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Album der Woche

22. März 2023, 18:22 Uhr von Uwe

Diese Woche geht es um Philosophie und Standpunkte. Denn Standpunkte, wie jeder weiß, beeinflussen die Wahrnehmung und damit auch die Wahrheit. Obi-Wan Kenobi hat es ja auf den Punkt gebracht: „Ich habe Dir also die Wahrheit erzählt, von einem gewissen Standpunkt aus.“ Und damit sind wir beim Album der Woche.

Es gab da nämlich mal ein philosophisch versiertes Trio von hochgebildeten und promovierten Menschen, welches damals (und auch heute noch) tiefschürfende Musik mit qualitativ hochwertigen Texten macht(e) und zum Beispiel vor 30 Jahren Schopenhauer, Hegel, Kant und Wittgenstein ein Denkmal setzte. Da war das Trio aber schon mit Drittbassist unterwegs, wohingegen das Album der Woche fünf Jahre vorher rauskam. Und da erzählten sie uns die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Und die lautet „Das ist nicht die ganze Wahrheit“ – was gleichzeitig der Titel des Albums ist. Richtig, wir reden von den Ärzten.

Die hatten damals – anno 1988 – ja noch ein eher zwielichtiges Image. Sie hatten drei Alben veröffentlicht, von denen zwei wegen Jugendgefährdung auf dem Index landeten (inzwischen sind sie da wieder runter, offensichtlich hat inzwischen jeder kapiert dass man die Texte der Ärzte nicht immer so ganz ernst nehmen darf). Das vierte Album – und das letzte vor der zwischenzeitlichen Auflösung bis 1993 – war nun quasi die Abschiedsvorstellung.

Auf dem Album versammeln sich also 13 Songs plus ein Hidden track, und darunter sind eine ganze Reihe Volltreffer. Auf den vorherigen Alben war noch viel Poprock zu hören, hier werden die Gitarren schon deutlich ordentlicher verzerrt. Daneben gibt es natürlich die üblichen popmusiktypischen eingängien Melodien und mehr oder minder sinnbefreite Texte.

Das eröffnende Ohne Dich ist gleich mal eine bitterböse Abrechnung mit gewissen Deppen („die Welt könnte so schön sein… ohne dich“), Blumen nimmt Vegetarier aufs Korn („ich ess Blumen, denn Tiere tun mir leid“), Elke ist bitterböse, misygyn und fat-shaming in Reinkultur (und wird deswegen inzwischen nicht mehr gespielt, auch wenns einer der bekanntesten Hits der Band ist – aber das ist bei Männer sind Schweine ja auch so), Außerirdische lehnt sich an My Generation von The Who an („mein Sexualleben ist völlig ruiniert, Außerirdische haben mein Mädchen entführt“) und Gute Zeit ist eine Ode an Spinal Tap (die Marshalls gehen bis 11). Als Bonustrack gibts noch Schwanz ab als feministischen Kampfruf (kommt auf dem Livealbum in der 10minütigen Fassung mit Publikumsgesang super).

Der eigentliche Überhit des Albums ist trotzdem Westerland. Hundertdrölfzig Spuren mit „aaaah“, softer als die Beach Boys (wie es im Booklet der Best Of beschrieben wurde). Dazu ein netter Text und eine Melodie die einem nur alle paar Jahre mal gelingt. Die Nummer ist nicht ohne Grund der wohl größte Hit der ersten Bandphase.

Fazit: Ärzte hören ist besser als Ärzte besuchen.

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