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Album der Woche

12. Oktober 2023, 20:07 Uhr von Uwe

Diese Woche geht es ziemlich weit zurück, nämlihc bis in die späten 60er Jahre. Und dort schauen wir uns mal eine heute noch aktive Legende an, die damals die ersten kleinen Schritte machte.

Anders als Led Zeppelin, die zum Zeitpunkt ihres ersten Albums bereits erfahrende Studiomusiker waren gleich voll durchstarteten, oder auch Black Sabbath, die mit ihrem Debüt bereits markerschütternden Lärm produzierten und damit nebenbei den Heavy Metal erfanden, war die dritte der frühen britischen Speerspitzen – Deep Purple sind gemeint – zunächst noch ganz anders drauf.

Bevor sie nämlich 1970 mit „In Rock“ auf die Welt losließen, hatten sie nämlich schon drei Alben veröffentlicht, die heute – bis auf die erste Hitsingle – komplett in Vergessenheit geraten sind, auch bei der Band selbst. Grund genug, sich mit den ersten beiden Alben der Bangeschichte zu befassen, wurden sie doch (völlig irre) innerhalb von nicht mal einem Vierteljahr Ende 1968 veröffentlicht.

Beide Alben entstanden in der heute so gezählten „Mark I“ Besetzung mit einem gewissen Rod Evans als Sänger und Nick Simper am Bass. Ebenso dabei waren die wesentlich relevanteren Ritchie Blackmore an der Gitarre, Jon Lord an der Hammond und Ian Paice, der bis heute der einzige Schlagzeuger der Bandgeschichte und somit die einzige Konstante ist (wobei Jon Lord bis 2002 dabei war und dann aus gesundheitlichen Gründen ausstieg und Ritchie Blackmore es – mit Unterbrechungen – bis 1993 ausgehalten hatte). Heute man übrigens bei Mark IX angekommen (oder je nach Zählweise auch Mark XI, wenn man die Reunions der klassischen Mark II-Besetzungen extra zählt). Alles sehr verwirrend, kann man aber in Ruhe auf der Wikipediaseite der Band nachlesen.

Kommen wir nun also endlich zum Debütalbum: „Shades Of Deep Purple“ enthält acht Songs, darunter eine ganze Reihe Coverversionen. Musikalisch war psychedelischer Rock angesagt, die Hammond-Orgel war wesentlich dominanter als bei späteren Alben. So richtig auf Hit und Erfolg getrimmt war hier gar nix, so beginnt das Album gleich erstmal mit dem Instrumentalstück And The Address, was hauptsächlich von der Hammond lebt. Danach folgt mit Hush die erste Coverversion, die auch als Single herausgebracht wurde und überraschend ein Hit in den USA war (Platz 4 in den Charts). Hush ist Pop-Rock mit etwas Orgel und orientiert sich musikalisch wie überhaupt das gesamte frühe Material bei Vanilla Fudge, falls die jemand kennt. Tatsächlich kam die Nummer Ende der 80er live zu neuen Ehren und ist bis heute immer mal wieder im Live-Programm.

Danach folgt eine Eigenkomposition namens One More Rainy Day, die am ehesten als Pop-Ballade mit Orgelintro beschrieben werden kann. Passt so gar nicht zu allem, was man sonst unter dem Namen Deep Purple erwartet. Das nächste Stück klaut bei einem Klassiker, nämlich Rimsky-Korsakov – solche Adaptionen waren das Werk von Jon Lord, der ja gelernter klassischer Musiker war. Nach diesem Klassik-Intro (übertragen auf Hammond und elektrische Gitarre, also nix Streicher hier) leitet es über in das relativ belanglose I’m So Glad.

Der einzige Song des Albums, der sich auch live länger in der Setlist halten konnte, war das nun folgende Mandrake Root. Das ist ein hauptsächlich instrumentales Stück, dass im Konzert durch ausgiebige Improvisationen auf eine halbe Stunde Spielzeit aufgepustet wurde und noch bis 1972 live im Programm war, bevor der Improvisationsteil in Space Truckin‘ eingebettet wurde (nachzuhören auf dem in dieser Reihe bereits besprochenen „Made In Japan“). Hier kommt die Nummer immerhin auf sechs Minuten, davon zweieinhalb Minuten langweilige Einleitung und danach sehr explosiver Instrumentalteil, der so gar nix mehr mit Pop zu tun hat und zeigt, was die Herren Blackmore, Lord und Paice damals schon drauf hatten.

Es folgt eine weitere Coverversion, diesmal eines sehr bekannten Stücks, nämlich Help! von den Beatles. Nach der Bearbeitung durch Deep Purple ist vom Original freilich nur noch der Text übrig, die Nummer ist dreimal so lang, zähflüssig und wehklagend, wesentlich näher dran an dem, was John Lennon ursprünglich wohl ausdrücken wollte, bevor es zum Beat-Hit wurde. Die Beatles fanden die Bearbeitung wohl auch gar nicht schlecht, behauptet jedenfalls das Booklet zum Album.

Fehlt nun noch die Poprock-Nummer Love Help Me (viel Orgel, ansonsten aber unspektakulär) und die abschließende Coverversion eines weiteren bekannten Hits, nämlich Hey Joe, was ja durch Jimi Hendrix ganz groß rauskam. Auch dieses Cover enthält wieder ein paar ausufernde Klassikadaptionen als Intro, nämlich ein mir völlig unbekanntes Ballet des mir ebenso völlig unbekannten Manuel de Falla. Spanische Klassiker kommen halt im deutschen Musikunterricht nicht vor.

Fazit: Es ist ein merkwürdiges Album, einerseits was das Songmaterial mit den vielen Coverversionen angeht, andererseits ist schon klar zu hören, dass die Band eigentlich viel mehr könnte, aber nicht in der Lage ist, ihr Können in passenden Songs umzusetzen. Ritchie Blackmore spielt einige prägnante Soli, aber noch gegen Jon Lords Orgelpassagen klar die zweite Geige, während Ian Paice an vielen Stellen zeigt, dass er eigentlich total unterfordert davon ist, nur einen graden Beat zu spielen. Spannend ist das Album trotzdem, grade wenn man weiß was die Band später noch spielte, und man hier nun erste Spuren dieser Großtaten finden kann.

Nur wenige Wochen nach diesem Album (quasi eine Kurztour durch Amerika später) wurde die Band wieder ins Studio geschickt, um möglichst schnell einen Nachfolger zu produzieren. Der hört auf den Titel „The Book Of Taliesyn„. Musikalisch wurde das Grundkonzept beibehalten, drei Coverversionen und vier eigene Stücke, davon ein Instrumental und zwischendrin dicke fette Klassikadaptionen.

Erste Nummer auf dem Album ist Listen, Learn, Read On, einem kompakten Rocker mit wesentlich mehr Fokus auf Blackmore’s Gitarre als auf dem ersten Album. Nur der Text über mittelalterliche Barden passt so gar nicht dazu. Danach folgt mit Wring That Neck der allererste „echte“ Deep Purple-Song. Das fünfminütige Instrumentalstück zeigt erstmals, was die Band musikalisch zu leisten im Stande war, wenn sie ihr Können auf den Punkt brachte. Die Nummer war auch live noch längere Zeit im Programm und enthält erstmals die später klassischen Duelle zwischen Gitarre und Hammond-Orgel.

Danach folgt eine Pop-Rock Nummer, hier wird nämlich Kentucky Woman von Neil Diamond durch den Hammond-Wolf gedreht. Nun folgt eine instrumentale Eigenkomposition, die sich aber bei Beethoven und Tschaikovsky bedient, natürlich auf Hammond-Orgel und elektrische Gitarre angepasst. Diese Exposition find ich ja wesentlich spannender als das direkt folgende We Can Work It Out, was ja schon im Beatles-Original nicht der allergrößte Hit der Band war.

Danach folgt mit Shield eine merkwürdige Poprock-Komposition mit düsterem Text, was so gar nicht zum restlichen Album passen will, an sich aber recht spannend ist. In eine ähnliche Richtung schlägt Anthem, was sich aber musikalisch wesentlich stärker in Richtung Klassik bewegt, komplett mit Streichquartett und Mellotron. Damals war ja noch nicht so richtig klar, in welche Richtung die Band musikalisch gehen wollte – Jon Lord trieb ja ein Jahr später das Concerto For Group and Orchestra voran, Ritchie Blackmore wollte Hardrock spielen und irgendwie war die Band noch auf der Suche nach der eigenen Identität – diese Suche hatte erst 1970 mit „In Rock“ ein Ende.

Den Abschluss des Albums bildet eine weitere Coverversion, nämlich River Deep, Mountain High von Ike & Tina Turner. Die wird wieder mit einer Klassik-Adaption als Intro gewürzt, nämlich „Also sprach Zarathustra“ von Richard Strauss, was damals wegen der Verwendung in Stanley Kubricks 2001: A Space Odyssey sehr populär war. So kommt die Nummer auf schlappe 10 Minuten Laufzeit und zeigt am Ende einen entfesselt aufspielenden Blackmore, der alles in Grund und Boden rockt.

Alles in Grund und Boden gerockt wurde auch live, zumindest in Amerika – denn auf der Bühne zeigte sich die ganze Klasse der Band (was sich ja bis heute nicht geändert hat). In Großbritannien bekam die Band hingegen kein Bein auf den Boden, „The Book Of Taliesyn“ kam überhaupt erst im Juni 1969 in Großbritannien heraus. Aufgrund dieser Situation wollte die Band (so schreibt es das sehr informative Booklet zum Album) tatsächlich nach Amerika auswandern – bis sie feststellten, dass Schlagzeuger Ian Paice zum Wehrdienst eingezogen werden könnte, was vor dem Hintergrund des Vietnamkrieges keine allzu attraktive Aussicht war. Stattdessen tourte die Band ausgiebig in den USA und nahm zwischendrin Anfang 1969 das dritte Album auf. Da war den musikalischen Köpfen Jon Lord und Ritchie Blackmore aber schon klar, dass man zukünftig härter rocken wollte, ganz in Richtung der frühen Led Zeppelin, die ja grad auf der Bildfläche erschienen waren. Aber das werde ich wohl im kommenden Jahr beleuchten, wenn es um das dritte und finale Album der Mark I-Besetzung gehen wird.

Fazit: Zwei durchaus interessante Psychedelic-Rock-Alben, die aber musikalisch so gar nix mit Smoke On The Water, Highway Star oder sonstigen Hits der späteren Bandgeschichte zu tun haben.

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