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Album der Woche

16. November 2023, 20:02 Uhr von Uwe

Seit der Urlaubsauswertung ist hier im Blog ja wieder etwas Ruhe eingekehrt, außer der wöchentlichen Krawall-Huldigung passiert nicht allzuviel. Zur allgemeinen Lage werde ich außer der Kurzzusammenfassung „alle bekloppt“ nix sagen, bei mir gibts auch nicht wirklich viel zu berichten und dementsprechend wirds hier also vorerst auch weiterhin eher ruhig zugehen.

Sagte ich ruhig? Das passt natürlich nicht zum Thema, und wenn im Blog schon tote Hose ist, kann man sich auch mal zwei Alben einer gewissen Düsseldorfer Punkband besprechen, bei denen passenderweise auch schon seit 40 Jahren tote Hose ist.

Album Nummer eins ist inzwischen unrunde 35 Jahre alt, warf einen der größten Hits der Bandgeschichte ab und sorgte dafür, dass die Band auch im Mainstream bekannt wurde. Die Rede ist natürlich von „Ein kleines bisschen Horrorschau„, der Vertonung von Clockwork Orange, der fiesen Geschichte über einen gewissen kleinkriminellen Alex. Der landet im Knast und wird zum Vorzeigespießer umerzogen (um es mal kurz und unter Verwendung unzulässiger Verallgemeinerungen zusammenzufassen). Ein Konzeptalbum also, mit Beethovens 9. Sinfonie als Bindeglied zwischen den einzelnen Stücken. Ist das noch Punkrock? Wen interessierts? Entscheidend ist der Krach, und der ist gut gealtert.

Die ganze Sache wird also mit markanten Klängen Beethovens eröffnet, bevor nach rund 30 Sekunden ein markerschütternder Schrei das Klassikkonzert unterbricht und die Gitarren einsetzen. Muss ich jetzt noch groß mehr über Hier kommt Alex erzählen? Wenn man nur einen Song der Band kennt, ist es mit höchster Wahrscheinlichkeit dieser hier. Es lohnt sich aber auf jeden Fall auch unabhängig vom Albumkontext auf die Texte zu achten, grade in der ersten Strophe („In einer Welt, in der man nur noch lebt, damit man täglich roboten geht ist die größte Aufregung, die es noch gibt das allabendliche Fernsehbild“).

Nun ist es natürlich ein bissl blöd, ein Album gleich mit dem größten Hit zu eröffnen, aber die Story schreibt es halt so vor. Es geht aber hochklassig weiter, zum Beispiel mit der fies getexteten Hymne auf alle konservativen und nationalistischen Spießer – 1000 gute Gründe („Es gibt tausend gute Gründe auf dieses Land stolz zu sein. Warum fällt uns jetzt auf einmal kein einziger mehr ein?“).

Die folgenden Ein Schritt zuviel nach vorn, Keine Ahnung, Die Farbe Grau sowie 180 Grad sind nun eher schwächer, im Zusammenhang mit der Story des Albums aber unverzichtbar.

Die neben dem dem Titelstück für mich stärkste Nummer folgt nun in Form von Mehr davon. Mit einem sehr dicken Spannungsbogen wird hier das Thema Drogen und Sucht thematisiert, ohne es direkt anzusprechen. Danach folgt wieder ein Stück, welches zur Konzeptgeschichte gehört, Zahltag nämlich. Das danach platzierte 35 Jahre nimmt effektiv das Leben eines Spießers aufs Korn, der sich sein Leben lang auf die Arbeit fokussiert hat und nun als Rentner keine Ahnung hat, was er mit sich anfangen soll, weswegen er nun als nervtötender Hilfssheriff die Nachbarn terrorisiert („Er sitzt die meiste Zeit am Fenster mit einem Kissen unterm Arm. Ist ein Fahrrad auf dem Gehweg, ist ein Wagen falsch geparkt? Er ist allzeit bereit und schlägt Alarm“).

Den Abschluss der Albumgeschichte bildet nun das Musterbeispiel. Alex dient als ebensolches und wird von der Politik vereinnahmt. Der Wunsch nach dem Ausbrechen aus der Leere und dem monotonen Leben, thematisiert im vorletzten Song Testbild, endet dann jedoch nur in der Kneipe umme Ecke und der totalen Resignation.

Freude schöner Götterfunken also? Damit wird nun der Epilog Bye bye Alex eingeläutet, der die Melodie des eröffnenden Songs aufnimmt und die Geschichte nun zum zum tragischen Abschluss bringt („Der große Rebell von gestern sagt nun für immer ja zum bürgerlichen Leben und den Dingen gegen die er war“ – „Bye bye Alex, nur noch ein Clown, traurig anzuschauen“). Man könnte jetzt ketzerisch fragen, ob Campino inzwischen nicht auch in diese Rolle gewechselt ist.

Fünf Jahre später baute man in Düsseldorf nun den besten Albumtitel aller Zeiten zusammen: Kauf MICH! Klar, machen wir doch glatt. Dafür bedankt sich der Produzent auch gleich mal im eröffnenden Umtausch ausgeschlossen, was auch gleich erklärt dass es am Ende ja sowieso nur ums Geld geht. Der erste Hit folgt auf dem Fuße, Niemals einer Meinung behandelt das allzeit aktuelle Thema Beziehungen, in diesem konkreten Fall über ein Paar, dass überhaupt nicht zusammenpasst („Wenn ich sage schwarz, setzt du sofort auf rot. Ob es klappt oder nicht, du versuchst es anders rum“), aber trotzdem nicht voneinander lassen kann („Wir werden niemals einer Meinung sein und wenn sich’s nur ums Wetter dreht. Frag mich nicht warum, ich brauche dich“).

Danach folgt das fiese Hot-Clip-Video-Club über das ebenso fiese Thema echter Horrorvideos um Mord und Totschlag – im Zeitalter von Social Media aktueller denn je. Auch der nächste Song ist leider zeitlos aktuell, Willkommen in Deutschland beschäftigt sich als einer von vielen Songs mit dem Thema Rechtsradikalismus. Danach wirds auch nicht wirklich heiterer, Drunter, drauf & drüber befasst sich mit dem auch nicht grade appetitlichen Thema Geschlechtskrankheiten. Im Anschluss gibt es Werbung, passenderweise für Kondome, namentlich Erotim-Super-3-feucht. Als Ausgleich folgt nun das Titelstück über die schöne Welt der Werbung und Käuflichkeit, geschrieben aus der Sicht des Produkts („Mich kann man kaufen und es gibt mich im Sonderangebot. Ja ich bin käuflich und zwar täglich rund um die Uhr“). Und weil wir noch nicht genug Werbung hatten gibts nun noch mehr davon, nämlich für die Homolka-Kettensäge (benannt nach einer kanadischen Serienmörderin) und das Germania-Sprachstudio („Germania-Sprachstudio, und jeder Deutsche wird dein Freund), was seine Wirkung erst im Zusammenhang mit dem folgenden Song entwickelt.

Da geht es nämlich um Sascha, einen aufrechten Deutschen. Und der mag mal gar keine Ausländer, ganz im Gegenteil. Der Song ist seit 30 Jahren ein Dauerbrenner bei den Konzerten der Band, denn dummerweise gibt es nach wie vor zu viele derartige Idioten („Vor gut 50 Jahren hats schon einer probiert, die Sache ging daneben, Sascha hats nicht kapiert.“). Der Text ist dabei trotz des ernsten Themas eher satirisch zu verstehen („Er kennt sogar das Alphabet, weiß wo der Führerbunker steht.“). Das nachfolgende Stück Gewissen ist alles andere als Satire, danach geht es in Gute Reise nochmal um das Thema Drogen.

Damit sind wir nun beim größten Hit der Scheibe angekommen. Alles aus Liebe zählt zu den wichtigsten Songs der Bandgeschichte und ist textlich auch eher harter Stoff, handelt er doch von einer selbstzerstörerischen Liebe, die am Ende wie bei Shakespeare ziemlich tödlich ausgeht („Und alles nur, weil ich dich liebe und ich nicht weiß, wie ich’s beweisen soll. Komm, ich zeig dir, wie groß meine Liebe ist und bringe mich für dich um“). Trotzdem wurde die Single ein Charterfolg.

Wesentlich positiver geht es nun mit Wünsch DIR was weiter („Ich glaube, dass die Menschheit Mal in Frieden lebt und es dann wahre Freundschaft gibt. Und der Planet der Liebe wird die Erde sein und die Sonne wird sich um uns drehen“). Tja, auch 30 Jahre später sieht es wohl eher nicht danach aus, dass dieser Wunsch demnächst in Erfüllung geht… Danach folgen mit Mein größter Feind und Rambo-Dance zwei meiner Meinung nach weniger relevante Songs, bevor am Ende des Albums nochmal befreit von textlich schweren Themen gerockt wird. In Katastrophen-Kommando nimmt sich die Band selbst auf die Schippe („Wir sind das Katastrophen-Kommando auf der Suche nach einem Fest“). Und als Rausschmeißer folgt dann als Hidden Track noch Der letzte Tag, dessen Text ich bis heute nicht wirklich verstanden habe – aber die Nummer rockt.

Fazit: Das Magnum Opus der Band bleibt Opium fürs Volk, aber diese beiden Alben gehören trotzdem unter die Top 5 (und damit zum besten Drittel) der Bandgeschichte.

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