Kategorien

Archive

Kalender

September 2023
M D M D F S S
 123
45678910
11121314151617
18192021222324
252627282930  

Bahn erleben

16. September 2023, 18:58 Uhr von Uwe

Nach einer Woche war der Aufenthalt in Brig schon beinahe fast vorbei. Der Wetterbericht verkündete weiterhin allerbestes Sommerwetter, darum hatte ich die Wanderung am Simplonpass ad acta gelegt wegen „zu wenig Schatten und zu viel Höhensonne“. Stattdessen wollte ich mich mal ein wenig in der Stadt umschauen und dem Bahnlehrpfad Simplon folgen, wenn man schon nicht mit der Bahn unterwegs ist.

Dementsprechend ging es also ganz gemütlich nach dem Frühstück los. Diesmal war ja – völlig ungewohnt – kein Zug zu kriegen und kein Fahrplan einzuhalten, so dass ich mich nach den ersten paar hundert Metern erstmal zu einer wohlverdienten Verschnaufpause setzen konnte. Da saß ich dann neben der schwer einbetonierten Saltina, die vor 30 Jahren Brig mächtig verwüstet hatte (die Hochwassermarke vorm Hauptbahnhof ist auf über 2m Höhe gegenüber dem Straßenniveau).

Wanderung (13.7km, ↗512m, ↘528m*)

*Die Höhenwerte stimmen hinten und vorne nicht. Da weder direkt am Anfang in Brig so ein steiler Anstieg auf über 750m, noch war in Bitsch eine solche Spitze auf fast 900m. Entsprechend kann man an den aufsummierten Höhen vermutlich je um die 300m abziehen. Die Genauigkeit der Aufzeichnung ist auch insgesamt eher dürftig, irgendwie war der Empfang an dem Tag wohl insgesamt recht mäßig.

Ich spazierte nach einer längeren Pause also ganz gemütlich die Saltinapromenade hinauf, irgendwie verquer durch das was man dort so Innenstadt nennt, vorbei an einer Schule (tät mich ja ankotzen wenn ich bei so einem Bombenwetter die Schulbank drücken müsste, hehe) und schließlich die Tunnelstraße entlang. Tunnelstraße deswegen, weils da Richtung Simplontunnel geht, klar. Der Wanderweg schlägt sich dann rechts in die Büsche bzw. den Berghang hinauf.

Unterwegs gibts alle paar Meter informative Schautafeln über das Dran und Drum der Eisenbahn, wie etwa Remisen (aka Lokschuppen), Drehscheiben, die Geschichte des Bahnbetriebs der Schweiz, den Bau des Simplontunnels, und allerlei andere Dinge, die mehr oder minder relevant und interessant sein könnten. Ich nahm mir jedenfalls reichlich Zeit, das alles zu lesen und die gelegentlichen Ausblicke auf die umfangreichen Bahnhofsanlagen und den dahinter liegenden Ortsteil Naters zu genießen.

(Anmerkung zum Tempodiagram: Da ich mal nicht mit der Bahn unterwegs war ist hier die Skala recht übersichtlich und man erkennt auch sehr deutlich, wann ich Pausen gemacht hab – da hab ich mich auf dem Hintern sitzend mit etwa einem Stundenkilometer auf der Bank herumbewegt… Die Spitzengeschwindigkeit da am Ende ist aber Blödsinn und definitiv ein Messfehler.)

Man klettert da dann diverse Höhenmeter überm Portal des Simplontunnels herum, bevor man dann wieder den ganzen Weg runter muss und dann an der Rhone herauskommt. Da wars noch immer früh am Morgen und es war schon wieder viel zu warm. Der Weg führte mich dann weiter nach Bitsch und dann gleich mal wieder den Berg hoch. Da kommt man dann oberhalb eines Steinbruchs raus, denn Eisenbahnen brauchen Kies und Schotter (als Bettung für Schienen und zum Bezahlen der Mitarbeiter). Daneben findet man auch ein Staubecken, welches seit über 50 Jahren nicht mehr in Betrieb ist, weil die Wasserkraftwerke für die Stromerzeugung inzwischen durch unterirdische Becken gespeist werden.

Eine weiter längere Pause später bummelte ich also durch Bitsch und am Ortsausgang – Überraschung – wieder den Berg hoch. Aber nicht weit, denn dann folgt man einer alten Wasserleitung, die aber auch schon seit 70 Jahren außer Betrieb ist. Da hat man aus Betonfertigteilen eine Art Aquädukt an den Hang gezimmert, und auf eben diesen Betonfertigteilen verläuft heute ein Wander- und Radweg. Das war mir nicht so ganz geheuer, denn die Betonteile sind runde zweieinhalb Meter hoch, und dann fällt man möglicherweise schon etwas tiefer wenn man nicht aufpasst. Andererseits geht es natürlich schön gleichmäßig den Berg runter bis zur Straße.

Am Rhoneufer flanierte ich anschließend wieder ganz gemächlich – es war ja noch nicht mal Mittag – wieder in Richtung Brig. Da kam ich dann an fahrenden Zügen und einer Käsefabrik vorbei. Die produzieren da aber nicht einfach nur Käse, sondern so richtig prämierten Käse mit Goldmedaillen und so. Und weil Askese auch großer Käse ist futterte ich derweil meine Tüte Nüsse leer.

Der Fußweg führte nun quasi topfeben entlang der Bahnstrecke Richtung Brig und zweigt dann kurz vorm Ortseingang ab. Da überquert die Bahn die Rhone und fährt dann direkt in Richtung Bahnhof. Das war vor 2007 anders, da führte die Bahnlinie direkt durch den Ortsteil Naters und bog dann in einem 180-Grad Bogen in den Bahnhof ein, so dass man für die Weiterfahrt Richtung Zermatt immer Loks umkuppen und/oder rangieren musste. Nach dem Umbau wurde die ehemalige Bahntrasse durch einen roten Teppich, äh, eine rote Meile überbaut. Die früheren Masten der Oberleitung sind jetzt die Masten für die Straßenbeleuchtung und der ganze Weg ist als Fuß- und Radweg ausgebaut und mit rotem Tartanbelag überzogen.

Ich spazierte da also weiter entlang, bog dann aber ab in Richtung Rhoneufer, denn da erzeugte der Fluß etwas Luftzug, während im Ort selbst die Hitze stand. Entsprechend wurde nun mit weiteren Pausen am Rhoneufer entlangflaniert. Blöderweise hat man von dieser Seite keinen guten Blick aufs Tunnelportal vom Simplontunnel, aber das war nur ein kleiner Schönheitsfehler. Nun ging es noch gefühlte fünfzig Kilometer (tatsächlich weniger als ein Kilometer) bis zur nächstbesten Rhonebrücke am Bahnhof, bevor ich mich nochmal in den frühnachmittäglichen Trubel der Innenstadt wagte.

(Anmerkung zum Diagramm: Hier sieht man jetzt auch mal sehr schön, wie ich die Wanderzeit durch geschicktes Ausnutzen jeder verfügbaren Sitzgelegenheit auf fast das doppelte gestreckt habe…)

Das Ziel war der erstbeste Laden, wo man Ansichtskarten erstehen konnte. Ich wurde in einem Buchladen neben dem Hotel de Londres fündig und stellte anschließend fest, dass die Winkelgasse aus den Harry Potter-Büchern nicht etwa in London, sondern in Brig liegt. Damit war ich mit meinem Spaziergang dann aber auch schon am Ende. Ich organisierte einen neuen Schwung Getränke und ein Eis und marschierte nun eisschleckenderweise zurück ins Hotel.

Dort bezahlte ich dann gleich mal das Zimmer, denn am nächsten Morgen hatte ich – ganz im Gegensatz zum heutigen Tage – ein straffes Programm mit sehr frühen Zügen. Den Rest des Tages verbrachte ich dann aber erstmal ganz gemütlich mit Karten schreiben und TV glotzen. Der Wetterbericht für den nächsten Tag sah überraschenderweise gar nicht mal so gut aus, aber das konnte mir egal sein, solange die Züge nicht von den Strecken gespült würden.

Einen Kommentar schreiben