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Album der Woche

13. Oktober 2022, 19:38 Uhr von Uwe

Vor 50 Jahren, tief im… hatten wir das nicht erst letzte Woche? Richtig. Aber das Album der aktuellen Woche ist halt auch schon ein halbes Jahrhundert alt. Reisen wir also also zurück auf die Insel der teetrinkenden Spinner (Obelix hat das behauptet, und wer würde einem Typen in einer blauweiß gestreiften Hose schon widersprechen?).

Anfang der 70er war musikalisch eine ziemlich grenzenlose Zeit. Fünf Jahre zuvor hatten die Beatles die Popmusik und die Langspielplatte als Kunstmedium umdefiniert, neuartige Instrumente wie die ersten analogen Synthesizer sorgten für bislang nie möglich gewesene Klangexperimente und somit loteten zahlreiche Bands immer neue Grenzen dessen aus, was man unter neuartiger Musik abseits von drei-Minuten Singles so auf Vinyl verewigen konnte. Quasi wöchentlich erschienen neue Werke, die man heutzutage als „Progressive Rock“ einsortiert – Jethro Tull hatten wir hier schon, Pink Floyd ebenso, und diese Woche sind nun Genesis dran.

Die hatten ja 1971 zu ihrer klassischen Besetzung mit Peter Gabriel, Steve Hackett, Phil Collins, Michael Rutherford und Tony Banks gefunden (dass nur die letzten drei davon übrigblieben und 20 Jahre später die größte Popband der Welt waren ist eine andere Geschichte). Ihr Magnum Opus erschien also vor ziemlich genau 50 Jahren und bekam den schönen Namen „Foxtrot„. Passend dazu gibts auch nen Fuchs im Frauenkleid aufm Cover, und Peter Gabriel trug im Konzert entsprechende Fummel – is halt Kunst, muss man nicht unbedingt verstehen.

Sechs Stücke sind auf dem Album enthalten, darunter alles vom gut einminütigen Instrumental bis hin zum damals technisch machbaren von etwas über 20 Minuten (mehr passte nicht auf eine LP-Seite). Beide Extreme landeten witzigerweise auf der gleichen LP-Seite. Die andere Hälfte sind zwei ausgefeilte Longtracks und zwei daneben etwas unscheinbar daherkommende Songs.

Das Album wird mit Watcher Of The Skies eröffnet. Das beginnt mit verträumten Mellotronklängen, die dann in einen rhythmisch wilden Ritt übergehen. Inhaltlich geht es um Aliens, die die Erde menschenleer vorfinden. Der Song ist gleich ein ganz großes Ausrufezeichen und gehört inzwischen zur Progger-Allgemeinbildung. Es folgt Time Table, da gehts aber nicht um Fahrpläne, sondern um einen Tisch, der von alten Zeiten erzählt. Kann gut sein, dass man dazu verschiedene Substanzen intus haben muss. Das nächste Highlight ist Get ‚em Out By Friday, in dem vor allem Peter Gabriel glänzt. Er singt in einem sozialkritischen Mietshausdrama nämlich verschiedenste Personen und wechselt dabei Stimmhöhen und -färbung in beeindruckender Art und Weise. Allerdings leidet der Song meiner Meinung nach ein wenig unter dem Problem „zu viel Text für zu wenig Musik“, obwohl die Nummer gute achteinhalb Minuten dauert.

Die erste Seite wird beschlossen von Can-Utility And The Coastliners, einer recht merkwürdigen Nummer. Das Lied ist eigentlich nach zwei Minuten vorbei, danach folgen noch drei Minuten musikalisch spannender Ideen (schönes Keyboardsolo), von denen ich aber nicht ganz verstehe warum sie an der Stelle stehen und was sie mit dem Anfang des Songs zu tun haben. Da fehlt mir irgendwie am Ende nochmal eine Klammer, die den Instrumentalteil einfängt und zum Beispiel ein musikalisches Motiv vom Anfang aufgreift. Vielleicht fehlt mir aber auch nur die Bildung, um zu verstehen was mir die Künstler hier sagen wollen.

Seite 2 enthält nun zwei Stücke, zunächst mal das gut einminütige Gitarreninstrumental Horizons, was nicht weiter stört. Viel wichtiger ist ohnehin das folgende Supper’s Ready (Mahlzeit!). Das ist die Blaupause für quasi alle Longtracks, die danach kamen, besteht dabei aber eigentlich aus sieben einzelnen Teilen, die nicht wirklich was miteinander zu tun haben, außer dass sie eben zusammenhängen und man wild von einem Teil zum nächsten hüpft. Besonders cool dabei sind neben den Wortspielen von Peter Gabriel auch die Titel der einzelnen Teile (Apocalypse in 9/8 – da muss man die Takte dann auch mitzählen).

Fazit: Ein Klassiker des Prog, wegweisend für die Bandgeschichte und das Genre ansich. Wer Genesis hingegen nur von Land Of Confusion oder I Can’t Dance kennt, wird sich hier ziemlich wundern. Hier gehts deutlich komplexer zu, dafür klingt das Album aber auch 50 Jahre später noch frisch und spannend.

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