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Album der Woche

6. Oktober 2022, 20:01 Uhr von Uwe

Für 50 Jahren, tief im südamerikanischen Dschungel: Zwei Typen sitzen in einer Dorfkaschemme beim Essen. Es gab einen kleinen Streit mit dem Wirt, und nun mischt sich ein Kumpel des Wirtes in den Kampf ein. Der erste Typ, ein blonder Blauäugiger, sitzt mit dem Rücken zum Geschehen und fragt den ihm gegenübersitzenden bärtigen Dicken: „Was hat er’n da?“ „Ne Ansichtskarte aus Solingen.“

Ganz so trocken wie die Synchronsprecher von Bud Spencer und Terence Hill kriege ich das zwar nicht hin, macht aber nix, denn es geht nicht um tieffliegende Himmelhunde, auch nicht um Taschenmesser, sondern um Stahl aus Solingen. Akzeptieren wir also mal das dämliche Wortspiel und die ebenso blödsinnige Einleitung als den verzweifelten Versuch eine nicht völlig misslungene Einleitung zu schreiben und kommen zum Album der Woche. Die bekannteste Solinger Stahlschmiede – im musikalischen Sinne – heißt seit über 40 Jahren Accept. Und vor 40 Jahren hatten sie ihren großen internationalen Durchbruch mit Restless And Wild.

Das Album ist einer der großen Klassiker im Heavy Metal und kann ohne Übertreibung als wegweisend angesehen werden. Die Hülle ist schon mal ein klarer Fingerzeig: Da brennen zwei Gitarren, und ein ebensolches Feuerwerk erwartet den Hörer denn auch auf den zehn Songs. Der Anfang ist gleich mal legendär, da glaubt man sich nämlich im falschen Film bzw. auf der falschen Scheibe: Blasmusik, eine Jodeltante und Heidi, Heido, Heida… bevor man aber ob dieser Lärmbelästigung einen Anfall kriegt folgt das Geräusch einer wild über die Scheibe springenden Plattennadel, ein markerschütternder Schrei von Udo Dirkschneider, und dann setzen auch schon die wild rasenden Gitarren ein und demonstieren, dass man noch schneller spielen kann als alles was bisher unter Heavy Metal gelaufen war. Passend zum Tempo heißt der Song übrigens Fast As A Shark.

Das folgende Titelstück des Albums ist nur wenig langsamer, Udo klingt dabei jedenfalls als hätte er morgens mit Rasierklingen und Whisky gegurgelt und verleiht der ganzen Scheibe damit ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Die restlichen Songs sind dann „nur“ überdurchschnittlich und schwanken zwischen durchschlagendem Stampfer (Shake Your Heads), dicken Riffs (Flash Rockin‘ Man) und vergleichsweise „sanften“ Tönen (Don’t Go Stealing My Soul Away).

Den großen Knaller hat sich die Band bis zum Ende des Albums aufgehoben. Der Sechsminüter Princess Of The Dawn stapft mit der Masse eines Schwerlasttrucks durch die Botanik und beinhaltet die für Accept typischen Anleihen bei klassischen Musikstücken. Größter Fehler meiner bescheidenen Meinung nach: Nach 6:15 Min endet die Chose unvermittelt und abrupt, anstatt in einem richtigen Finale zu kulminieren. Fast als wäre da einfach mittendrin das Aufnahmeband zuende gewesen.

Das Album war wie gesagt wegweisend für Heavy Metal im Allgemeinen und Accept im Besonderen. In Deutschland ging es zwar ziemlich unter, andernorts kam man aber in die Charts. Die Band zementierte damit grade im Ausland den exzellenten Ruf von Hardrock und Heavy Made in Germany (gemeinsam mit den Scorpions). Stilistisch waren sie eh allein auf weiter Flur: Synchron-Gitarrenbanging auf der Bühne und dazu ein Udo Dirkschneider mit militärischem Kurzhaarschnitt und in Tarnhosen, damit hatte man sein spezielles Image weg. Ohne Accept hätte es später Bands wie Hammerfall oder Sabaton nicht gegeben (ob das nun gut oder schlecht ist sei dahingestellt). Accept hatten auf jeden Fall einen nicht wegzudiskutierenden Einfluss, und diese Scheibe gehört zusammen mit dem Nachfolger zu den Eckpfeilern des klassischen Heavy Metal der 80er.

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