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Album der Woche

30. November 2022, 20:11 Uhr von Uwe

Letzte Woche war Mainstream-Pop, deswegen gibts diese Woche Kontrastprogramm. Dazu begeben wir uns nach Florida und diskutieren nicht nur ein Album, sondern zwei – von der gleichen Band, aber grundverschieden.

Das erste Album der aktuellen Woche stammt aus dem Jahr 1987. Es war damals das vierte Album der Bandgeschichte. Das erste war ein Underground-Hit, das zweite habe ich in dieser Reihe vor zwei Jahren besprochen – eins der größten Metal-Alben der 80er – und das dritte war kommerzieller Schrott und ein Totalflop. Nun ergab es sich, dass die Band auf einen Produzenten traf, der einige coole Ideen hatte. In erster Linie gehörte dazu das Einbringen von Elementen klassischer Musik und eine Steigerung des Bombastlevels. Nein, Jim Steinman ist nicht gemeint, Meat Loaf war erst vor einigen Wochen dran. Die Rede ist vom (inzwischen ebenso wie Jim Steinman und Meat Loaf verstorbenen) Paul O’Neill. Beim Kenner fällt jetzt der Groschen, allen anderen sei gesagt, dass die Band der Woche Savatage heißt – und zu meinen absoluten Lieblingsbands zählt.

Das Album der Woche (also das erste von zweien) war quasi die Wiedergeburt der Band nach dem Flop des Vorgängers. Der Name „Hall Of The Mountain King“ ist dabei Programm, denn passend dazu gibts eine Adaption des entsprechenden Stücks von Edvard Grieg. Das heißt eigentlich ist die Adaption nur das instrumentale Intro, der eigentliche Song mit dem Namen ist eine Eigenkomposition und einer der ganz großen Bandklassiker. Aber der Reihe nach:

Erster Hingucker der Scheibe ist zunächst das Cover, eine coole Airbrush-Interpretation des Titelstücks. Auf der Scheibe selbst verteilen sich dann zehn Songs, darunter zwei Instrumentalnummern. Die erste Seite ist dabei in erster Linie reiner Heavy Metal, die zweite Seite kommt dann mit den bereits angesprochenen Ausflügen in Richtung Klassik. Akustische Farbtupfer gibt es in Form des zweiten kurzen Instrumentalstücks Last Dawn ebenso.

Schauen wir also mal die erste Seite an: vier Songs, viermal Volltreffer. Das letzte Stück der Seite ist Strange Wings, der möglicherweise eingängigste Song der Bandgeschichte. Die Nummer hätte als Single und mit entsprechender Werbung auf MTV sicher eingeschlagen – wurde halt nicht gemacht. Die drei anderen Songs, 24 Hrs. Ago, Beyond The Doors Of The Dark und Legions kommen eher düster daher, insbesondere textlich. Allerdings sind es eben auch drei dicke fette Volltreffer.

Die zweite Seite beginnt mit der bereits erwähnten Interpretation der Grieg’schen Berghöhle, gefolgt vom eigentlichen Titelstück der Platte. Dieses Doppel ist der zweite fette Anspieltipp, denn so episch, bombastisch und gesanglich am Anschlag war die Band danach so gut wie nie wieder. Die anderen drei Songs fassen sich jetzt eher kürzer und sind relativ geradlinige Rocker mit interessanten Texten – Sänger Jon Oliva thematisiert zum Beispiel in White Witch seine Erfahrungen mit Kokain, wohingegen Devastation apokalyptisch daherkommt.

Die Apokalypse blieb damals aus, die Band spielte bis 1993 noch drei weitere Klassikeralben ein (das dritte schon mit neuem Sänger, weil Jon Olivas ungesunder Lebenswandel die Stimme ruiniert hatte). Dann starb Gitarrist Criss Oliva, Jons jüngerer Bruder, im Oktober ’93 bei einem unverschuldeten Autounfall und die Band zerbrach beinahe.

Produzent Paul O’Neill bekam danach größeren Einfluss auf die Musik der Band, die sich deutlich stärker in Richtung Klassik und Konzeptalben bewegte – man höre „Dead Winter Dead“ von 1995 mit diversen Adaptionen klassischer Stücke von Mozart und Beethoven. Daraus entstand dann später auch das in Amerika ungemein erfolgreiche Trans-Siberian Orchestra.

Und damit wären wir beim zweiten Album, dem vorletzten der Bandgeschichte. „The Wake Of Magellan“ erschien 1997 und ist irgendwie ein Konzeptalbum, wobei ich das Konzept bis heute nicht verstanden habe. Das stört aber überhaupt nicht, denn wichtig sind die Songs, und die funktionieren zum Glück auch so.

Das Album enthält 13 Songs, darunter aber diverse Intros, Instrumentalstücke und Zwischenspiele. Wenn man das abzieht, bleiben neun Songs übrig. Das Album startet nach den Intros relativ ruhig mit Turns To Me und Morning Sun, bevor die Sache mit Another Way und Blackjack Guillotine Fahrt aufnimmt. Die eigentlichen Highlights kommen erst recht weit hinten auf der Scheibe, als die Geschichte auf ihren Höhepunkt zusteuert. Man könnte ketzerisch behaupten, die ersten sechs Songs bis zu Underture (einem musikalischen Zwischenspiel) dienen nur zum Aufwärmen, bevor man richtig anfängt.

Das Titelstück beschreibt einen Zwischenfall auf einem Containerfrachter aus dem Jahr 1996, als Schiffbrüchige vom Kapitän über Bord geworfen wurden. Der dramatische Höhepunkt des Songs ist ein aufwendiger Satzgesang der gesamten Band. Dieses Stilmittel, dass ich so auch nur von Savatage kenne, hatten sie erstmals nach dem Tod von Criss Oliva begonnen und hier perfektioniert. Das abschließende Opus The Hourglass ist ähnlich aufgebaut und bringt die Geschichte zu einem dramatischen Abschluss.

Fazit: Zwei starke Alben, das erste ist eher leicht zugänglich, das zweite Album muss man sich in Ruhe erarbeiten, direkte Hits gibt es nicht, die beiden hervorgehobenen Songs machen ja schon eine Viertelstunde aus und sind nicht einfach mal nebenbei angehört.

Laut Plan bleiben wir die nächsten Wochen im Jahr 1977 und beleuchten da noch verschiedene musikalische Genres. Es bleibt also spannend.

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