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Album der Woche

30. Januar 2021, 08:15 Uhr von Uwe

Ich komm grad nicht so wirklich zum Bloggen, weil die allgemeine Gesamtsituation nun mal so ist wie sie eben ist und ich außerdem mächtig viel am ackern bin. Nichtsdestoabertrotz hab ich das Album der Woche nicht vergessen. Der zugehörige Beitrag erscheint außerplanmäßig mal an einem Samstag. Und das hat seinen Grund, denn ein großer Künstler feiert heute seinen 70. Geburtstag.

Besagter Künstler hört auf den schönen Namen Philip David Charles, und weil das für eine erfolgreiche Karriere viel zu umständlich ist, kennt man ihn nur als Phil – Phil Collins nämlich. Diesen Mensch vorzustellen erübrigt sich, wer nicht von ihm gehört hat, ist entweder jünger als 20 oder hat vorher eremitisch unterm Stein gehaust. Musikalisch hat er zweifellos Geschichte geschrieben, zunächt als Weltklasse-Schlagzeuger bei Genesis, später auch noch als Sänger bei eben jenen Genesis, und dann prägte er natürlich die 80er Jahre ganz massiv: Erst lag da ein neuer Schlagzeugsound in der Luft („badam badam badam badam dam dam“ – kennt jeder, richtig?), dann gabs weltweite Charterfolge und Anfang der 90er stellte sich dann noch raus, dass er nicht tanzen kann.

In diesem Jahr feiern also diverse Veröffentlichungen von Genesis runde Geburtstage, denen Phil seinen Stempel aufgedrückt hat: „Nursery Cryme“ (1971), „A Trick Of The Tail“ (1976), „Abacab“ (1981), „Invisible Touch“ (1986), „We Can’t Dance“ (1991). In diese Reihe gehört eigentlich auch noch das Soloalbum „Face Value“ von 1981, welches aber nicht in meinem Schrank steht – weil ich mit dem Soloschaffen von Phil recht wenig anfangen kann (ist halt größtenteils relativ simple Popmusik), da reicht mir die Best Of. Trotzdem gibts natürlich eine ganze Menge zu besprechen.

Beginnen wir also im Jahr 1971 mit „Nursery Cryme“ – dem ersten Album der klassischen Genesis-Besetzung mit Peter Gabriel, Steve Hackett, Tony Banks, Mike Rutherford und eben Phil Collins. Hier wird noch reinrassiger Prog zelebriert, wenngleich die Band ihre beiden größten Klassiker der Prog-Phase erst danach veröffentlichte – „Nursery Cryme“ ist eher noch ein herantasten unter dem Motto „wir probieren mal was geht“. Die drei Longtracks The Musical Box, The Return Of The Giant Hogweed und The Fountain Of Salmacis sind aber Grund genug, sich die Scheibe zuzulegen.

Fünf Jahre und vier Alben später war die Besetzung schon geschrumpft, Peter Gabriel war ausgestiegen. Es war das erste Album, bei dem Phil Vollzeitsänger war – vorher hatte er nur Backgroundgesang beigesteuert (der aber wie zum Beispiel bei Carpet Crawlers von „The Lamb Lies Down On Broadway“ absolut Weltklasse war). Highlights auf dieser Scheibe sind sicherlich Los Endos (dass verschiedene vorangegangene musikalische Themen anderer Songs wieder aufgreift – Prog und so…), aber auch Robbery, Assault & Battery oder Entangled als ruhige Ballade setzen Akzente. Das Schlagzeugspiel ist über jeden Zweifel erhaben, als Sänger… musste Phil erst noch in die großen Fußstapfen hineinwachsen. Andererseits bietet das Album ein sehr kohärentes Bild, kein Song tanzt übermäßig aus der Reihe.

Nochmal fünf Jahre später – 1981 – war die Band zum Trio geschrumpft und begann sich endgültig vom Prog zu verabschieden. „Abacab“ bietet eher radiotaugliches Material, was sich in besseren Verkaufszahlen niederschlug. Die letzten noch verbliebenen Prog-Fans wandten sich ab, pop-affine Hörer entdeckten die Band vielleicht erst jetzt für sich. Ich zähle mich eher zu ersterer Sorte, Abacab ist bei mir eher deswegen im Schrank gelandet, weils eine Lücke gab die gefüllt werden musste. Der Titelsong, No Reply At All oder Man On The Corner sind ganz nett, aber auch gefährlich verwechselbar mit dem Soloschaffen des guten Phil.

Den totalen Kommerzoverkill stellte schließlich 1986 „Invisible Touch“ dar. Fünf Singles mitsamt Heavy Rotation bei MTV, die alle in die Top 5 in Amerika kamen sprechen eine klare Sprache. Das Album erklomm ebenfalls die Top 5 in allen relevanten Charts der Welt. Mindestens drei Stücke des Albums, nämlich Invisible Touch, Tonight Tonight Tonight und Land Of Confusion kann jeder Ü40 im Schlaf rückwärts mitsingen, für die Progfreunde findet sich mit Domino eigentlich nur ein Stück, und das kann wie kaum anders zu erwarten nicht mit den Großtaten 15 Jahre vorher mithalten. Aber: Als Popalbum ist die Scheibe eine absolute Referenzgröße.

Ebenfalls kommerziell wahnwitzig erfolgreich war das wieder fünf Jahre später erschienene Album „We Can’t Dance“, welches gleichzeitig – man ahnte es damals noch nicht – den Schwanengesang von Phil Collins bei Genesis darstellen sollte. Das halbe Album wurde als Single ausgekoppelt – sechs Titel nämlich. Die Scheibe ist dabei tatsächlich aber weniger poppig als der Vorgänger – das eröffnende No Son Of Mine ist richtiggehend düster, vor allem textlich, und mit Driving The Last Spike gibts auch wieder einen ganz brauchbaren Longtrack. Die Balladen Tell Me Why und Hold On My Heart sorgen bei mir nur für Karies, das Video zu I Can’t Dance ist pures Comedy-Gold und Jesus He Knows Me ist zwar vorhersehbar und eher platt, aber zumindest nett und eingängig.

Fazit: Fünf Alben über 20 Jahre mit einer klaren Wandlung von heute als „klassischen Prog“ bezeichneter Musik hin zu charttauglicher Popmusik für die Masse. Es fällt schwer zu sagen wo wirklich der Bruch in der Diskographie war, denn es war ein schleichender Wandel, anders als bei ähnlich gelagerten Bands wie Pink Floyd oder Yes (um mal die Prog-Saurier aufzuzählen). Genesis hatten in den 80ern zweifellos ihre erfolgreichste Phase und haben mit „the way we walk“ Popkultur mitgeschrieben, ich bevorzuge allerdings – was keinen weiter überraschen dürfte wenn er bis hier gelesen hat – die Frühwerke mit Peter Gabriel. Denn, wie ich schon an anderer Stelle sagte: Phil Collins war und ist ein Weltklasse-Schlagzeuger, als Sänger nicht schlecht, mir aber zu seicht.

Trotzdem: Alles Gute zum Geburtstag! (Und passend dazu die heimliche Hymne Brexitanniens hören: Selling England By The Pound – mit Phil am Schlagzeug)

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