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Album der Woche

22. Juli 2021, 18:52 Uhr von Uwe

Letzte Woche gabs trötende Flötentöne, diese Woche gibts ein Album ganz mit ohne trötende Flötentöne. Aber es gibt beinah fast eine Gemeinsamkeit mit dem Album der letzten Woche.

Der trötende Flötenspieler bei Jethro Tull heißt mehr oder weniger bekanntermaßen Ian Anderson. Der Mensch, der das Album dieser Woche gebastelt hat, heißt auch Anderson. Und sein Vorname hat drei Buchstaben, und ein n an dritter Stelle. So gesehen haben die beiden also einen Hamming-Abstand von 2. Das ist aber auch völlig piepschnurz, relevanterweise war bzw. ist Jon Anderson nämlich bekannt als Sänger von Yes und arbeitete später u.a. auch mit Vangelis zusammen. Yes spielten Anfang der 70er abgedrehten Progrock (mit Betonung auf Prog, nicht auf Rock), für den man am besten ein Musiktheoriestudium hinter sich hat. Ironischerweise hatten sie aber Anfang der 80er mit Owner Of A Lonely Heart einen fetten Radiohit (sieht irgendwer Parallelen zu Pink Floyd und Another Brick In The Wall? Wobei Floyd aber erheblich massenkompatibler waren). Wie auch immer, 1976 fabrizierte Anderson sein erstes Soloalbum „Olias Of Sunhillow„, und das ist das Album der Woche.

Erstmals bewusst gehört habe ich die Scheibe knapp 20 Jahre nach Erscheinen, nämlich auf einer ollen Kassette von meinem Vater (eine Seite dieses Album, die andere Seite „The Myths And Legends Of King Arthur“ von Rick Wakeman, der früher bei Yes in die Keyboardtasten griff). Und das war faszinierend. Wie nicht anders zu erwarten gibts auf dem Album ziemlich abgefahrene Musik zu hören – hauptsächlich instrumental (obwohl Anderson ja eigentlich Sänger ist). Klassische Songstrukturen braucht man nicht suchen, man wird keine finden. Stattdessen mäandert, schwebt und fließt die Musik sehr organisch auf Albumlänge vor sich hin. Für die musiktheoretischen Nerds wird auch viel mit Zahlensymbolik gespielt (das kann man auf Wikipedia nachlesen).

Aber: Man kann das auch als Normalsterblicher Mensch genießen, man muss sich nur drauf einlassen, Musik mal für eine Dreiviertelstunde am Stück zu hören. Anderson spielte die gesamte Scheibe im Alleingang ein, inklusive aller Instrumente, und er ist dabei alles andere als ein Virtuose. Spektakuläre Soli oder instrumentale Kabinettstückchen gibt es also nicht, klassische Rockinstrumentierung ebensowenig – dafür viel Synthesizer und allerlei exotische Instrumente, die Assoziationen mit fernöstlichen Klängen aufkommen lassen. Alles ordnet sich dem Ziel unter, Stimmungen zu kreieren. Selbst der Gesang trägt seinen Teil bei. Teilweise schichtete Anderson dutzende Gesangsspuren übereinander, um die gewünschten Effekte zu erzielen.

Technisch besteht das Album aus 8 Stücken zwischen drei und 13 Minuten, praktisch verwischen die Grenzen aber, weil es ja eh keine Songstrukturen im herkömmlichen Sinne gibt – mittendrin weiß man schlicht nicht, ob das nun das Outro vom einen Stück oder das Intro zum nächsten ist. Beide Interpretationen sind passend. Man kann daher auch keine einzelnen Songs im klassischen Sinne herauspicken. Vergleichbar wären zum Beispiel die frühen Werke von Mike Oldfield (die aber wesentlich erdiger klingen) oder Alben von Elektronikpionieren wie Jean-Michel Jarre oder Vangelis (die wiederum futuristisch, spacig und distanziert kalt klingen). Olias Of Sunhillow nimmt hingegen Einflüsse der Weltmusik mit auf und klingt wie ein abgehobener spiritueller mystischer Fantasytrip.

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