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Album der Woche

1. März 2023, 17:02 Uhr von Uwe

Das Album der Woche wird heute auf den Tag genau 50 Jahre alt, ist unbestritten einer der ganz großen Klassiker und eigentlich ist darüber von unzähligen Leuten schon alles wichtige und vor allem unwichtige darüber erzählt worden. Und genau deswegen gebe ich da jetzt auch noch meinen Senf dazu.

Beginnen wir beim Albumcover, das weder Bandname noch Albumtitel enthält – sowas trauen sich ja nur die ganz Großen wie Led Zeppelin. Stattdessen gibts ein Bild aus dem Physik-Lehrbuch. Zu sehen ist auf schwarzem Hintergrund ein Lichtstrahl, der auf ein Prisma trifft und in alle Farben des Regenbogens zerlegt wird. Das Bild ist so ikonisch, da dürfte fast jeder erkannt haben, dass es um Pink Floyd’s Meisterwerk „The Dark Side Of The Moon“ geht. (Besagte dunkle Seite gibts ja aber sowieso nicht, „matter of fact it’s all dark“ – wie man auf dem Album ja erfährt).

Das Album lässt sich mit einem Wort beschreiben: „Wahnsinn“. Das war das Konzept, dass Bassist Roger Waters als inhaltliche Klammer aller Songs vorschlug – Dinge, die den Menschen in den Wahnsinn treiben. Geld als Wurzel allen Übels, Stress und Hektik, nie Zeit zu haben, Politik im Allgemeinen und Kriege im Besonderen, und so weiter und so weiter. Daraus entstanden also neun Songs, die auf zwei LP-Seiten quasi nahtlos ineinander übergehen.

Musikalisch war man nach den ausufernden psychedelischen Experimenten der Anfangsjahre deutlich kompakter unterwegs, die modernste Studiotechnik wurde aufgefahren und Toningenieur Alan Parsons (später mit eigener Band erfolgreich) zauberte einen glasklaren Sound, bei dem die ganzen Effekte (Herzschlag, Sprachfetzen, Weckerklingeln, Registrierkassen und so weiter) ihren Platz im Großen Ganzen finden. Das Album ist eines der wenigen, wo sich eine gute Surroundanlage wirklich lohnt, der Surroundmix ist allererste Sahne, wenn die Gesprächscollagen aus allen Ecken auf einen Einprasseln und die Kassen im Kreis klingeln ist das schon sehr speziell.

Man nehme sich also ein Glas Rotwein, mache es sich auf dem Sessel gemütlich und starte das Album. Es beginnt mit einem langsam eingeblendeten Herzschlag, unverständlichen Gesprächsfetzen, diversen Geräuschen, steigert sich zu einem Schrei und nach gut einer Minute ist der Opener Speak To Me auch schon direkt in das Stück Breathe übergegangen. Inhaltlich beschreibt es so etwas wie die Geburt und unbeschwerte Kindheit und den Ausblick auf das möglicherweise eintönige Leben als Erwachsener in den Fängen der modernen Gesellschaft – „Long you live and high you fly, but only if you ride the tide. Balanced on the biggest wave, you race towards an early grace.“

Damit geht das Stück auch nahtlos in On The Run über, ein weiteres Instrumentalstück, welches das Thema Reisen bzw. konkreter Flugangst zum Inhalt hat. Musikalisch wird das Stück von einem Synthesizer-Loop vorangetrieben, was eine konstante Hektik und Ruhelosigkeit verbreitet – passend zu den Emotionen die man zum Beispiel an Flughäfen oder Bahnhöfen gerne mal hat. Mit dem Klang eines abstürzenden Flugzeugs endet dieser Alptraum.

Man hört tickende Uhren, und schon fangen aus allen Ecken irgendwelche Wecker an zu klingeln. Richtig, das nächste Stück heißt konsequenterweise Time. Im mehrminütigen Intro des Songs läuft in der Basslinie wieder der Herzschlag aus dem Albumanfang mit, jetzt aber eingebettet in die Rhythmik diverser Percussioninstrumente – „ticking away the moments that make up a dull day“. Der Song beginnt, die Zeit rast, und plötzlich stellt man fest, dass nicht nur der Song fast schon wieder vorbei ist: „And then one day you find ten years have got behind you. No one told you when to run, you missed the starting gun.“ Carpe diem und so. Lyrisch ganz großes Kino hier. Zum Ende des Songs wird dann das eröffnende musikalische Thema aus Breathe nochmal aufgegriffen.

Den Abschluss der ersten LP-Seite bildet The Great Gig In The Sky, ein quasi Instrumentalstück zum Thema Tod und Trauer, bei dem Gastsängerin Clare Torry die fünf Stufen der Trauer lautmalerisch durchleidet, mal flehend, mal wimmernd, mal schreiend – auf jeden Falle aber höchst beeindruckend in der schieren interpretativen Performance.

Die zweite LP-Seite beginnt mit dem Klappern der Kassen und den Geräuschen von Münzwürfen, eingespielt in einem Loop auf einem 7/4-Takt eines markanten Bass-Riffs. Money dürfte einer der bekanntesten Songs von Pink Floyd sein – „money, so they say, is the root of all evil today“ (stimmt auch nach 50 Jahren noch). Mittendrin gibts dann noch ein Solo im 4/4-Takt (der Legende zufolge soll Gitarrist David Gilmour nicht in der Lage gewesen sein, auf 7/4 zu solieren).

Auf jeden Fall blendet das Stück dann direkt in die längste Nummer der Scheibe über. Us And Them dreht sich um das Thema Krieg in relativ abstrakter Form (ein Thema, dass Roger Waters später noch häufig und sehr viel plakativer nutzen sollte) – „‚Forward!‘ he cried, from the rear and the front rank died. The general sat and the lines on the map moved from side to side“. Man kann den Text aber auch auf sämtliche anderen Formen von Konflikten münzen, seien sie nun persönlicher oder anderer Natur. Nach knapp acht Minuten und ein Saxofon später geht der Song direkt in das Instrumentalstück Any Colour You Like über – möglicherweise auf Henry Ford gemünzt, der ja auch Autos in allen Farben verkaufte – solang sie schwarz waren. Die Wahlfreiheit ist ja wie so oft im Leben nur eine Illusion, und ob man nun die eine Partei oder die andere wählt, über Ohr gehauen wird man so oder so.

Und damit wären wir dann beim Wahnsinn angekommen. Brain Damage ist auf das frühere Bandmitglied Syd Barrett gemünzt, der in einer unheilvollen Kombination aus Schizophrenie und LSD irgendwann in den späten Sechzigern den Verstand verloren hatte: „You lock the door and throw away the key, there’s someone in my head but it’s not me.“ Hier taucht nun auch die namensgebende dunkle Seite des Mondes auf: „And if the band you’re in starts playing different tunes, I’ll see you on the dark side of the moon.“ Auch das ist eine direkte Anspielung auf Barrett.

Damit geht nun auch dieser Song nahtlos in das abschließende Eclipse über. Hier wird nochmal alles aufgezählt, was das Leben so ausmacht: „All that is now, and all that is gone, and all that’s to come“ – das Leben, das Universum und der ganze Rest quasi. Und alles, also wirklich alles, steht unter einem zentralen Einfluss: „And everything under the sun is in tune, but the sun is eclipsed by the moon.“ Und damit blendet die Musik aus, zurück bleibt der Herzschlag des Albumanfangs und die unsterblichen Worte des damaligen Pförtners der Abbey Road-Studios:

„There is no dark side of the moon, really. As a matter of fact it’s all dark.“

Fazit: Einer der unbestritten ganz großen Klassiker der Rockgeschichte, muss man kennen, blablabla. Das Album muss man sowieso am Stück gehört haben, und optisch macht das natürlich mit der großen Lightshow noch viel mehr her: Live PULSE (1994)

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