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Ein abschließender Höhepunkt

10. Oktober 2023, 21:50 Uhr von Uwe

Am letzten Urlaubstag vor der Rückreise gab es – quasi als abschließendes Highlight – nochmal was ganz besonderes. Und das war eigentlich überhaupt nicht geplant, woran man sieht, dass der beste Plan für die Tonne ist, wenn man ihn durch einen spontanen Geistesblitz ersetzt. Aber der Reihe nach:

Nach einem geruhsamen und ausführlichen Frühstück – die Ausflugstipp des Tages lautete zu meiner Erheiterung „5-Seen-Wanderung“ (been there, done that) – begann die Wanderung mit einem gemütlichen Spaziergang nach Süden. Ziel war die Gornerschlucht, eine Klamm, wo sich das Wasser tief in den Fels geschnitten hatte. Der Wetterbericht hatte wieder mal allerfeinste Hitze vorhergesagt, davon war gegen 9 Uhr morgens noch nicht viel zu merken, da liegt Zermatt noch im Schatten.

Ich habe einen Plan! (dachte ich)

Ich marschierte also im Frühtau zu Berge und hätte mich ja tierisch geärgert, wenn ich um die Zeit Sportunterricht gehabt hätte (mir kam eine Klasse semi-motivierter Mittelstufler entgegen). Und da – noch vor der Gornerschlucht – wurde ich dann vom Blitz getroffen. Also vom Geistesblitz. Um das zu erklären muss ich jetzt aber mal weitschweifig ausholen…

Also, ganz am Anfang, erschuf ich Himmel und Erde… nee halt, nicht ganz so weit zurück. Also kurz nach dem Urknall, während der Vorbereitung meines Urlaubs, plante ich eine Wanderung. Die sollte von Zermatt aus zur Gornerschlucht führen, von dort aus dann den Berg hinauf bis zu einem Gletschergarten, von dort weiter zu einer Hängebrücke, danach an der Seilbahnstation Furi vorbei nach Westen bis zur Zmuttbach-Staumauer und dann wieder hinunter nach Zermatt. Das wären so etwa 14 km gewesen, allerdings mit ordentlich Höhenmetern (die Hängebrücke als höchster Punkt ungefähr 400m oberhalb von Zermatt).

Meine Knie samt Oberschenkelmuskulatur wollten schon seit einigen Tagen nicht mehr so richtig wie mein Dickschädel wollte, und der längliche Abstieg war da eher keine gute Idee. Und so überlegte ich beim langsamen Anstieg Richtung Gornerschlucht ob ich den Abstieg abkürzen könnte, denn man kann von der Seilbahnstation Furi bis nach Zermatt runterfahren. Nur, was soll ich gegen Mittag schon wieder unten in Zermatt? Aber wenn man schon mal da ist, warum nicht die Seilbahn nach oben nehmen, wo ich doch sowieso an der Seilbahnstation vorbeilaufe? Dann guckte ich erstmal kurz nach, welches „oben“ ich von dort erreichen konnte, und schwups war der ursprüngliche Plan in der Tonne gelandet: Die Seilbahn führt nämlich bis auf 3000m zur Station „Trockener Steg“, und da kann man umsteigen in eine andere Seilbahn zum „Matterhorn Glacier Paradise„, nämlich aufs Kleine Matterhorn mit schlappen 3800irgendwas Metern. So weit oben war ich überhaupt noch nie herumgelatscht, also musste man diese Chance mal nutzen.

Verschluchtetes Fließgewässer

Nun ging es aber trotzdem erstmal zur Gornerschlucht. Das war alles wunderprima beschildert, Verlaufen unmöglich (ich komme später nochmal auf das Thema zurück). Man kommt dann an einem kleinen Häuschen vorbei, darf CHF 5 Eintritt löhnen und kann sich dann die Schlucht angucken. Dabei marschiert man ungefähr 200m über einige in die Felswand gehängte Holzbohlen und vier Treppen hoch und ist dann auch schon durch. So richtig wahnsinnig spektakulär war das jetzt nicht unbedingt, und wenn man von der anderen Seite kommt und sich dort nur die letzte Treppe anguckt hat man eigentlich auch alles gesehen (und müsste keinen Eintritt zahlen, hrhr).

Weiter ging es nun in Richtung Gletschergarten. Der Weg führte dabei steil nach oben, irgendwie muss man ja auf die Höhe kommen. Zum Glück war ich da noch im verschatteten Wald unterwegs, nicht dass es groß was an der Schweißproduktion geändert hätte. Kurz vor der Seilbahnstation Furi (ja, da kam man schon beim Aufstieg vorbei) kommt man dann auch noch aus dem Wald raus, da wars dann mit Schatten auch vorbei. Weiter gings also, eine Serpentine nach der anderen, schön ekelhaft steil nach oben. Da weiß man dann, was man geleistet hat.

Gletschergarten

Auf ungefähr 2000m ist man dann in einem Waldstück am Gletschergarten angekommen. Da steht dann ein buntes Holzschild überm Weg, so als Eingang. Tatsächlich muss ich aber sagen, dass das alles Schiebung ist. In dem Gletschergarten werden gar keine kleinen Gletscher gezüchtet! Stattdessen kann man verschiedene ausgewaschene Steine sehen, erfährt was über Gesteinsarten und die Entstehung des Matterhorns durch eiszeitliches Sandpapier (abrasiver Verschleiß, siehe auch spanabhebende Datenverarbeitung) und dergleichen mehr. Es ist also durchaus interessant zu sehen, was das Eis vor tausenden von Jahren geformt hat und wie man die Spuren heute noch erkennen kann, wenn man denn weiß wo man gucken muss.

Eine längliche Pause später – der Aufstieg war ja ordentlich anstrengend – gings dann ein Stück abwärts in Richtung der Hängebrücke. Die war nun wieder nicht idiotensicher ausgeschildert, so dass ich mich natürlich  – Depp der ich manchmal bin – kurz verlief. Da die Brücke durchs Dickicht der Bäume aber schon zu sehen war, war schnell klar, dass ich falsch war, und im Gegensatz zum Vortag waren auch kaum unnötige Höhenmeter dabei herausgekommen.

Von der Hängebrücke zur Seilbahn

Die Hängebrücke hat ungefähr 200m Länge und ist damit deutlich kürzer als die andere Brücke, die ich gut eine Woche vorher begangen war. Dafür war hier die Aussicht spektakulärer, zumindest in eine Richtung (in der anderen gabs nur Bergflanke zu sehen). Blöderweise wackelte die Brücke auch ordentlich, ich war nämlich nicht der einzige, der da drüber wollte. Mit verkrampftem Festhalten links und rechts gings aber doch unfallfrei drüber, sogar für ein Alibifoto reichte es noch.

Damit waren die anstrengendsten Ecken des Tages eigentlich schon geschafft, nun gings ebenso steil wieder runter in Richtung der Seilbahnstation. Inzwischen war die Temperatur schon merklich gestiegen, auf etwa 1800m über 25 Grad zu haben ist echt etwas happig. An der Bahnstation angekommen hieß es nun ein kompliziertes Ticket zu erstehen, nämlich eine Fahrt ganz nach oben und retour, aber retour bis nach Zermatt runter. Das klappte problemlos und keine fünf Minuten später saß ich in einer schicken Kabine und schwebte über den Wolken – naja, nee, über der Erde, aber unter den Wolken.

Hoch hinaus

Von der Seilbahn aus war nun auch endlich wieder das Matterhorn zu sehen – vorher war ich ja zu tief unten im Tal gewesen. Die Seilbahn gondelt da steil nach oben über die Zwischenstation „Schwarzsee“ bis zur Station „Trockener Steg„. Da ist man dann schon auf 3000m und somit weit oberhalb der Baumgrenze bzw. überhaupt der Grenze, wo noch irgendwas grünes wächst. Stattdessen steht da eben ein Betonklotz mit Sonnenterrasse in einer Schotterwüste. Surreal, aber real existent. Im Winter ist das natürlich der Anziehungspunkt für alle Wintersportler, im Sommer ist es „nur“ Umsteigestation, weil eh quasi jeder ganz nach oben weiterfahren will. Nur eine Handvoll Bergsteiger machte sich von dort aus auf den Weg.

Ich stieg also auch um in eine zweite Seilbahn (Dreiseil-Umlaufbahn) mit deutlich größeren Kabinen (28 Plätze). Und die ist extrem spektakulär. Man startet auf ca. 3000m und zunächst geht es noch relativ nah über der Erde entlang. Dann kommt ein Pfeiler, es gibt einen Ruck, und dann passiert ein paar Kilometer lang gar nix – die nächste Stütze ist knapp 3km weiter und 750m höher. Man sieht die parabolische Form des Höhenverlaufs auch schön im Diagramm (oben das erste Diagramm). Der lange Abstand der Stützen liegt an der Umgebung, man gondelt da gemütlich quer über den Theodulgletscher (klingt schwer nach Tolkien, der Name – hat aber nix mit ihm zu tun). Und am Ende der Reise steht man auf knapp 3900m in der höchsten Seilbahnstation der Alpen.

Vergletscherte Aussicht

Von der Höhe hat man da erstmal noch gar nix, außer akut dünne Luft. Man tritt dann aber auch erstmal nur in irgendwelchen Tunneln unterm Gipfel herum – da ziehts dann auch ordentlich, Windjacke war trotz Hochsommer dann doch mal angesagt. Die Temperatur war aber immer noch knapp zweistellig über Null. Der Weg zur Aussichtsplattform war mir dann aber auch erstmal versperrt, grade wie ich da um die Ecke kam Richtung Fahrstuhl wurde da eine Barriere aufgebaut – zum Glück nur temporär, wohl wegen ein paar Windböen und einer fiesen Wolke. Na gut, dann eben erstmal weiter durch die Tunnel irren. Es trommelte aber nicht in der Tiefe, und raus kam ich später auch noch. Außerdem war mehr Betrieb als in Moria.

Wie ich jetzt auf Moria komme? In den Tunneln gabs Drachen. Zwar nur aus Eis geschnitzt, aber immerhin. Und irgendwelche eisheiligen Marienstatuen. Und allerlei andere Eisschnitzereien. Da hat man also tatsächlich ein paar Tunnel in den Gletscher gekratzt und nun marschieren da Touristenhorden durch. So kann man den Gletscher natürlich auch von innen her zum Abschmelzen bringen, in den Tunneln war die Temperatur bei etwa 5 Grad über Null.

Nun konnte man am südlichen Ende des Tunnels (am nördlichen ist die Seilbahn und der Fahrstuhl zur Aussichtsplattform) noch nach draußen, auf den Gletscher. Das ist nämlich ein ganzjährlich geöffnetes Skigebiet. Und einige besonders Wahnsinnige waren da auch am Herumrutschen auf ihren Wachsbrettern. Ich hingegen lief nur ein paar Dutzend Meter übers den weichen Schnee. Das Laufen auf diesem rutschigen Untergrund tat meinen Knien aber überhaupt nicht gut, so dass ich mir erstmal eine ruhige Ecke suchte, mich auf einen Stein setzte, nach Luft schnappte und die Aussicht Richtung Italien und Frankreich bestaunte.

Eine reichliche Viertelstunde später wurde mir der Stein zu ungemütlich, also guckte ich nochmal, ob nun die Aussichtsplattform wieder geöffnet war. War sie tatsächlich. Also alle Mann (und Frauen und Kinder) rein in den viel zu kleinen Fahrstuhl, 15 Sekunden nach oben fahren und dort dann rauspurzeln. Ich wär ja Treppe gestiegen, aber das gabs da nicht.

Nun war also tatsächlich Aussicht angesagt, jedenfalls größtenteils. Zunächst mal standen viel depperte Touristen dämlich in der Gegend rum und sich gegenseitig im Bild. Mit etwas Geduld konnte man dann aber doch mal Fotos vom höchsten Breithorn der Alpen – Name vs. Sammelbezeichnung und so – (in Richtung Osten), Matterhorn (völlig unüblicher Winkel, Blick Richtung Nordosten, also Südwand), Mont Blanc (70km weg Richtung Westen und leider von Wolken halb verdeckt) und Gletscherskipiste im Süden. Ganz nebenbei sieht man da natürlich drei Dutzend 4000er, mehrere Gletscher bzw. das was davon noch übrig ist, und über allem wacht eine riesengroße Jesus-Statue, die man an die Aussichtsplattform genagelt hat – muss man nicht verstehen. Mit weniger Wolken könnte man im Norden noch bis zu Eiger/Mönch/Jungfrau gucken, aber da waren dann doch einzelne Wolken im Weg. Man kann halt nicht alles haben, aber beeindruckend ist die Aussicht auf jeden Fall, und ich war sehr froh, dass ich diesen morgendlichen Geistesblitz hatte.

Abwärts gehts

Nach ziemlich genau zwei Stunden ging es nun wieder abwärts, und zwar so richtig – also bis hinunter nach Zermatt. Das dauert eine knappe halbe Stunde, ich machte noch eine kurze Pause an der Umsteigestation, um ein paar Fotos zu machen und kam so auf eine reichliche halbe Stunde. Unterwegs teilte ich mir die Gondel mit einem älteren Ehepaar aus New York City, die mächtig begeistert von der Landschaft waren (gut, wer wäre das dort nicht?). Unterhalb von 2500m wars dann endgültig zu warm für die Jacke, in Zermatt angekommen waren über 30 Grad…

Ich schleppte mich also gemütlich durch die „Innenstadt“, kaufte noch ein extra Sixpack Rivella (ich hab heute die vorletzte Flasche geleert) und begab mich dann zurück ins Hotel. Bis zum Abendessen war noch Zeit – es war jetzt gegen halbdreiviertel Vier am Nachmittag – und so begab ich mich erneut in Richtung Swimmingpool. Das Schwimmen ging eher schlecht als recht, meine Knie und vor allem die Beinmuskulatur machten überhaupt nicht mehr das was ich wollte… Außerdem war der Pool heute wesentlich besser besucht als am Vortag. Am meisten gingen mir drei fette englische Schwabbelquallen auf den Keks, die das Wasser im Jacuzzi verdrängten, lautstark dummes Zeug sabbelten und dazu Bier aus der Dose tranken. Daneben gabs ruhige Asiaten und eine Horde junger Kerle, die sich gegenseitig im Dauertauchen überbieten wollten – nuja. Zumindest war das Wasser eine willkommene Abkühlung an dem heißen Tag.

Ich schnarchte noch eine kurze Runde und begab mich dann wieder in Richtung der verschiedenen Fresstempel. Diesmal gings in ein großes italienisches Restaurant, wo ich mich mit Pizza und Wein abfüllte und das ganze dann (war ja letzter Tag vor der Abreise) mit einem Eisbecher runterspülte. Die Bedienung war dezent überfordert, was aber wohl daran lag, dass der Mensch sich um zu viele Tische gleichzeitig kümmern musste. Das Essen war trotzdem lecker, und nach dem fetten Anstieg am Morgen hatte ich mir das ja auch hart erarbeitet.

Plötzlich und beinahe unerwartet war der Urlaub dann auch viel zu schnell wieder vorbei, am nächsten Morgen ging es ziemlich pünktlich wieder nach Hause. Dabei erlebte ich dann auch noch allerlei Abenteuer, aber das ist dann etwas für die nächsten Einträge.

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