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Welchen Fahrpreis hätten’s denn gern?

11. September 2003, 00:00 Uhr von Uwe

Als Student ohne eigenen fahrbaren Untersatz fahre ich recht häufig mit der Bahn. Eigentlich fahre ich sogar recht gerne mit der Bahn – man muß sich nicht mit Rasern auf der linken und LKWs auf der rechten Spur rumärgern und kann bei der Fahrt pennen. Dummerweise schafft es die Deutsche Bahn AG in den letzten Jahren verstärkt, mir die Freude am Bahnfahren zu nehmen. Unpünktlichkeit, überfüllte Züge und undurchsichtige Preisgestaltung sind nur ein paar Sachen, die mir immer wieder sauer aufstoßen. Aber der Reihe nach:

Den Fahrplan kennt man als Vielfahrer ja halbwegs auswendig, ebenso ist man als Vielfahrer natürlich schon mindestens eine halbe Stunde eher am Bahnhof, falls doch irgendwas unvorhergesehenes (Zugausfall, Streckensperrung, …) passiert, was leider häufiger vorkommt als es sollte. Auf jeden Fall hat man so genug Zeit für den Fahrkartenkauf.

Da steht man dann im Reisezentrum, es gibt wieder mal endlose Schlangen an allen Schaltern, am Expressschalter versucht die Dame schon seit zehn Minuten zu erklären, welche Verbindungen es nach Castrop-Rauxel gibt (das Ding heißt Express, weil dort eigentlich keine Auskünfte gegeben werden…), an den anderen Schaltern erläutern die Damen zum 2574. Mal, warum der Fahrpreis beim Vorausbuchen billiger wird – es lebe das neue Preissystem… Nebenbei betrachtet gibts bei uns daheim in Kleinkleckersdorf nur einen defekten Fahrkartenautomaten, das ist dann auch immer wieder erheiternd.

Da hat sich das zeitige Erscheinen dann schon gelohnt, wenn man nach etwa zehn Minuten endlich dran ist. Warum da zum Wochenende oder vor Feiertagen nicht mehr Kapazität eingeplant wird bleibt das Geheimnis der dafür Verantwortlichen, ebenso warum die Fahrscheinautomaten so unbedienbar sind, daß ich dort noch länger brauche um mir meine Fahrkarte zu kaufen, wenn sie denn überhaupt in Betrieb sind.

Und seit der Umstellung auf das neue Preissystem dauert selbst wenn man weiß was man will der reine Fahrscheinkauf noch ewig lange. Früher wollte man eine Fahrkarte von A nach B (eventuell über C) für einen bestimmten Tag. In besonderen Fällen vielleicht noch mit Reservierung oder Rückfahrkarte, aber das war kein größeres Problem und kam für meine Fahrten eh nicht in Frage. Heute muß man erst einen Haufen Fragen beantworten:

„Guten Tag, ich hätte gerne eine Fahrkarte nach $Fahrtziel.“ „Wann möchten sie fahren?“ Hmm, ich schleppe hier nur zum Spaß eine große Tasche mit mir rum, da werd ich doch bestimmt nicht mit dem nächsten Zug fahren wollen? „Wie möchten sie fahren?“ Mit dem Zug – und welche Verbindungen es gibt sollte mir eigentlich das Schalterpersonal sagen können – also Gegenfrage „Welche Möglichkeiten gibts denn?“ Dann folgt eine Liste mit zwei oder drei oder noch mehr Verbindungen, alle unterschiedlich sinnvoll und natürlich zu unterschiedlichen Preisen, die wiederum an bestimmte Bedingungen gebunden sind, Stichwort Frühbucherrabatt und so. Abgesehen davon, daß dieser ganze Rabattkram nur ab Interregio aufwärts gilt und damit einen Großteil der Züge bei mir gar nicht betrifft ist mir nicht ganz klar, warum die Fahrt mit dem gleichen Zug billiger werden soll nur weil ich eine Woche vorher meinen Fahrschein kaufe. Der Zug wird davon auch nicht leerer, der Abstand zum Vordersitz auch nicht größer und die Fahrzeit auch nicht kürzer.

Ebenfalls nicht ganz klar ist mir, warum mir das System für eine Fahrt von Magdeburg nach Chemnitz eine Verbindung über Berlin(!) anbietet – gut, ich hätte nicht umsteigen brauchen, dafür hätte ich ziemlich genau das doppelte bezahlt und wäre auch etwa doppelt so lange unterwegs gewesen. Hat man sich dann für eine der angebotenen Verbindungen entschieden und eventuelle Frühbucherrabatte beachtet, hat man nach lediglich vier Minuten seine Fahrkarte in der Hand. Durch meine alte Bahncard vereinfacht sich das zum Glück etwas, und vor allem bin ich damit flexibel was die Wahl der Verbindung angeht, trotzdem bleibt das System für Gelegenheitsfahrer absolut undurchschaubar.

Die obligatorische Frage nach dem Sammeln von Bahncard-Punkten kann ich dann auch verneinen, erstens erreiche ich die für gewisse Annehmlichkeiten erforderliche Anzahl sowieso nicht, zweitens gibts daheim in Kleinkleckersdorf nichtmal nen Fahrkartenschalter, geschweige denn einen comfort-Schalter, und drittens will ich auch als Ottonormalkunde vernünftig reisen können.

Das eigentliche Bahnfahren findet in meinem Fall in drei verschiedenen Zügen statt: Eine mehr oder weniger moderne Triebwagengarnitur, was prinzipiell erstmal nicht schlecht ist, allerdings sind die Kisten durch das recht laute Geräusch der unter der Fahrgastzelle eingebauten Motoren recht ungeeignet für ein Nickerchen. Dann ein Intercity, in dem sich zumindest mal ordentlich langmachen kann, leider stimmt hier oftmals die Pünktlichkeit nicht. Und drittens noch ein Regionalbummelzug mit alten klapprigen Waggons, aber das stört nach dreißig Minuten Warten auf einem zugigen Bahnsteig auch nicht mehr wirklich.

Viel nerviger sind hingegen die überfüllten Züge vor Wochenenden und Feiertagen. Wenn nur noch ein Stehplatz im Fahrradabteil frei ist wird die Fahrt dann doch recht unbequem – und warum die erste Klasse in einem ansonsten überfüllten Regionalzug leer bleiben soll ist dann auch nicht immer einzusehen. Ist der Zug dann doch mal leer, weil ich schon früh um sechs oder erst abends um sieben losgefahren bin, und auch keine Schulklasse und auch kein Kegelclub oder sonst irgendeine potentiell meinen Schlaf gefährdende Gruppe im Zug sitzt, kann eigentlich nur noch der Qualm aus dem in einigen Triebwagen nur durch eine Glasscheibe „abgetrennten“ Raucherbereich meinen Schlaf stören.

Das alles wäre mir wesentlich egaler, wenn ich mich drauf verlassen könnte, daß die Züge pünktlich sind. Ich habe eigentlich kein Problem damit, wenn ein Zug mal drei Minuten später ankommt, die Bahn sieht ja selbst bei zehn Minuten noch kein Problem, allerdings verpaßt man dadurch doch recht häufig den Anschlußzug und ist somit plötzlich über eine Stunde später dran. Als erfahrener Bahnfahrer sucht man sich darum meistens Verbindungen, bei denen man ein bissel Luft hat, mit einer großen Tasche rennt es sich nunmal schlecht über die Bahnsteige. Weniger straff kalkulierte Fahrzeiten und ein paar Ersatzloks würden hier Wunder wirken.

Auch immer wieder gut sind die ständig wechselnden Abfahrtsgleise im Leipziger Hauptbahnhof, diesem Einkaufszentrum mit Gleisanschluß, das artet dort öfters mal zum Mittelstreckenlauf aus. Und oftmals hab ich bei dem Personal dort auch den Eindruck, daß die rechte Hand nicht weiß, daß es eine linke gibt, geschweige denn was diese macht.

Schlußendlich bin ich mit der Bahn auf meiner Stammstrecke rund vier Stunden unterwegs, mit dem Auto sind es deutlich weniger als drei. Rechnet man den Weg vom Bahnhof bis zur Haustür dazu verschlechtert sich dieses Verhältnis noch weiter. Der einzige wirklich gute Grund für die Bahn ist momentan noch der konkurrenzlose Preis dank Bahncard50. Da diese aber zum Ende des Jahres ausläuft werde ich danach wohl erheblich seltener mit der Bahn fahren, oder auf Spezialangebote wie Länder- oder Wochenendtickets ausweichen (müssen), was die Fahrt nicht unbedingt angenehmer macht. In meinem Fall hat die Bahn nur das Glück, daß ich eigentlich sehr gerne Bahn fahre – und mir kein Auto leisten kann.

[Nachtrag: Die Bahn hat ja nun anscheinend mitgekriegt, daß das mit dem Preissystem nicht so richtig klappen wollte und änderte das System mal eben ein weiteres Mal. Allerdings bleiben die Züge nach wie vor gerne hinter dem Fahrplan, oder werden wie die Diesel-ICE gleich ganz aus dem Verkehr gezogen, womit man dort jetzt für den vollen Preis mit alten Interregio-Klapperwaggons herumgefahren wird. Es gibt also nach wie vor sehr viel Verbesserungspotential, um es mal vorsichtig auszudrücken.]

[Nachtrag2: Seit Ende 2005 hat sich die Fahrzeit auf 2.5h verkürzt, das ist quasi genauso schnell wie mit dem Auto und somit ein echter Fortschritt. Es geschehen noch Zeichen und Wunder in Deutschland.]

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