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Wild von Wald zu Wald gewandert

30. August 2023, 23:15 Uhr von Uwe

Wie der Name andeutet, hatte ich mir für den ersten Tag eine schöne Wanderung herausgesucht – von Oberwald nach Niederwald nämlich. Da führt nämlich der Gommer Höhenweg als einer der am besten bewerteten Wanderwege der Schweiz entlang, immer so am Berghang mit viel Aussicht, aber noch unterhalb der Baumgrenze – so jedenfalls die Beschreibung. In der Mitte wollte ich dann aber wieder runter ins Tal, weil es dann der Beschreibung nach doch etwas höher gehen sollte. Den zweiten Teil wollte ich dann auf dem Rottenweg laufen – Rotten ist der lokale Name für die Rhone, die ja dort eher wilder Bergbach als ausgewachsener Fluss ist. Soweit der Plan.

Vorbereitung ist alles

Der Tag begann also mit einem sehr pünktlichen Wecker gegen 6:30 Uhr und damit deutlich eher als an einem normalen Arbeitstag. Leicht verpeilt erreichte ich aber pünktlich um sieben Uhr das Frühstücksbuffet, bevor drei Minuten später eine Busladung Engländer hereinstürmte. Frisch gestärkt mit Wurstbrötchen, Orangensaft, Kaffee und Rührei und gut informiert durch das Schweizer Frühstücksfernsehen (kein Stau in Sicht, keine Wolken in Sicht, Temperaturen über 30 Grad zu erwarten) konnte ich kurz darauf zu den finalen Vorbereitungen übergehen.

Neben dem Packen des Rucksacks musste ich vor allem noch die nagelneue Einlegesohle in den Wanderschuh hineinfummeln und natürlich den gerade getrunkenen Kaffee wieder loswerden. Kurz vor acht war es dann soweit – mein Opa hätte jetzt gesagt „der Jäger stieß auf und brach in sein Horn“. Ich hatte kein Horn zur Hand und machte mich dementsprechend in stiller Art und Weise auf den Weg, zählte aber bei der Gelegenheit die Stufen im Hotel, die ich nach der Wanderung wieder nach oben würde laufen müssen – 82 an der Zahl.

Vorm Bahnhof ging ich noch in den lokalen Supermarkt zwecks Erwerb einer Nussmischung und weiterer Getränke, sah mich dann ein wenig im Bahnhof selbst um und wartete dann am Bahnsteig auf die Züge die da kommen sollten. Zunächst mal kam da ein Zug aus Richtung Oberwald, der nach längerem Aufenthalt in Richtung Zermatt fahren sollte, während an meinem Bahnsteig noch ein Zug stand, der nach „bitte nicht einsteigen“ fuhr (wo immer das ist). Der räumte auch schnell das Gleis und ich konnte dahinter die bereitstehenden Postbusse beobachten, ungefähr zeitgleich mit den Zügen in alle möglichen Richtungen fahren würden.

Unter anderem stand dort auch ein Bus – also eigentlich ein Kleintransporter – in Richtung Simplonpass. Das war insofern relevant, als dass ich ja auch eine Wanderung geplant hatte, wo ich diesen Bus vorher nutzen wollte. Der Witz daran: Der Kleinbus war schon zehn Minuten vor der Abfahrt voll. Der Busfahrer gestikulierte beruhigend und fünf Minuten später stand ein ausgewachsener Linienbus bereit, der dann auch genug Platz bot. Das Spielchen wiederholte sich übrigens auch an den folgenden Tagen – warum sie überhaupt den Kleinbus da hinstellen müsste mir bei Gelegenheit mal jemand erklären.

Mein Zug Richtung Oberwald kam dann auch an, ich suchte mir einen schicken Fensterplatz und dann konnte es auch losgehen.

Im Frühtau zu Berge ich fahr, fallera (40.5km, 1:13h, ↗704m, ↘33m)

Für die ungefähr 40 km wird eine Reisezeit von über einer Stunde veranschlagt, was an 17 Zwischenhalten (teilweise nur Bedarfshalte) und drei Zahnstangenabschnitten liegt, die das Tempo begrenzen. Aber gut, wer es eilig hat, ist da sowieso falsch. Dafür kann man in Ruhe aus den großen Fenstern gucken und die Berge links und rechts der Strecke bestaunen.

Vorbei an den Talstationen der diversen Seilbahnen in Richtung Riederalp und Bettmeralp und wie sie alle heißen geht es da immer entlang der hier tief eingeschnittenen Rhone. Bei Grengiols (sprich „grennjols“) gibt es einen Kehrtunnel mit Zahnstange für extra starken Anstieg, da erhaschte man dann auch einen ersten Blick auf das Weisshorn in über 40km Entfernung – das war dann quasi der Polarstern für die Wanderung später. Nächster relevanter Zwischenhalt war Fiesch, danach folgt ein weiterer steiler Anstieg bis Fürgangen-Bellwald, wo eine imposante Seilbrücke das Tal überspannt. Das war das Ziel einer späteren Wanderung. Danach wird das Tal deutlich breiter (die Geologen können einem da jetzt was von Längstälern und geologischen Störungen erzählen). Hier ist man nun im Bezirk Goms angekommen. Der Zug kurvt durch verschiedene kleine Dörfer mit schwäbisch klingenden Namen (Blitzingen, Gluringen, Reckingen), vorbei an gleich mehreren Flugplätzen (Ulrichen und Münster) und so erreicht man schließlich Oberwald.

Hier ist das Tal quasi zuende, wer weiter will muss nun die Passstraßen nehmen: Grimselpass via Gletsch nach Norden, Furkapass ebenso via Gletsch nach Osten und Nufenenpass zur Südseite des Gotthardmassivs. Da gibt es auch entsprechende Postbuslinien. Die Bahnlinie führt durch den Furka-Basistunnel weiter Richtung Andermatt, im Sommer kann man zumindest an Wochenenden auch die touristische Dampfbahn Furka-Bergstrecke bestaunen (oder mitfahren, wenn man Wochen vorher reserviert hat). Das war für mich aber alles nur am Rande relevant, ich wollte ja ab Oberwald quasi wieder zurück wandern. Die einzige Sache die ich überprüfen wollte war die Umsteigerei in den Postbus Richtung Furkapass, denn die Wanderung hatte ich für einen der Folgetage eingeplant, und laut Plan hat man da nur drei Minuten zum Umsteigen. Da wollte ich also einfach nur wissen, wo der Bus abfährt.

Gommer Höhenweg

Gegen 9:40 Uhr, nachdem ich das mit dem Postbus geklärt hatte begann nun die eigentliche Wanderung. Als erste Amtshandlung wurde dick Lichtschutzfaktor aufgetragen und die breitkrempige Wanderhut aus dem Rucksack gekramt – die Höhensonne kann ja für Flachlandweißbrote wie mich schon arg gefährlich sein.

Der Weg führte mich nun sehr gut beschildert zunächst dreieinhalb Meter nach Oberwald hinein, entlang der Furka-DFB-Strecke (wo erst eine Stunde später ein Zug fahren sollte) und dann nach links in die Bergflanke hinein. Es folgte ein steiler und recht länglicher Anstieg durch den Wald, da war ich dann gleich erstmal aus der Puste. Die Morgensonne tat ein Übriges und kurbelte die Schweißproduktion an.

Nachdem ich dann die eigentliche Höhe des Wanderwegs erreicht hatte ging es nun immer am Berghang entlang Richtung West-Südwest – mit dem Weisshorn als Referenzpunkt direkt vor der Nase (wenn auch von hier rund 65km entfernt – aber mit über 4500m auch nochmal anderthalb Kilometer höher als die Berge links und rechts von mir).

Der Weg war schmal, aber gut zu laufen, kaum Wurzeln oder fiese Steine, es ging aber immer wieder mal 20-30 Höhenmeter bergauf und bergab, teilweise auch recht steil. An einigen Stellen war der Weg mit Seil zum Festhalten gesichert. Das war aber alles prima, nur die Anzahl der Bänke zum Pausieren war mir zu gering, man musste sich dann immer mal einen großen Stein oder einen Baumstumpf suchen. Auch die Bäume waren gern mal im Weg wenn es um Aussicht ins Tal ging. Das soll im westlichen Teil des Wegs besser sein, da wäre ich aber erst am Nachmittag angekommen und dann in der fettesten Nachmittagshitze unterwegs gewesen. Der Plan sah aber vor, zu dem Zeitpunkt unten im Tal an der Rhone entlang zu laufen und da den Schatten der Bäume (sofern vorhanden) zu nutzen.

Gegen Mittag hatte ich also mein Zwischenziel oberhalb von Münster erreicht. Es folgte ein steiler Abstieg hinunter ins Tal (ungefähr 200m, im Diagram gut um 13 Uhr herum zu sehen), dem ein weniger steiler Abstieg durch den Ort folgte. Vorbei am Bahnhof ging es nun bis zur Talsohle an der Rhone. Heraus kam ich am Flugplatz Münster, wo gerade ein Segelflieger letzte Vorbereitungen zum Start traf. Die Segelflieger waren schon den ganzen Vormittag unterwegs, ständig brummte die Schleppmaschine über mir herum und brachte weitere Flieger in die Luft, die sich die gute Thermik an diesem heißen Sommertag nicht entgehen lassen wollten.

Direkt danach wurde ich Zeuge einer verbalen Auseinanderseitzung zwischen einem älteren Ehepaar auf einer Radtour und einem jugendlichen Heißsporn, der rücksichtslos auf dem Mountainbike unterwegs war. Muss alles nicht sein – also letzteres, das Ehepaar wollte nur in Ruhe die Straße entlangfahren, da muss man nicht mit halbstarken Mountainbikern rechnen. Mir konnte das als gemütlichem Fußgänger eh alles egal sein – das Goms eignet sich aber im Sommer auf jeden Fall für ruhige Radtouren – die Steigungen sind überschaubar solange man im Tal bleibt. Der der Rhone-Radweg Richtung Frankreich beginnt hier, die Rennradler erklimmen von hier aus die bereits genannten Passstraßen und Mountainbike-Strecken gibts auch genug, für alle die mehr Action brauchen. Man muss halt eben nur dran denken, dass andere auch unterwegs sind und eine gute Zeit haben wollen.

Rottenweg

Die restliche Wanderung folgte nun dem Rottenweg. Der verläuft unten im Tal, immer entlang der Rhone (bzw. Rotten). Was ich allerdings unterschätzt hatte war die Tatsache dass es unten im Tal quasi keinen Schatten gibt. Man läuft lange Strecken kreuz und quer durch blanke Felder, vorbei an Campingplätzen. Hinter Reckingen machte ich nochmal eine längere Pause und stellte da dann schon fest, dass mir langsam der Getränkevorrat zur Neige ging. Es war einfach zu warm, damit hatte ich nicht gerechnet.

Im Nachhinein wäre es cleverer gewesen die Wanderung in Münster zu beenden, oder danach einen der Zwischenhalt in Biel oder Blitzingen zum Umsteigen in die Bahn zu nutzen. Da ich aber manchmal (um nicht zu sagen meistens bis quasi immer) ein sturer Ochse bin und mir vorgenommen hatte bis nach Niederwald zu marschieren, wurde eben weiter gelaufen. Zwischen Blitzingen und Niederwald war dann tatsächlich mal für ein paar Meter Schatten, dafür gab es aber zwischendurch auch nochmal kurze giftige Anstiege – nicht viel, 10 Höhenmeter oder so (das Diagramm ist da zu ungenau) – aber eben fies.

Ungefähr einen Kilometer vor Niederwald wurde schließlich die Rhone überquert, der Weg stieg ein paar Meter an bis zur Bahnlinie und nun ging es noch parallel der Gleise bis zum Bahnhof. Dort kam ich ungefähr 15:37 Uhr an. Ein Blick auf den Fahrplan verriet, dass um 15:40 Uhr ein Zug kommen sollte. Das passte ja prima.

Fassen wir also mal zusammen: Der Weg ist eigentlich super, aber in erster Linie ist es ein Radweg, teilweise asphaltiert, breit genug auch für Autos bzw. landwirtschaftliche Fahrzeuge. Läuft sich natürlich super, bietet aber keinerlei Schutz vor der Nachmittagssonne, die unbarmherzig herunterknallte.

Die ganze Wanderung belief sich am Ende auf 21.68km in 5:58h (inklusive Pausen), 955m, ↘1042m. Dabei verteilt es sich ungefähr 50/50 auf den Höhenweg und den Rottenweg.

Rückfahrt nach Brig (23.9km, 0:53h, ↗160m*, ↘715m*)

Von der Rückfahrt kann ich gar nicht viel erzählen, mir ging es nämlich plötzlich gar nicht mehr gut. Als ich am Bahnhof Niederwald aufhörte, einen Fuß vor den anderen zu setzen merkte ich ganz schnell, wie mein Kreislauf der Meinung war, nicht mehr ordentlich im Kreis laufen zu wollen. Der Blutdruck machte Übungen im Tieftauchen und ich musste mich mal ganz schnell hinsetzen – es gab nur keinen geeigneten Platz oder eine Bank oder irgendwas, nur ein paar von der Sonne beschienene steinerne Treppenstufen, an denen man sich den Hintern verbrennen konnte. Also trat ich noch drei Minuten lang von einem Fuß auf den anderen und ließ mich dann ziemlich fix und fertig im klimatisierten Zug in einen Sitz fallen.

So wirklich besser wurde es mit dem Kreislauf aber auch da noch nicht, stattdessen brach mir noch kalter Schweiß aus. Erst kurz vor Brig konnte ich wenigstens soweit grade sitzen, dass der Kopf wieder der höchste Punkt des Körpers war – vorher hatte ich mich extra flach gemacht. In Brig waren hochsommerliche Temperaturen von weit über 30 Grad, als wir um 16:33 Uhr eintrafen. Ich schaffte es mit viel Mühe unfallfrei aus dem Zug, musste mich aber noch auf dem Bahnsteig auf eine Bank setzen, zum Glück im Schatten. Da blieb ich dann auch erstmal sitzen, bis ich wieder soweit gradeaus denken konnte, wie ich nun ins Hotel zurückkommen könnte.

Der Plan lautete also: 150m Weg in den Schatten zum Supermarkt, dort Getränke erstehen und dann mal sehen. Das klappte auch, und frisch bewaffnet mit Rivella, eiskaltem Orangensaft und einem Eis am Stiel verließ ich den Laden. Das Eis verschwand in meiner großen Klappe als hätte es ein Staubsauger eingesaugt, und plötzlich gings wieder.

Ich erreichte das Hotel, schaffte sogar ohne weitere Probleme die 82 Treppenstufen bis ganz nach oben und leerte dort dann quasi in einem Zug den Orangensaft. Danach war ich auch wieder putzmunter und konnte mich den nächsten Tätigkeiten widmen: duschen und Wäsche waschen nämlich. Die Wanderklamotten wurden eingeweicht, grob gespült und zum Trocknen aufgehangen, die wurden ja für die nächsten Tage wieder gebraucht.

Den Rest des Tages verbrachte ich im luftigen Schlafanzug auf dem Bett herumgammelnd mit der Überprüfung der TV-Inhalte (viele Sender nur mit Ton statt Bild, das Programm allgemein ziemlich unterirdisch, aber irgendwo fand ich dann auch einen Schweizer Wetterbericht).

Da fürs Wochenende potentiell Gewitter und starke Wolkenbildung angesagt war und ich aber am Furkapass die Dampfeisenbahn erwischen wollte (die nur Donnerstags bis Sonntags fährt) lautete der Plan schließlich, dass ich am nächsten Morgen gleich wieder nach Oberwald fahren würde. Aber das wird dann in den nächsten Einträgen in aller unnötigen Ausführlichkeit beschrieben werden.

* Die Höhenwerte sind da wohl doch etwas schief, die Bahnstrecke führt ja doch in erster Linie nach unten, aber der GPS-Track war da auch nicht besonders genau. Bei der Hinfahrt hatte ich gar keinen Empfang, weswegen ich die Werte anhand der Streckenbeschreibung aus Wikipedia und den dort verzeichneten Höhenwerten ermittelt und das dann gegen die Strecke in OpenStreetMap geplottet. Für die Rückfahrt sind die Höhenwerte aus dem ungenauen GPS-Track. Realistischer ist ein Abstieg um rund 600m für die Rückfahrt.

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