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Album der Woche

21. September 2023, 19:39 Uhr von Uwe

In dieser Woche betrachten wir ein Album, dass inzwischen auch schon wieder 25 Jährchen auf dem Buckel hat. Grund genug, sich mit etwas lokalem Kokolores auseinander zu setzen.

Für lokalen Kokolores sind ist Fränkischen in erster Linie (damals war der Söder noch irrelevanter als heute) ein paar komisch gewandete Typen zuständig, die Mitte der 90er Jahre relevante Songs über versoffene Haie oder Schleichwerbung fürs örtliche Kaufhaus („denn mit bei Wöhrl gekauften Socken lässt’s sich doppelt so gut rocken“) machten. Die Rede ist natürlich von J.B.O., wobei ich dazu sagen muss, dass der weiße Hai im Dechsendorfer Weiher inzwischen nicht nur trocken, sondern auch verhungert ist, denn da schwimmt wegen der Wasserqualität schon lang keiner mehr. Achja, und das von ihnen offensiv beworbene Kitzmann-Bier fand ich auch nie so wahnsinnig spannend – das Thema hat sich ja aber 2018 mit der Schließung der Brauerei eh erledigt.

Auf jeden Fall landete 1998 das Album „Meister der Musik“ im Regal der damals noch real existierenden Plattenläden. Verpackt in ein schickes Klappcover mit reichlich blödsinnigem Bildchen finden sich hier 20 Songs, wobei nicht alles wirklich Songs sind, dazwischen haben sich auch einige kurze Zwischenspiele und sonstiger Nonsens geschummelt. J.B.O. waren und sind ja in erster Linie durch ihre Verballhornungen und Parodien bekannter Songs groß geworden, weniger durch ihr eigenes Material.

Das Album wird dann aber gleich (nach einem überflüssigen gesprochenen Vorwort) von einer Eigenkomposition eröffnet, die auf den netten Titel „Ällabätsch“ hört. Der Text dreht sich in bester Schadenfreude um die Missgeschicke diverser Celebrities, das Problem ist nur, dass heute die meisten Anspielungen ins Leere laufen (Aaron Carter ist inzwischen tot, Pamela Anderson hat sich komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und bei Tic-Tac-Toe denkt inzwischen wieder jeder an das Spiel und nicht an komisch rappende Möchtegern-Hiphopperinnen).

Die erste Coverversion hört auf den Titel Wir ham ’ne Party und basiert auf einer Nummer der Backstreet Boys. Das läuft heute natürlich auch ins Leere, denn der Gag war schon nach dem ersten Mal weg. Das folgende Mensch ärgere Dich nicht ist hingegen zeitlos, denn wer wollte noch nicht ein wenig explodieren, wenn man blöd angehupt wird?

Danach folgt der erste von drei Meister der Musik-Teilen. Das sind hörspielmäßige Sequenzen, bei denen kein kompletter Song parodiert wird, sondern fiktiv Werbung für eine Albumreihe „Meister der Musik“ gemacht wird, auf der bekannte Musiker die Songs anderer Musiker interpretieren. Die Idee wurde später vom Fernsehen als „Sing meinen Song“ aufgegriffen. Hier mimt natürlich J.B.O. alles, und so spielt Richard Clayderman Metallica, Udo Lindenberg singt Mariah Carey, Running Wild spielt Running Wild (Gag im Gag), Blümchen (kennt die noch einer?) spielt Black Sabbath und so. Kann man sich schon mal geben, aber auch hier einiges natürlich durch den zeitlichen Bezug einfach veraltet.

Die arschcoolste Nummer des Albums folgt dafür auf dem Fuße. Ich liebe Dir hat den genialsten Text, den die Band je verbrochen hat („seit einem Jahr sind wir ein Paar, wir stehen schon bald vor dem Allianzversicherungsvertreter, ganz erpicht auf Schutz für Haut und Haar) und einen überaus eingängigen Refrain („ich liebe Dir, weil ohne du kann ich nicht bin“) – Deutschlehrer nehmen schreiend reißaus. Außerdem wird Franz auf Stolz gereimt, dreieinhalb Takte Englisch gibts auch („I’m loving you and you love me, wo laaf mer hin?“) und am Ende geht’s zum Tischtennis – die Nummer ist als Liebeslied der Hammer und zaubert mir auch heute noch ein Grinsen ins Gesicht.

Die danach platzierte Coverversion Im Verkehr (basierend auf einer Nummer namens Zaire) beschäftigt sich mit den Gefahren im Verkehr („nicht nur kann man schwanger werden, auch Krankheiten gibts viel auf Erden – doch wenn ihr reichlich Gummi gebt, kanns sein dass ihr viel länger lebt“). Thematisch also zeitlos aktuell und der Groove ist auch recht fett – eine der besseren Coverversionen auf der Scheibe.

Die allerallerbeste Coverversion überhaupt ist jedoch das folgende Jump. Da wird der gleichnamige Song von Van Halen gecovert, und zwar a capella, wie die Comedian Harmonists es vielleicht gemacht hätten. Da wird also die gesamte Instrumentierung bis hin zum Gitarrensolo durch entsprechende Vokalakrobatik umgesetzt – unmöglich live zu performen, aber die Idee und die dahinter steckende Arbeit ist einfach nur irre. Eine der besten Leistungen der Bandgeschichte.

Danach folgt ein überflüssiges Zwischenspiel und die Coverversion Ich schwör‘. Die basiert auf einer Schmalznummer aus den späten 90ern, die heute zum Glück keiner mehr kennt. Damit ist das Cover natürlich auch irgendwo irrelevant geworden, zumal sich mir beim heutzutage inflationären Gebrauch des Wortes schwören eh die Zehennägel aufrollen. Ich schwör, Alter!

Ziemlich witzig kommt danach Bimber Bumber Dödel Dei daher, dass einfach nur aufzählt, wo der ausführende Interpretalmusiker erfolglos versucht hat, zum Schuss zu kommen („im dunklen Keller drunten, da hab I‘ ahne bimbern wollen, jetzt hab ich die ned g’funden, im dunklen Keller drunten“). Nach zehn derartigen Missgeschicken ist der Song auch schon wieder vorbei.

Nun folgt der zweite Teil von Meister der Musik („Sodom spielen Clowns und Helden“), bevor die x-te Version von Ein guter Tag zum Sterben auf die Menschheit losgelassen wird. Das war damals ja ein Running Gag der Band, immer wieder neue Varianten des Songs auf jedes Album zu packen. Hier gibt es nun also die Klassik-Version. Kann man schon machen, aber irgendwann nutzt sich der Witz dann auch ab. Weiter geht es mit dem Instrumentalstück Krieg der Welten mit diversen merkwürdigen Soundeffekten – unwichtig. Danach kommt eine Jodeltrulla, die den Anfang des Accept-Albums „Restless And Wild“ aufs Korn nimmt (diesmal gewinnen die Alpenjodler). Hilft halt nix, diesen Witz kurz vor Ende des Albums zu bringen, das hätte ganz an den Anfang gehört.

Das nächste Lied ist eher traurig, denn Ich glaube du liebst mich nicht mehr beschreibt anschaulich, wie aus Liebe irgendwas hassähnliches wird (so richtig mit vergiftetem Kaffee, gekappten Bremsschläuchen und Betonschuhen). Vorbild für die Nummer war wohl sogar Weird Al Yankovic, der ja seinerseits mit genialen Parodien auf Michael Jackson bekannt wurde. Antiklimaktisch folgt nun als dritter Teil von Meister der Musik eine volksmusikalische Variation von In League With Satan, im Original von Venom. Ziemlich unwitzig ist danach noch kurz angespielte Version von Shadow On The Wall, die den Gesang von Roger Chapman durch ziegenähnlichen „Gesang“ ins Lächerliche ziehen soll. Das konnte Peter Gabriel auf Dancing With The Moonlit Knight besser („you know what you are, you don’t give a da-a-a-a-am“) – aber das war ja schon letzte Woche in der Besprechung dran.

Den Abschluss des Albums bildet eine Huldigung an Manowar, nur echt mit einem Hörspiel-Intro (dass ich nach dem ersten Hören gelöscht habe) und der wirklich starken Nummer Verteidiger des Blödsinns. Der Text ist so klischeehaft wie die von Manowar, der Männerchor im Refrain entsprechend pompös und übertrieben („Wir sind Verteidiger des wahren Blödsinns, Krieger in schwarz-rosa-gold“). Im Outro gibts dann noch zwei unerwartete Gags („denn wer den Spaß hat der hat die Macht – Macht – Macht – Macht – Saft – Macht – Macht – Sauerkraut – macht – macht – macht – macht doch endlich den blöden CD-Player aus!“).

Damit wären wir durch – fassen wir mal zusammen: Einige wenige zeitlos geniale Coverversionen (Jump, Im Verkehr, Verteidiger des Blödsinns), ein paar coole Eigenkompositionen (Mensch ärgere Dich nicht, Ich liebe Dir, Bimber Bumber Dödel Dei), der Rest schwankt zwischen „kann man witzig finden wenn man den zeitlichen Kontext berücksichtigt“ und „um Gottes Willen, was soll das denn?“ Unterm Strich aber eins der besten Alben der Bandgeschichte, danach wurde die Trefferrate deutlich geringer, das Konzept mit den Coverversionen ging auch nicht mehr so gut auf.

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