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Album der Woche

9. August 2022, 23:38 Uhr von Uwe

Früher war alles besser. Vor allem die Zukunft. Und deswegen geht es diese Woche besonders weit zurück in die Vergangenheit, die noch früher auch mal die Zukunft war. Denn gestern war ja nur das morgen von vorgestern. Wir gehen also diese Woche zurück in die frühe Kaiserzeit, d.h. genaugenommen sogar noch ein Stück weiter.

In der Zeit um die es geht war besagter Kaiser noch nicht gekrönt und auch noch nicht die Lichtgestalt späterer Jahre, sondern führte die Bayern grade zum ersten Sieg im Pokal der Pokalsieger sowie zum DFB-Pokal. Und für den Rest des Artikels spielt er auch keine Rolle mehr, außer dass man aus den genannten Fakten konstatieren kann, dass wir im Jahr 1967 unterwegs sind.

Und damit wären wir bei der großen popkulturellen Grundsatzfrage jener Zeit: „Beatles oder Stones?“ Die einzig richtigen Antworten auf die Frage sind aber sowieso „Beide“ (musikhistorisch) bzw. „Ja“ (logisch). Und da ich in meinem Schrank nur eine Best Of der Stones stehen habe muss das Album der Woche ja dann logischerweise von den Pilzköppen kommen.

Und die hatten ein sehr turbulentes Jahr 1967. Keine Touren mehr, stattdessen ein Film, der Tod ihres Managers Brein Epstein, zwei Alben, drei Singles und mal eben nebenbei die Popmusik komplett neu definiert. Und deswegen gibt es diese Woche zwei Alben der Woche.

Beginnen wir bei dem weniger relevanten: „Magical Mystery Tour“ war ursprünglich eine Doppel-EP in Großbritannien, ein komplettes Album in den USA und erschien in anderen Gegenden Jahre später. Erst im Rahmen der Konsolodierung der völlig chaotischen Veröffentlichungen im Rahmen der Einführung von CDs wurde das Album vollwertiger Beitrag der Beatles-Diskographie. Damit ist dieses Album aber auch das Einzige, bei dem der amerikanische Release relevant ist – für alle anderen Alben ist die britische Veröffentlichung die maßgebliche Version (bei den Stones ist das übrigens genau andersrum).

Kurzer Einschub hierzu: Bei den Beatles war es üblich, Alben zu veröffentlichen und zusätzlich noch Singles. Die Praxis dass die Singles Songs eines Albums plus irgendwelche Sondersongs enthalten kam erst später auf. Somit erschienen einige der größten Beatles-Hits nie auf regulären Studioalben. Darüber hinaus gibt es bei den Beatles noch erheblichen Variantenreichtum im Bezug auf die Abmischungen, erschienen doch die frühen Alben zunächst nur in Mono und erst ganz zum Ende ihrer Bandkarriere hin wurde eine einzige Stereomischung zum Ziel.

Der langen Vorrede kurzer Sinn: Elf Songs, darunter die weltbekannten The Fool On The Hill, I Am The Walrus, Hello Goodbye, Strawberry Fields Forever, Penny Lane (Grüße an meine damalige Englischlehrerin) und schlussendlich auch All You Need Is Love. Die restlichen Songs sind nicht weiter erwähnenswert, bis auf das Titelstück. Aber grundsätzlich führt an dieser Scheibe mit dieser Hitdichte halt einfach mal kein Weg vorbei.

Auf die einzelnen Songs im Detail einzugehen erübrigt sich eigentlich, weil die sowieso jeder mal gehört haben muss, immerhin sprengten die Beatles damit sämtliche bis dahin geltenden Grenzen der Popmusik. Allein die Aufnahmeeffekte von Strawberry Fields Forever waren wegweisend für die weitere Musikgeschichte und ebneten um mehrere Ecken den Weg für Bands wie Pink Floyd oder Queen.

Während die Magical Mystery Tour also in erster Linie einige der relevantesten Singles der Popgeschichte enthält, wurde das Thema „wegweisendstes Studioalbum der 60er Jahre (und evtl auch darüber hinaus)“ bereits am Anfang des Jahres abgehandelt. Wer ein wenig in der Historie der Popmusik bewandert ist wird wissen dass Ober-Beach Boy Brian Wilson sich diesem Ziel bereits im Vorjahr verschrieben hatte und das Ganze mit einem Nervenzusammenbruch bezahlte, mit „Pet Sounds“ aber auch den Weg wies. Die Beatles hatten danach das ganz klare Ziel, mit diesem Album mindestens gleichzuziehen. Das haben sie meiner unmaßgeblichen Meinung nach geschafft und nebenbei sämtliche bis dahin geltenden Konventionen gesprengt. Nicht umsonst gilt „Sgt. Peppers’s Lonely Hearts Club Band“ als eins der wichtigsten Alben der Popgeschichte.

Das beginnt schon beim wahnsinnig aufwendigen Coverfoto. Bis dahin wurde einfach ein Foto vom Interpreten aufs Cover gepappt, oft genug ohne jeglichen Bezug zur Musik. Die Beach Boys schleppten in ihrer Frühzeit aufm Cover ständig Surfbretter über den Strand, konnten aber gar nicht surfen – bis auf einen, und der ertrank später dabei. Die Beatles hingegen engagierten hier einen eigenständigen Künstler bzw. ein Künstlerteam. Dieses wiederum verewigte neben den vier Pilzköpfen in modisch bunter Uniform noch einen ganzen Haufen mehr oder minder berühmter Persönlichkeiten auf dem Cover – sowas ginge heute gar nicht mehr, allein schon wegen der notwendigen Bildrechte. Außerdem kostete der Spaß einen Haufen Kohle, den heutzutage niemand mehr bereit wäre für ein Album auszugeben.

Die inneren Werte bestehen aus 13 Songs, darunter aber nur wenige wirklich bekannte Hits. Dafür gibt es auf dem Album einige der relevantesten Werke zum Thema „Ausnutzen moderner Studiotechnik“ und „Sprengen musikalischer Grenzen“. Eine Nummer wie A Day In The Life wäre nur ein Jahr vorher völlig undenkbar gewesen. Die asiatischen Klänge von Within You Without You ebenso. Ein Album als in sich geschlossenes künstlerisches Statement zu sehen war bis dahin ausgesprochen unüblich, hier gibt es nun eine Einleitung namens Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, die nahtlos in das von Ringo gesungene With A Little Help From My Friends (als Cover zwei Jahre später der große Durchbruch für Joe Cocker) übergeht und auf der zweiten LP-Seite durch eine Reprise abgeschlossen wird.

Der „Hit“ des Albums ist das an dritter Stelle stehende Lucy In The Sky With Diamonds, während die anderen Stücke die Band in erster Linie als gereifte Texter präsentieren. Nix is mit Boygroup-Ich liebe Dich, sie liebt mich nicht, blabla-Texten – hier geht es um Betrachtungen von Alltagsgegebenheiten. Gut, When I’m 64 ist jetzt nicht unbedingt Alltag und dauert bei mir noch ein paar Jährchen, wurde dafür aber z.B. von Udo Lindenberg gecovert.

Fazit: Zweimal ganz große Popgeschichte. Einmal als Sammlung von Hitsingles, einmal als große Albumkunst. Muss man kennen.

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