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Album der Woche

20. Januar 2022, 19:11 Uhr von Uwe

Neue Woche, neue Alben. Oder so.  Und weil heute ein echtes Sternchen Geburtstag hat, gibts Küsse – wahlweise mit Schaum oder von Ferrero. Oder auch nicht.

Der Jubilar wird heute runde 70 Jahre alt, steht seit einem halben Jahrhundert auf den Bühnen dieser Welt und hat zusammen mit einem kreativen Geschäftspartner das Rock’n’Roll-Showbusiness umgekrempelt und mit zu dem gemacht was es heute ist – eine Multimillionen-Industrie. Die Rede ist von Stanley Bert Eisen, besser bekannt als „Starchild“ Paul Stanley und seines Zeichens Mitbegründer von Kiss.

Dementsprechend ist das erste Album der Woche „Love Gun“ von 1977. Zum Zeitpunkt des Erscheinens waren Kiss (nach den vorangegangenen Alben Alive!, Destroyer und Rock And Roll Over) auf dem Höhepunkt ihrer Popularität und zumindest in Nordamerika größer als Led Zeppelin. Den Schlusspunkt unter diese Periode sollte das später veröffentlichte Alive II bilden, zum Ende des Jahrzehnts brach die Besetzung um Fledermaus und Schlabberzunge Gene Simmons, Space-Ace Frehley und Schlagzeuger Peter Criss auseinander. Die ersten Auflösungserscheinungen waren hier bereits erkennbar, aber nur bei sehr genauem Hinsehen.

Verpackt in ein gezeichnetes Artwork von Ken Kelly (später verpackte er in erster Linie Manowar-Alben), dass in Zeiten von MeToo und U2 und so Shitstorms auf Orkanlevel hervorrufen könnte gibts hier zehn Songs, wobei alle vier Bandmitglieder Songs beigesteuert haben und tatsächlich auch alle vier am Mikro stehen – eine Premiere für Ace Frehley, der Shock Me darbietet. Gene Simmons übernimmt den Gesang auf vier Stücken, darunter das als Single veröffentlichte Christine Sixteen (netter Song, Text zum Fremdschämen) und Plaster Caster (über ein Groupie welches Gipsabdrücke der Gemächter von Rockstars (u.a. Jimi Hendrix) anfertigte). Das Geburtstagskind Paul Stanley, damals juvenile Mitte 20 darf sowohl die A- als auch die B-Seite eröffnen, erstere mit I Stole Your Love und letztere mit einem der größten Songs der Bandgeschichte, nämlich dem Titelstück Love Gun. Es gehört laut Stanley zu den ca fünf wichtigsten Songs der Bandgeschichte (ich tippe bei den restlichen auf Rock And Roll All Nite, irgendwas von „Destroyer“ (Detroit Rock City, God Of Thunder, Beth, Do You Love Me), I Was Made For Loving You und God Gave Rock’n’Roll To You II). Achso, abgeschlossen wird das Album eher schlecht als recht von der Coverversion Then She Kissed Me, die im Original Then He Kissed Me hieß und von den Beach Boys schon als And Then I Kissed Her verwurstet wurde.

Das andere Album der Woche stammt von 1992 und ist tatsächlich (wenn ich mich richtig entsinne) das erste Album was ich mir jemals selbst gekauft habe. Die Rede ist von „Revenge„. Damals waren Kiss ohne Schminke unterwegs, und neben dem Duo Stanley/Simmons waren Bruce Kulick an der Gitarre und Eric Singer am Schlagzeug Teil der Besetzung. Kiss waren ja in den 80ern eher mal so semi-erfolgreich und wurden von diversen Hairspray-Bands kommerziell überflügelt. Mitte der 90er starteten sie aber mit einer Reunion und einem Kopfsprung zurück in den Schminktopf wieder groß durch. „Revenge“ ist das letzte Album der unmaskierten Ära und dabei eine Rückbesinnung auf härteren Rock und mehr Aggressivität.

Die Band holte sich viel Hilfe von externen Produzenten, unter anderem Bob Ezrin, der schon 1976 bei Destroyer federführend mitgewirkt hatte und später auch Pink Floyd beim Mauerbau half. Insgesamt 12 Songs finden sich auf dem Album, davon ist eins ein Demo mit dem während der Aufnahmen verstorbenen früheren Schlagzeuger Eric Carr. Der Rest ist solider bis guter Hard Rock mit vergleichsweise düsterem Anstrich wie bei Thou Shalt Not, Heart Of Chrome oder Tough Love. Mit Every Time I Look At You ist eine Quotenballade vertreten, die Hits des Albums heißen aber Unholy (später ziemlich genial von den Ärzten durch den Wolf gedreht) und God Gave Rock’n’Roll To You II, wobei das erstens eine halbe Coverversion ist und zweitens das Video damals für mich mit so ca 14 Jahren die Initialzündung war, Kiss überhaupt aufm Schirm zu haben (noch bevor ich I Was Made For Loving You der Band zuordnen konnte). Das Album hat also für mich eine besondere Bedeutung, auch wenn es im Bandkatalog abgesehen von den zwei Songs keine größere Rolle mehr spielt und die Songs der 70er natürlich wesentlich bedeutsamer sind.

Mitte der 90er kam es zur großen Reunion im originalen Lineup (was später wieder auseinanderbrach), die Band trat anschließend noch ein knappes Vierteljahrhundert lang in wechselnder Besetzung auf und veröffentlichte noch drei Alben. Seit 2019 sind sie nun auf Abschiedstour (unterbrochen von der aktuellen Gesamtsituation). Ich fürchte daher, dass Kiss eine der Bands werden, die ich zwar gerne mal live gesehen hätte, nie live gesehen haben werde. Ist aber vielleicht auch besser so, die Jungs werden ja auch nicht jünger, und die prägnante Stimme von Paul Stanley ist auch schon länger nicht mehr, was sie vor 20 Jahren noch war. In diesem Sinne, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, die Musik ist ja eh alterslos.

 

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