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Berlin zum 2ten

16. September 2004, 00:00 Uhr von Uwe

Einleitendes Gelaber aka Vorbereitungen
Als Student und damit Teil der Bildungselite Deutschlands sollte man ja auch über ein gewisses Maß an kultureller Kompetenz verfügen. Weil es mit meiner Kulturberieselung nicht zum besten steht und mir außerdem meine Bude auf den Kopf fiel, beschloß ich, einen Kulturtrip nach Berlin zu machen, um das eine oder andere Museum zu besuchen, von denen es dort ja so einige gibt.

Da in den Ferien witzigerweise niemand sonst Zeit hatte mitzukommen, ergab sich die Möglichkeit, mit einem der letzten in Deutschland noch operierenden Mohikaner, äh, Interregios zu fahren, die meisten wurden ja inzwischen zu teureren Intercity-Zügen umgemodelt. Jedenfalls fahren die auf direktem Weg zwischen Berlin und Chemnitz, so daß sich Umsteigen erübrigt. Und so ist man in knapp 3h in der Bundeshauptstadt angekommen, das muß man mit dem Auto erstmal hinkriegen.
Der Termin wurde dann schnell auf Donnerstag, den 16.09. fixiert, denn da würde weniger Betrieb sein als am Wochenende. Dementsprechend stattete ich einen Tag vorher dem Fahrkartenautomaten einen Besuch ab, um die Fahrscheine inklusive kostenloser Platzreservierung zu erwerben. Nachdem dies geschafft war mußte nur noch ein wenig Proviant (Apfelsaft und was zu essen) eingepackt, die Kamera klargemacht und die Ersatzakkus eingesteckt werden.

Anreise
Die Hinfahrt begann kurz nach sechs, also Aufstehen kurz vor fünf, frühstücken und dann per Bus mit Umsteigen an der Zentralhaltestelle zum Bahnhof gedüst. Dort kam ich 20 Minuten vor Abfahrt an. Im Zug stellte ich dann erstmal fest, daß der reservierte Platz mich zum Rückwärtsfahren gezwungen hätte. Nicht daß ich damit ein Problem hätte, aber ich gucke doch lieber in Fahrtrichtung aus dem Fenster. Der Zug war eh so gut wie leer, insofern stellte das kein Problem dar.
zeitig aufstehenPünktlich um 6:02 Uhr ging es dann los, zunächst mit Halt in so weltbewegend wichtigen Kaffs wie Mittweida und Waldheim, um über Döbeln gegen sieben Uhr Riesa zu erreichen. Ich versuchte noch ein wenig Schlaf nachzuholen, was mir aber nicht wirklich gelang, obwohl ich die Nacht nur knapp vier Stunden geschlafen hatte und auch tierisch müde war. Nachdem nun aber auch die Sonne aufgegangen war, war an Schlaf nicht mehr wirklich zu denken. Also guckte ich ab sofort gelangweilt aus dem Fenster, registrierte, daß man in Elsterwerda nicht stranden will (der Bahnhof schien toter als tot zu sein, und das an einer Strecke mit Fernverkehr…). Doberlug-Kirchhain ist ebenfalls so ein komischer Bahnhof, betrieblich als Turmbahnhof sehr interessant, aber mitten in der Pampa, rundrum kein Anzeichen menschlicher Zivilisation zu erkennen. Dies setzt sich dann Richtung Norden fort, bis man eine Stunde später und 100km weiter in Berlin ankommt.
Man fährt da also rund 100km durch Wälder, Wiesen und Felder. Unterbrochen wird dieses monotone Einerlei von Feldern, Wiesen und Wäldern. Der Abwechslung halber gibt es dann nicht nur Felder, Wälder und Wiesen, sondern sogar mal einzelne Bäume. Das einzige Anzeichen von Zivilisation war die Tatsache, daß da eine elektrifizierte Bahnstrecke mitten durch geht. Ich verglich das im Geiste mit den kanadischen Verhältnissen von daheim (definiert als „Getreidefelder soweit das Auge reicht“). Nachdem dieser Vergleich wegen des höheren Waldanteils hinkt, verlegte ich mich auf andere sinnlose Gedanken. So stellte ich 90 Kilometer vor Berlin fest, daß mir die dritte binomische Formel entfallen war, womit ich die nächsten 20 Kilometer beschäftigt war (nebenbei rechnete ich im Kopf munter zwischen Kiometer und Minuten umher, ausgehend von der konstanten Reisegeschwindigkeit von 160 km/h). Langer Rede kurzer Sinn, mir fiel dann doch noch ein, daß (a-b)(a+b)=a^2-b^2, und wenige Minuten später war der Zug am Flughafen Schönefeld, und kurz vor neun Uhr morgens war ich, dank nicht eingeschalteter Heizung leicht durchgefroren, am Ostbahnhof angekommen.

Sightseeing an diversen Plätzen
NeptunbrunnenBerliner DomAltes MuseumDom und FernsehturmDa die üblichen Touristenfallen aber erst gegen 10 Uhr ihre Pforten öffnen, hatte ich nun erstmal genug Zeit, mir eine Fahrkarte für die S-Bahn zu kaufen, zum Alexanderplatz zu fahren und dort erstmal einen kurzen Fußmarsch zu beginnen, um mich ein wenig aufzuwärmen, dummerweise hatte ich nämlich nicht bedacht, daß es früh morgens doch schon ein wenig zu kühl für sommerliche Kleidung mit T-Shirt sein könnte. Und so wanderte ich vom Fernsehturm aus am roten Rathaus und der Nikolaikirche vorbei zur Spree, vor dort Richtung Dom und zum alten Museum, um anschließend zurück zum Fernsehturm zu laufen. Nun war es 10 Uhr, das Wetter schaltete um von kühl und bedeckt auf sonnig und wärmer, aus allen Ecken kamen Touristen angerannt, und ich fuhr den Fernsehturm hoch.
FernsehturmBlick vom FernsehturmBlick vom FernsehturmSony-CenterGegensätzeOben angekommen guckte ich in typischer Touristenmanier in die Runde, machte ein paar Fotos, und lauschte den Ausführungen einer gutaussehenden jungen Dame, vermutlich einer Studentin, die einer Familie die Geschichte Berlins auf Englisch näherbrachte. Nachdem ich genug gesehen und geknipst hatte, ging es abwärts und anschließend mit der S-Bahn bis Friedrichstraße und von da weiter zum Potsdamer Platz. Dort bestaunte ich erstmal die futuristisch-wahnwitzige Konstruktion des Dachs, bevor ich das Filmmuseum betrat.
Dieses war allerdings nur für Stummfilmfanatiker und Fans von Marlene Dietrich eine Offenbarung. FilmmuseumMetropoliselektronischer SaurierMir gefiel eher die lustig verspiegelte Installation für Metropolis, ein paar interessante Infos zu deutschen Schauspielern der Nachkriegszeit (u.a. Gert Fröbe, Götz George, Manfred Krug und Angelika Domröse) sowie die allerdings recht mickrige Sonderausstellung zum Thema Special Effects / Science Fiction. Da gab es neben Plastikmodellen von Sauriern und Stop Motion Techniken auch Kostüme für Alien, Darth Vader und Robocop zu sehen. Alles in allem nicht schlecht, aber man hat schon beeindruckendere Ausstellungen gesehen.

Flotten Fußes durch die Hauptstadt
Darth VaderAufgang zur SiegessäuleSiegessäuleJetzt war es so langsam an der Zeit für die richtigen Besuchermagnete, also ging es per (unterirdischer) S-Bahn zurück zum Brandenburger Tor und von dort aus dann via Reichstag zur Siegessäule, das ganze natürlich ff, also flotten Fußes. Kurz nach halb zwei Uhr nachmittags war ich dann soweit, die 285 Stufen zu erklimmen. Oben angekommen verknipste ich erstmal 43 Bilder für ein mögliches 360°-Panorama. Wie sich am nächsten Tag herausstellte, klappte das leider nicht ganz, aber für einen guten Rundumblick reichte es allemal. So langsam merkte ich dann auch meine Füße etwas deutlicher als sonst, aber das Programm sah noch ein paar Sachen vor.
Brandenburger TorSightseeing im OldtimerReichstagBlick von der SiegessäuleBlick von der SiegesäuleZunächst mal genehmigte ich mir einen Apfel aus dem Proviantpaket und latschte (eigentlich lief ich noch immer flinken Fußes, aber Mutter regt sich so gerne über das Wort auf) zur S-Bahn-Station Tiergarten und fuhr bis zum Hackeschen Markt. Von dort aus ging es zum zweiten Mal an diesem Tag auf die Museumsinsel und diesmal auch in ein Museum, um genauer zu sein ins Pergamonmuseum. Ich gebe zu, daß dieser Ablauf der Museumsbesichtigung nicht unbedingt der cleverste ist, aber wie immer so schön gesagt wird: „Wer nichts macht, macht nichts verkehrt.“ Jedenfalls weiß ich jetzt, daß man für das Pergamonmuseum mehr Zeit als nur eine Stunde einplanen sollte.

Musealer Nachmittag
PergamonmuseumTeil des Pergamonaltarsbeeindruckende AusstellungsstückeWie dem auch sei, ich wollte das trotzdem mal gesehen haben, also nix wie hin, Eintrittskarte gekauft, CD-Player mit Kopfhörer als Führer in die Hand gedrückt gekriegt und dann betrat ich den ersten Raum. Meine erste Reaktion bestand aus einer unwillkürlichen Abwärtsbewegung meines Unterkiefers. Nachdem ich meine große Klappe wieder zugekriegt hatte und mein Hirn so langsam glauben wollte, was meine Augen da sahen, war ich dann auch in der Lage, die richtigen Tasten an dem komischen CD-Player zu drücken, um rauszukriegen, was ich da eigentlich so gigantisches sah. Der kulturell informierte Leser wird sicherlich erraten haben, daß ich vor dem Pergamonaltar stand. Die Dimensionen der Halle selbst und des darin aufgebauten Altars ließen mich spontan an diverse Textzeilen aus Electras „Tritt ein in den Dom“ denken. Aber auch Teile der anderen Ausstellungsstücke sind äußerst beeindruckend, so das babylonische Ischtartor sowie diverse Säulen, Statuen, Vasen und sonstige Staubfänger. Direkt eingegliedert ist das vorderasiatische Museum, dort gibt es dann massenhaft Bettvorleger, äh, will sagen Wandteppiche zu sehen. Das Museum beeindruckt jedenfalls durch schiere Größe und die Menge an Ausstellungsstücken. Wenn irgendwann mal der Umbau der Museumsinsel fertig ist (sofern ich das noch erlebe), werde ich das Museum wohl noch einmal heimsuchen müssen.

Heimreise
Nun war es halb vier durch, und ich wollte ja auch meiner Sammelleidenschaft noch fröhnen, also ging es nun zurück zum Alexanderplatz und in die dortige Saturn-Filiale. Ungefähr 20 Minuten später, um einige CDs reicher und ein paar Euro ärmer verließ ich den Laden wieder, freute mich des Lebens und fuhr zum Ostbahnhof, wo kurz nach fünf der Zug zurück nach Chemnitz fuhr. Den größten Teil der Rückfahrt verpennte ich dann allerdings, was aber angesichts der bereits erwähnten landschaftlichen Belanglosigkeit auch nicht weiter tragisch war. Ich wachte nur mal kurz beim Halt in Doberlug-Kirchhain auf, danach erst wieder in Döbeln, und kurz vor acht war ich wieder in Chemnitz. Die finale Fahrt des Tages war dann die Busfahrt zurück ins Wohnheim.
Fazit: Es war ein sehr schöner Tag mit einem mäßig interessanten und einem sehr beeindruckenden Museum sowie diversen Aussichtspunkten, wo man schön Fotos knipsen kann. Beim nächsten Mal nehme ich mir fürs Pergamonmuseum aber den ganzen Tag. Vielleicht schaffe ich es ja dann auch mal, noch jemanden zum Mitkommen zu überreden.

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