Kategorien

Archive

Kalender

Januar 2022
M D M D F S S
 12
3456789
10111213141516
17181920212223
24252627282930
31  

Album der Woche

12. Januar 2022, 19:37 Uhr von Uwe

Es gibt Bands, die haben in einer langen Karriere so viele gute Alben gemacht, dass es schwer wird sich für eins zu entscheiden. Und damit ich nun nicht jeden Monat die gleiche Band abfeiere fassen wir das diese Woche mal etwas zusammen. Der Anlass ist zwar eher traurig, das macht aber nix.

Vor ziemlich genau zwei Jahren starb Neil Peart, Schlagzeuger und Texter von Rush. Der Mann war bereits zu Lebzeiten eine Legende und deswegen beschäftigen wir uns heute mal mit einer Auswahl aus fast 40 Jahren Bandgeschichte, die in diesem Jahr Jubiläums-Geburtstage feiern.

Den Anfang macht „A Farewell To Kings“ von 1977. Das Album war der Nachfolger des kommerziell erfolgreichen „2112“ und markiert eine stilistische Veränderung im Sound der Band. Bis dahin war die Instrumentierung relativ spartanisch gehalten, was das Trio natürlich nicht davon abhielt komplizierte und verschachtelte Musik zu machen – aber hier kommen erstmals Synthesizer als integraler Bestandteil der Musik vor. Das sollte sich auf den späteren Alben fortsetzen und verstärken, der Fokus liegt schon noch klar auf Gitarre und Bass, die Synthies liefern aber relevante Farbtupfer. Insgesamt acht Songs sind auf dem Album zu finden, darunter die Klassiker Closer To The Heart, Xanadu und Cygnus X-1. Letztere sind mit jeweils über 10 Minuten auch die progressiven Highlights des Albums, die anderen Nummern fallen dagegen doch eher ab. An Geddy Lees Gesang scheiden sich wie üblich die Geister, seine Stimme ist hier noch ziemlich hoch und schrill, das wurde erst einige Jahre später erträglicher.

Das zweite Album der Woche ist „Signals“ von 1982. Das war der Nachfolger des Überalbums „Moving Pictures“ aus dem Vorjahr und ist musikalisch Lichtjahre vom Schaffen der 70er entfernt. Synthesizer und sonstige elektronische Effekte spielen gleichberechtigt neben der Gitarre die Hauptrolle im Sound, und die Produktion hat Druck ohne Ende. Das wird schon beim Opener Subdivisions deutlich, bei dem die Gitarre nur eine Nebenrolle spielt, sich dafür aber die Keyboardspuren stapeln. Ein weiteres Highlight ist The Weapon, das eröffnende Stück der zweiten Seite. Die Zeit der überlangen Suiten war ja schon seit Jahren vorbei, alle Songs kommen in knapp fünf Minuten mit etwas Spielraum auf den Punkt. An „Moving Pictures“ kommt die Band zwar nicht ran (das ist eben auch der Höhepunkt der Bandgeschichte), aber sie haben sich eben bewusst dazu entschieden, sich und den Klang ihrer Musik neu zu erfinden.

Nochmal fünf Jahre später erschien „Hold Your Fire„. Das Album hat einen eher durchwachsenen Ruf (gemessen am Rest des Katalogs) und enthält aus meiner Sicht auch arg viel Standardkost ohne große Überraschungen. Klanglich wird etwas geboten, was man wohl AOR nennen könnte, also radiotaugliche Rockmusik. Lediglich Force Ten, der Opener des Albums, konnte sich länger live halten – witzigerweise entstand die Nummer überhaupt erst am letzten Tag der Aufnahmen. Allerdings muss man dem Album eine perfekte Produktion zugestehen, und die Texte von Neil Peart sind wie immer Weltklasse. Ein erwähnenswerter Punkt ist das Auftreten einer Gastsängerin auf Time Stand Still.

Wir gehen ins Jahr 2002 zu „Vapor Trails„. Das Album entstand nach sehr schwierigen Jahren, in denen nicht klar war ob es die Band überhaupt noch geben würde, nachdem Neil Peart nach zwei schweren Schicksalsschlägen Ende der 90er Jahre das Schlagzeugspielen aufgegeben hatte. Erst Jahre später fand die Band wieder zusammen, und das ist das Besondere an Rush für mich: Da waren drei Ausnahmekönner am Werk, die nicht nur zusammen Musik machten, sondern auch echte Freunde waren und lieber die Band ruhen ließen anstatt mit Ersatzleuten auf lukrative Touren zu gehen. „Vapor Trails“ markiert also einen musikalischen Neuanfang, so verzichtet die Band komplett auf Keyboards. Herausgekommen ist ein sehr rockiges Album. Heraus kam am Ende gut über eine Stunde Musik verteilt auf 13 Songs, was nicht unbedingt ein Pluspunkt ist, da sich doch einige eher nichtssagende Nummern darunter befinden. Außerdem macht die Produktion einiges kaputt, selbst die Band zeigte sich später nicht damit zufrieden. Meine persönlichen Highlights auf dem Album sind One Little Victory, Ghost Rider und Earthshine. Viel wichtiger aber waren wohl die Auswirkungen der Aufnahmen auf die psychische Gesundheit der Bandmitglieder. Und die Fans konnten sich auf noch 10 Jahre und jede Menge Liveshows freuen.

Kommen wir zum Spätwerk: „Snakes & Arrows“ von 2007 sowie „Clockwork Angels“ von 2012, den letzten beiden Studioalben der Bandgeschichte. Rush waren längst die Elder Statesmen des Progrock, hatten nach über 30 Jahren Karriere niemandem mehr etwas zu beweisen (sie spielten trotzdem 3h Konzerte) und hätten einfach weiter Musik nach bewährtem Schema machen können. Haben sie aber nicht. Stattdessen überraschen sie auf „Snakes & Arrows“ gleich mal mit drei instrumentalen Achterbahnfahrten (The Main Monkey Business… Knüller!), wohingegen „Clockwork Angels“ ein Konzeptalbum über eine Steampunk-Welt ist. Sci-Fi Autor Kevin J. Anderson schrieb auch ein Buch dazu. Das Album ist musikalisch eine echte Wundertüte, teilweise rocken sie härter als in ihrer Frühzeit, aber stets melodisch und im besten Sinne catchy. Angetrieben wird das Ganze natürlich vom besten Schlagzeuger der Welt, der hier einmal mehr die wildesten Figuren und Metriken in die Songs einbaut, als wärs eine einfache Fingerübung. Highlights: das Titelstück und das abschließende The Garden, das letzte Stück auf einem Rush-Studioalbum überhaupt. Ein großer Abschluss einer großen Karriere.

Einen Kommentar schreiben