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Zahlensalat, die xyz.

24. August 2020, 21:37 Uhr von Uwe

Weiter gehts mit statistischer Aufarbeitung langweiliger Zahlenmengen. Nachdem beim letzten Mal festgestellt wurde, dass manche Länder erfolgreicher sind als andere, werden wir heute mal genauer hingucken und feststellen, dass gleiches auch für Fahrer gilt – toll, wa? Wie üblich der Disclaimer: If you ain’t interested, just ignore it.

Weil sie die besten der besten der besten sind! Sir!

Und hier fängt Will Smith das große Lachen an. Und ich auch – denn wer die besten der besten der besten sind ist nach wie vor völlig unklar. Das beginnt nämlich schon bei der Fragestellung – wie bemisst man denn, wer der beste ist? Jeder, der sich in oder auf so eine Höllenmaschine gezwängt hat und damit an den Start gegangen ist, ist schon mal viel besser als Otto Normalverbraucher. Aber ist nun derjenige besser, der den geradesten Strich auf einer kleinen 50cc-Maschine gefahren ist und damit alle anderen abhängen konnte? Oder doch derjenige, der die über 1000 Turbo-PS auf einer Trainingsrunde soweit im Zaum halten konnte, dass das Auto wenigstens ungefähr in die richtige Richtung fuhr? Oder vielleicht doch derjenige, der clever auf Ankommen fuhr, sich aus allen Scharmützeln raushielt und dadurch mit wenigen Siegen am Ende des Jahres trotzdem Weltmeister wurde? Oder ist der beste vielleicht eher der, der sich über 20 Jahre an der Weltspitze hielt und bei verschiedensten Teams Erfolge feiern konnte? Oder war der beste einer, der in keiner Bestenliste auftaucht, weil er nur auf miesem Material unterwegs war und nie sein volles Talent zeigen konnte? Oder war er vielleicht auf gutem Material unterwegs, aber verunglückte bereits früh in der Karriere schwer oder gar tödlich? Eben – alles gar nicht so einfach, und je nachdem wie man die Maßstäbe anlegt kommt am Ende was anderes bei rum. Und deswegen trinken Philosoffen gern und gerne viel – große Diskussionen machen großen Durst 😉

Vielleicht beginnt man erstmal mit dem Zusammentragen einer Kandidatenliste, wer grundsätzlich mal die erfolgreichsten – nicht besten – Fahrer sind. Erfolge kann man abzählen, die Frage nach dem Besten ist immer eine Frage der persönlichen Meinung.

NameKategorieRennenWM-TitelSiegeschnellste RennrundenPole-Positions
Michael SchumacherFormel 13077917768
Lewis HamiltonFormel 12506844788
Juan Manuel FangioFormel 1515242329
Alain ProstFormel 11994514133
Sebastian VettelFormel 12404533857
Jack BrabhamFormel 11263141213
Jackie StewartFormel 1993271517
Niki LaudaFormel 11713252424
Nelson PiquetFormel 12043232324
Ayrton SennaFormel 11613411965
Fernando AlonsoFormel 13122322322
Nigel MansellFormel 11871313032
Jim ClarkFormel 1722252833
Nico RosbergFormel 12061232030
Mika HäkkinenFormel 11612202526
Kimi RäikkönenFormel 13131214621
Giacomo Agostini250cc / 350cc / 500cc194151221179
Valentino Rossi125cc / 250cc / 500cc / MotoGP40291159665
Ángel Nieto50cc / 80cc / 125cc / 250cc17613908134
Marc Márquez125cc / Moto2 / MotoGP2058827290
Mike Hailwood125cc / 250cc / 350cc / 500cc152976790
Jorge Lorenzo125cc / 250cc / MotoGP2975683769
Mick Doohan500cc1375544658
Dani Pedrosa125cc / 250cc / MotoGP2953546449
Phil Read125cc / 250cc / 350cc / 500cc138752365
Jim Redman125cc / 250cc / 350cc / 500cc135645350
Casey Stoner125cc / 250cc / MotoGP1762453343
Carlo Ubbiali125cc / 250cc71939300
John Surtees250cc / 350cc / 500cc49738340
Geoff Duke250cc / 350cc / 500cc62633290
Max Biaggi250cc / 500cc / MotoGP2144424256
Jorge Martínez50cc / 80cc / 125cc / 250cc1964371142
Loris Capirossi125cc / 250cc / 500cc / MotoGP3283293241

Yay, jede Menge Zahlen… Das sind in alle Fahrer, die in mindestens einer der Kategorien (Anzahl WM-Titel, Anzahl Siege, …) in den Top 10 liegen. Die Top 10 der Anzahl der Rennteilnahmen ist egal, denn es gibt viele Fahrer die einen Haufen Rennen absolviert haben ohne großartig zählbare Erfolge zu erzielen. Ein Riccardo Patrese war zum Beispiel lange der Rekordhalter in der Formel 1, kam aber insgesamt nur auf vergleichsweise magere 6 Rennsiege. Jarno Trulli fuhr über 250 Rennen und gewann davon genau eines. Bei den Motorradrennen gibt es ähnliche Experten: Nicky Hayden wurde zwar 2006 sensationell Weltmeister in der MotoGP, gewann aber bei 218 Rennteilnahmen lediglich dreimal.

Und die Zahlen sind natürlich so auch wenig aussagekräftig. Zunächst mal kann man die Formel 1-Rennfahrer kaum mit den Motorradrennfahrern vergleichen. Dann gibts das große Problem, dass man die Rennfahrer der jeweiligen Äras kaum vergleichen kann. In den 1950ern gabs pro Jahr sechs oder sieben Rennen, wenn man da vier gewann war man so gut wie Weltmeister – heute bei 15-20 Saisonrennen reicht das im besten Fall für eine vordere Platzierung, aber kaum für einen WM-Titel. Bis Mitte der 80er Jahre traten die Rennfahrer parallel in mehreren Klassen an – es gab Fälle wo ein Mike Hailwood an einem Wochenende alle drei ausgetragenen Rennen in den unterschiedlichen Hubraumklassen gewann. John Surtees fuhr von 1952 bis 1960 Motorradrennen, gewann dabei aber allein zwischen 1956 und 1960 sieben Titel. Giacomo Agostini gewann seine 15 WM-Titel zwischen 1968 und 1975 und war dabei zwischen 1968 und 1972 jeweils Doppelweltmeister. Weiterhin ist zu beachten, dass Pole Positions bei Motorradrennen erst seit 1973 gezählt werden, deswegen haben diverse Fahrer in der Tabelle dort merkwürdig kleine Zahlen stehen.

Es kommt auf die Umdrehungen an

Das gilt für hochprozentige Getränke ebenso wie für Rennmotoren, aber auch für die Vergleichbarkeit von Erfolgen. Michael Schumacher hat 91 Rennen gewonnen und dafür über 300 Rennen gebraucht. Jim Clark hat „nur“ 25 gewonnen, ist aber auch nur 72 mal gestartet. Wer war nun also „besser“? Bewerten wir also die Daten nochmal neu und setzen die Anzahl der jeweiligen Erfolge mit der Anzahl der Rennteilnahmen ins Verhältnis.

Allerdings bekommen wir da zunächst mal ein statistisches Problem, nämlich das Problem der kleinen Zahlen. Es gibt eben Leute, die nur bei einer Handvoll Rennen teilnahmen (wenn überhaupt so viel), dabei aus welchen Gründen auch immer einen überraschenden Erfolg feiern konnten und deswegen wahnsinnige hohe Erfolgsquoten haben.

Statistische Anomalitäten

Nehmen wir mal die Motorradrennen bis 500cc – die höchste Siegquote hat dort ein gewisser Phil Carpenter. Schon mal von ihm gehört? Ich auch nicht. Der hat genau ein Rennen gewonnen, ist aber auch nur bei einem WM-Rennen gestartet, jedenfalls in dieser Hubraumklasse – insgesamt stehen in zwei Jahren (1973-1974) drei Rennen zu Buche, in drei verschiedenen Klassen, und zwar jeweils beim GP von Großbritannien, der damals auf der Isle Of Man ausgetragen wurde. Problem dabei: Das Rennen wurde bereits seit 1972 von quasi allen namhaften Fahrern aufgrund der Sicherheitsprobleme auf dem 60 km langen Straßenkurs boykottiert, so dass britische Spezialisten für Straßenrennen die Siege unter sich ausfuhren. Den WM-Status verlor das Rennen erst 1977, als der GP von Großbritannien nach Silverstone verlegt wurde.

Auf Platz 2 in der Liste findet man Jarno Saarinen, zwei Siege aus drei Rennen. Das ist eine tragische Geschichte – Saarinen war 1973 amtierender Weltmeister in der Klasse bis 250cc und fuhr 1973 parallel in den Klassen bis 250cc und 500cc auf Werksmaschinen. Viele hielten ihn damals für den einzigen, der den übermächtigen Giacomo Agostini erfolgreich würde herausfordern können. Sein Geheimnis war seine spezielle Fahrweise, mit der er der Zeit etwas voraus war und die sich erst ab den späten 1970ern durchsetzen sollte. Er gewann in der kleineren Klasse die ersten drei Saisonrennen und in der großen Klasse eben zwei. Beim 250er Rennen in Monza verunglückte er in einem der schwersten Unfälle der Motorrad-Renngeschichte tödlich, als es in der ersten Runde zu einer Massenkarambolage kam, die auch das Leben des mehrfachen Vizeweltmeisters Renzo Pasolini forderte.

Ebenfalls weit oben in der Liste taucht ein gewisser Edmund Czihak auf. Der startete bei drei WM Rennen und siegte einmal, 1974 auf der Nordschleife des Nürburgrings. Wie auch auf der Isle Of Man ging dem Rennen ein Boykott voraus, da am gleichen Wochenende auch Autorennen ausgetragen wurden und deswegen keine Strohballen an der Strecke aufgestellt worden waren, dafür aber ringsum alles mit Leitplanken vollgepflastert war – hilfreich für Autorennen, potentiell lebensgefährlich für Motorradrennen auf der ohnehin schon gefährlichen Rennstrecke. Selbst die Privatfahrer, die sonst jeden Streik der Werksfahrer ignorierten, weil sie auf die Startgelder angewiesen waren, streikten in diesem Fall mit. Lediglich eine Handvoll Fahrer aus der deutschen Meisterschaft gingen an den Start. Und so gewann Czihak das erste WM-Rennen, bei dem er teilnahm – bis heute ist es der einzige Sieg eines Deutschen in der Königsklasse.

Ähnliche Ausreißer finden sich auch in anderen Klassen, zum Beispiel zählten von 1950 bis 1960 die 500 Meilen von Indianapolis zur F1-WM, aber die Fahrerfelder waren praktisch disjunkt. So tauchen einige der Fahrer, die in Indianapolis vorn mitfuhren eben auch in der Statistik vorn auf, weil sie nur wenige Rennteilnahmen zu verzeichnen haben.

Wenn man diese ganzen statistischen Ausreißer mal gekonnt ignoriert (frei nach Pippi Langstrumpf – ich mache mir die Statistik, wie sie mir gefällt) und außerdem Motorradfahrer und Formel-1 Fahrer getrennt betrachtet, sieht das Ergebnis in etwa wie folgt aus:

FahrerRennen% Pole Positions (Anzahl)% Siege (Anzahl)% schnellste Rennrunden (Anzahl)
Juan Manuel Fangio5156,8 (29)47,1 (24)47,1 (24)
Alberto Ascari3342,4 (14)42,4 (14)36,4 (12)
Jim Clark7245,8 (33)34,7 (25)38,9 (28)
Lewis Hamilton25035,2 (88)33,6 (84)18,8 (47)
Michael Schumacher30622,2 (68)29,7 (91)25,2 (77)
Jackie Stewart9917,2 (17)27,3 (27)15,2 (15)
Alain Prost19916,6 (33)25,6 (51)20,6 (41)
Ayrton Senna16140,4 (65)25,5 (41)11,8 (19)
Stirling Moss6624,2 (16)24,2 (16)25,8 (17)
Sebastian Vettel24023,8 (57)22,1 (53)15,8 (38)
Damon Hill11517,4 (20)19,1 (22)16,5 (19)
José Froilán González2611,5 (3)07,7 (2)23,1 (6)
Nigel Mansell18816,5 (31)16,5 (31)16,0 (30)

In den Top 10 tauchen nun plötzlich auch Fahrer auf, die es bezogen auf die absoluten Zahlen nicht nach vorn schaffen konnten, weil sie zu Zeiten antraten, als nur wenige Rennen ausgetragen wurden – Fangio, González und Ascari in den 1950ern, Moss bis in die frühen 1960er, Clark in den 1960ern. Die vielleicht größte Überraschung auf der Liste ist aber möglicherweise Damon Hill, der in Deutschland ja immer verlacht wurde, weil er gegen Schumacher selten einen Stich sah, und wenn doch, lags immer an seinem überlegenen Auto. Da ist zwar grundsätzlich was dran, aber man muss es ja dann trotzdem erstmal schaffen das Auto ins Ziel zu bringen. Nicht zu vergessen dass er nach seiner Zeit bei Williams später auch in weniger konkurrezfähigen Fahrzeugen unterwegs war.

Interessant ist auch die Aufschlüsselung der einzelnen Zeilen – Alain Prost war im Training selten ganz vorn, dafür aber vergleichsweise oft im Rennen. Bei Ayrton Senna ist es genau umgekehrt – die höchste Pole-Position-Quote der modernen Formel 1, aber nur vergleichsweise wenige schnellste Rennrunden. Jackie Stewart hingegen fuhr offenbar mit viel Köpfchen und materialschonend immer nur so schnell wie notwendig – seine Siegquote sticht heraus, aber auf schnellste Runden im Training oder Rennen hatte er es nicht abgesehen.

Es folgt die Tabelle für die Motorradrennfahrer, wobei ich hier alle Ergebnisse klassenübergreifend aufaddiert habe, um die Ausreißer zu minimieren. Damit fallen dann zwar auch einige herausragende Leistungen durchs Raster, wie die 15 schellsten Rennrunden, die Dani Pedrosa bei 32 Rennen in der Klasse bis 250cc erzielt hat, aber es geht ja hier erstmal um eine erste grobe Sortierung und Quantifizierung.

FahrerRennen% Pole Positions (Anzahl)% Siege (Anzahl)% schnellste Rennrunden (Anzahl)
John Surtees4900,0 (0)77,6 (38)77,6 (38)
Freddie Frith700,0 (0)71,4 (5)57,1 (4)
Giacomo Agostini19404,6 (9)62,9 (122)60,3 (117)
Carlo Ubbiali7100,0 (0)54,9 (39)47,9 (34)
Geoff Duke6200,0 (0)53,2 (33)46,8 (29)
Gary Hocking3800,0 (0)50,0 (19)55,3 (21)
Mike Hailwood15200,0 (0)50,0 (76)52,0 (79)
Dario Ambrosini1000,0 (0)50,0 (5)50,0 (5)
Werner Haas2200,0 (0)50,0 (11)50,0 (11)
Kenny Roberts6036,7 (22)40,0 (24)45,0 (27)
Fergus Anderson3000,0 (0)40,0 (12)36,7 (11)
Marc Márquez20643,7 (90)39,8 (82)35,0 (72)
Mick Doohan13742,3 (58)39,4 (54)33,6 (46)
Bill Ivy5500,0 (0)38,2 (21)52,7 (29)
Phil Read13803,6 (5)37,7 (52)33,3 (24)
Freddie Spencer7245,8 (33)37,5 (27)33,3 (24)
Hugh Anderson6800,0 (0)36,8 (25)36,8 (25)
Ángel Nieto24613,8 (34)36,6 (90)32,9 (81)
Kork Ballington9021,1 (19)34,4 (31)17,8 (16)
Jim Redman13500,0 (0)33,3 (45)25,9 (35)
Gianni Leoni900,0 (0)33,3 (3)22,2 (2)
Daijirō Katō5320,8 (11)32,1 (17)20,8 (11)
Rupert Hollaus1700,0 (0)29,4 (5)29,4 (5)
Jan de Vries4912,2 (6)28,6 (14)26,5 (13)
Valentino Rossi40616,0 (65)28,3 (115)23,6 (96)
Toni Mang15422,1 (34)27,3 (42)16,9 (26)
Paul Lodewijkx1500,0 (0)26,7 (4)13,3 (2)
Casey Stoner17624,4 (43)25,6 (45)18,8 (33)
Wayne Rainey9516,8 (16)25,3 (24)24,2 (23)
Yoshimi Katayama1600,0 (0)25,0 (4)37,5 (6)
Fabio Quartararo1931,6 (6)00,0 (0)10,5 (2)
Kevin Schwantz10527,6 (29)23,8 (25)24,8 (26)
Max Biaggi21426,2 (56)19,6 (42)19,6 (42)
John Kocinski9925,3 (25)13,1 (13)15,2 (15)
Pier Paolo Bianchi12725,2 (32)21,3 (27)19,7 (25)

Hier sind es nun nicht die Top 10, weil es ja über die Jahre die verschiedensten Klassen gab und die Fahrer auch kreuz und quer antraten. Stattdessen sind alle Fahrer enthalten, die in einer der Spalten eine Quote von mindestens 25,0 % errreicht haben (ausgenommen solche Eintagsfliegen wie weiter oben beschrieben).

Wenn man es der Reihe nach durchgeht fällt als erstes auf, dass die Spalte für Pole Positions eine völlig andere Teilmenge hervorzaubert – logisch, die wurden erst ab 1973 aufgezeichnet, damit fallen einige der erfolgreichsten Fahrer (Surtees, Agostini, Hailwood, Duke, Read, Nieto, Redman, …) komplett raus. Der erste Fahrer der „Neuzeit“ wenn man so will, der sich nachhaltig in diese Liste eintragen kann, ist Kenny Roberts, der Ende der 1970er den Motorradrennsport revolutionierte. Erst wenn man auf die weiteren Seiten blättert tauchen Namen wie Spencer, Doohan, Rainey oder Rossi auf, die die Motorradrennen der letzten 30-40 Jahre geprägt haben.

Triumphe und Tragödien

Freddie Spencer gewann 1985 die den WM-Titel in den Klassen bis 250cc und 500cc – und danach nie wieder auch nur ein Rennen, weil er durch die Belastungen verletzungsanfällig geworden war. Seine Pole-Position-Quote ist unerreicht, auch wenn Marc Márquez da sicherlich noch gern ein Wörtchen mitreden würde. Ebenfalls in der Liste taucht Fabio Quartararo auf, der 2019 in seinem Debütjahr in der MotoGP sechsmal auf dem ersten Startplatz stand – diese Quote ist natürlich eine Momentaufnahme und wird sich im Lauf der Zeit noch erheblich ändern. Ebenso tauchen da Trainingsweltmeister wie John Kocinski und Kevin Schwantz auf (wobei ihnen das nicht gerecht wird, beide gewannen einen WM-Titel und gerade Schwantz gilt bei den Fans als einer der ganz ganz großen – aber das liegt eher an seiner Einstellung zum Fahren: „Wenn du Gott siehst, dann musst du bremsen“. Exemplarisch für seine Fahrweise ist die Saison 1989 – in 15 Rennen neunmal Trainingsschnellster und achtmal mit der schnellsten Rennrunde, sechs Siege und drei zweite Plätze, aber auch sechs Ausfälle, weil er eben schneller fuhr als die Physik erlaubte. Unterm Strich blieb nur der vierte Platz in der WM, vor drei Fahrern die ihm vom Tempo her nicht das Wasser reichen konnten, ihr Motorrad aber eben öfter punktesammelnd ins Ziel brachten. Er fuhr mit dem Herz, weniger mit dem Kopf. Und die Fans lieben ihn dafür.). Max Biaggi ist auch einer, der im Vergleich besonders oft im Training in Bestform war.

Die höchsten Siegquoten machen Fahrer unter sich aus, deren Karrieren vor 1985 lag. John Surtees (schon erwähnt) schießt mit 38 Siegen in nur 49 Rennen hier den Vogel ab. Freddie Frith, bereits vor dem Krieg ein erfolgreicher Rennfahrer, fuhr nur 1949 und 1950 in der WM, gewann aber im ersten Jahr alle Rennen in der Klasse bis 350cc. Giacomo Agostini hält den absoluten Rekord bezogen auf die Siege. Auch die folgenden Fahrer haben auch in den absoluten Rekordlisten vordere Plätze inne, weswegen ich kurz was über Dario Ambrosini und Gary Hocking sagen möchte – deren Karrieren endeten nämlich abrupt. Ambrosini war 1950 Weltmeister in der Klasse bis 250cc geworden und war auch im Folgejahr erfolgreich unterwegs, bevor er beim Training zum GP von Frankreich nach einem durch einen technischen Defekt verursachten Unfall ums Leben. Er war der erste tödlich verunglückte Weltmeister in der Geschichte der Motorrad-WM, und er blieb nicht der einzige. Die Geschichte Gary Hockings ist sehr ähnlich – er trat in die Fußstapfen von John Surtees, als dieser 1960 seine Motorradkarriere zugunsten der Formel 1 aufgab. 1960 war er dreifacher Vizeweltmeister, im Jahr darauf wurde er überlegen Doppelweltmeister. Doch 1962 beendete er abrupt seine Karriere auf dem Zweirad, nachdem ein Freund beim Rennen auf der Isle of Man 1962 verunglückt war – in diesem Rennen war Hocking in zwei Klassen angetreten und 1. und 2. geworden. Er entschied, dass Motorradrennen zu gefährlich seien, und begann stattdessen mit Autorennen. Die bittere Ironie: Am Ende des Jahres verunglückte er am Steuer eines solchen tödlich.

Wenn man sich die erfolgreichsten Rennfahrer im Bezug auf schnellste Rennrunden ansieht, taucht mit Bill Ivy ein Fahrer auf, dessen Geschichte ebenso tragisch endet. Er galt Ende der 1960er als eins der größten Talente für die kleineren Klassen. 1967 wurde er Weltmeister in der Klasse bis 250cc und im Jahr darauf zweifacher Vizeweltmeister durch einen fiesen Fall von schiefgegangener Stallregie: Sein Teamkollege hielt sich nicht an die Anweisungen, am Jahresende waren beide Fahrer punktgleich und die Entscheidung fiel anhand der aufaddierten Rennzeiten zu Ivys Ungunsten. Ein halbes Jahr später verunglückte er beim Training zum GP der DDR 1969 am Sachsenring nach einem technischen Defekt tödlich.

Schlußfolgerungen

Nach wie vor stellt sich die Frage, inwieweit man die Ergebnisse vergleichen kann. Es ist ja kein Zufall, dass die höchsten Quoten in den Anfangsjahren auftraten, die größten Absolutwerte aber eher in den späteren Jahren mit der steigenden Anzahl an Saisonrennen. Die absolute oder auch relative Anzahl der Erfolge reicht also nicht aus, um „den besten“ Rennfahrer zu küren, eben weil die Statistiken alle in die eine oder andere Richtung verzerrt sind.

Wenn man sich die Ergebnisse von John Surtees oder Giacomo Agostini ansieht, die teilweise mal eben alle Rennen des Jahres gewannen, gibt es dafür nur wenige plausible Erklärungen: Die Ergebnisse waren abgesprochen (Stallregie) – das gabs definitiv in diversen Fällen, funktioniert aber nur zwischen Teamkollegen (sofern die sich einig sind, siehe oben). Oder hatten die Fahrer einfach keine Konkurrenz und traten nur gegen „Amateure“ an? Das trifft gerade für die Frühzeit des Motorsports tatsächlich zu. Hinzu kommt aber auch, zumindest in Einzelfällen, dass es zeitweise schlicht nur ein konkurrenzfähiges Fahrzeug gab und alle anderen, egal wie gut sie waren, einfach mal nur um die goldene Ananas fuhren.

Gerade Giacomo Agostini profitierte enorm von diesen beiden Faktoren: Honda hatte sich Ende 1967 im Streit über Regeländerungen aus dem Sport zurückgezogen, und Mike Hailwood beendete gleichzeitig seine Motorradkarriere. Übrig blieb Agostini auf einer MV Agusta, die bis 1972 praktisch unbesiegbar war. Wenn heute alle über die Übermacht von Mercedes in der Formel 1 meckern, sollen sie sich mal angucken wie Agostini damals Kreise um die Konkurrenz gefahren ist 😉 Aber auch bei den Rennwagen gab es immer wieder Fahrzeuge, die technische Revolutionen waren und zumindest ein Jahr, seltener auch mehrere Jahre den Ton angaben. Da wollt ich ja eh einen Artikel verfassen über die technische Entwicklung.

Und unabhängig von den technischen Voraussetzungen werde ich mal vergleichen, welche Fahrer in ihrer Karriere gegen die hochkarätigste Konkurrenz angetreten sind. Denn auf überlegenem Material gewinnen ist vergleichsweise einfach, gegen ein Feld mit 10 anderen Siegfahrern und Weltmeistern zu bestehen halte ich für eine größere Leistung.

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