstellig.

Eingeführt wurden die Postleitzahlen übrigens (und das wusste ich tatsäch bisher auch nicht) infolge des Zweiten Weltkrieges, um die halbwegs pünktliche Zustellung der Post auch in den besetzten Gebieten bzw. durch ungelernte Fremdarbeiter zu gewährleisten. Damals noch ein- bis zweistellig, wurden die System in den 1960er Jahren dann vierstellig und in Ost und West unterschiedlich. Witzigerweise hab ich nach wie vor die für mich damals relevanten Zahlen im Kopf (4090, 9022 und 3256). Da beide Systeme Nummern doppelt vergaben musste nach der Wiedervereinigung das fünfstellige System eingeführt werden. Soweit der historische Abriss, nun aber endlich zum Album der Woche:

Das erfüllte nämlich den völlig irrelevanten Bildungsauftrag, quasi jedem Bundesbürger begreiflich zu machen, welche Postleitzahl eine ganz bestimmte Stadt (damals) hatte. Diese liegt im tiefen Westen, wo die Sonne verstaubt. Richtig, diese Woche sind wir bei Herbert Grönemeyer und seinem wie ich finde größten Album „4630 Bochum“ (und mein Studienkumpel Björn wird mir nun wieder was von wegen „alternativer Musikauswahl“ erzählen wie vor zwei Wochen bei Abba schon, hihi).

Auf jeden Fall erschien das Album am 11. Mai 1984 (wenn man Wikipedia trauen kann), also ziemlich genau vor 40 Jahren. Das Album war der Grönemeyers Durchbruch als Sänger in Deutschland, vorher hatte er hauptsächlich als Schauspieler am Theater und im TV gespielt. Ebenso hatte er 1981 die Quasi-Hauptrolle in „Das Boot„, was ich bis heute für die wichtigste TV- bzw. Kinoproduktion Deutschlands halte. Seine ersten vier Alben, erschienen zwischen 1979 und 1983, hingegen waren ziemlich erfolglos. All das sollte sich nun aber ändern.

Unter den zehn Songs des Albums sind quasi keine Ausfälle, einige Stücke zählen bis heute zu den erfolgreichsten in seiner Karriere und entwickelten ein Eigenleben weit über den Kontext des Albums hinaus. Das beginnt schon beim eröffnenden Bochum, was inzwischen quasi zur inoffiziellen Hymne der Stadt („Hier, wo das Herz noch zählt, nicht das große Geld“) und seines Fußballvereins („machst mit ’nem Doppelpass jede Abwehr nass“) geworden ist.

Direkt danach folgt mit Männer sein vermutlich größter Hit. Je nach Sichtweise ist es ein Abgesang auf Machos („Männer haben Muskeln, Männer sind furchtbar stark, Männer können alles, Männer kriegen ’nen Herzinfarkt“), eine Satire („Männer kriegen keine Kinder, Männer kriegen dünnes Haar, Männer sind auch Menschen, Männer sind etwas sonderbar“) oder das Eingeständnis dass es Männer eben auch nicht einfach haben im Leben – es traf jedenfalls den Nerv der Zeit, in der Ina Deter ja „neue Männer braucht das Land“ proklamiert hatte. Und die Frage „Wann ist ein Mann ein Mann?“ ist tatsächlich bis heute relevant, Stichwort „toxische Männlichkeit“. Der Song wurde im Sommer 1984 als Single veröffentlicht und landete in den Top 10. Selbstredend bietet sich das Stück zum Covern und Verfremden an, so dichteten J.B.O. es 1995 textlich recht fies auf Frauen um („werden als Kind schon auf blond gebleicht“), wohingegen die Toten Hosen es als Vehikel für ihre Animosität bezüglich einer am Rhein gelegenen Großstadt nutzten: „Warum gibt es Köln?„. Darüber hinaus wurde der Song natürlich im soziokulturellen Kontext wissenschaftlich seziert und zählt unterm Strich irgendwie zu den wichtigsten deutschsprachigen Songs der Popmusikgeschichte. Muss man auch erst mal hinbekommen sowas.

Nach diesen flotten Popnummern folgt nun eine schwermütige Ballade – Flugzeuge im Bauch. Der Song über eine kaputte Beziehung funktioniert für mich nicht so richtig, wenn ich Flugzeuge im Bauch fühltee lag das bisher immer daran, dass ich zu viel oder das falsche oder zu viel vom falschen gefuttert hatte und dies dann möglichst schnell wieder aus dem Magen raus wollte. Größeren Erfolg hatte die (für mich völlig unhörbare) Coverversion eines gewissen Oli P in den 90er Jahren.

Allerdings geht es danach gleich weiter mit einem großen Klassiker, der dann auch einen Bezug zum heutigen Feiertag hat (Männertag, Vatertag, Christi Himmelfahrt, egal): Alkohol, eine „Hymne“ mit treffsicherem Text („Alkohol ist das Drahtseil auf dem du stehst, Alkohol ist das Schiff mit dem du untergehst“). Der Song war ebenfalls eine Single, wenn auch damals ohne größeren Erfolg.

Die restlichen sechs Songs sind neben diesen Stücken irgendwie etwas untergegangen, obwohl es da einige Perlen zu entdecken gibt: Amerika kritisiert die weltpolitische Rolle der damals von Reagan regierten USA („lad Russland endlich zu dir ein, einigt, entrüstet euch, Amerika. Oder schießt euch gemeinsam auf den Mond, schlagt euch dort oben, er ist unbewohnt“). Für Dich Da ist ein Lied über Liebe („Ich bin für Dich da, auch wenn die Welt durchdreht“), Jetzt oder Nie ist heute aktueller als damals („Das Fernsehen redet uns tot, Pflanzen sterben an Atemnot, wir warten immer zu lange, die Zeit rennt weg, wir müssen’s angehen“), Fangfragen ist eine oberflächlich flotte lustige Nummer mit einem fiesen Text über Eifersucht, während Erwischt das Kribbeln des Verliebtseins textlich wundervoll auf den Punkt bringt („Du hast mich restlos aufgetaut, ich schmelz dahin, machst mir ständig eine Gänsehaut, völlig von Sinnen“).

Den Rausschmeißer der Scheibe bildet die kürzeste Nummer des Albums: Mambo ist flott und tanzbar und hat einen überaus witzigen Text („Ich dreh‘ jetzt schon seit Stunden hier so meine Runden. Es trommeln die Motoren, es dröhnt in meinen Ohren. Ich finde keinen Parkplatz, ich komm‘ zu spät zu Dir mein Schatz.“) – kann mir nicht passieren, ich fahre Bahn (da komme ich aus anderen Gründen zu spät, hrhr).

Fazit: Einige der wichtigsten Songs der deutschen Popgeschichte sind auf diesem Album versammelt, allein schon deswegen sollte man es kennen, auch wenn man sonst mit Popmusik nicht viel anfangen kann.

 

 

Ein Kommentar zu “Album der Woche”

  1. CWeasel

    Das Album steht bei mir im Plattenschrank. Ja, textlich ist das echt stark. Und die Genre-Einordnung ist ja nie eindeutig. Bei Wikipedia steht bspw. für „4630 Bochum”: Rock

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