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Album der Woche

21. Juli 2022, 20:49 Uhr von Uwe

Bei den heutigen Nachrichten musste ich spontan an meinen alten Physiklehrer denken. Der nannte mich nämlich gern „uns Uwe“, weil ich derjenige war der im Kurs mal wieder drankam wenn alle anderen nix wussten… Und nun isser gestorben. Also nicht der Physiklehrer (keine Ahnung wie es dem geht), sondern uns Uwe. Also nicht ich, sondern der Namensvetter, bekannt vom Fußballfeld und diversen WM-Spielen. Tja, keine rosigen Aussichten für den HSV so ohne moralischen Kompass…

Trotz dieser gar nicht mal so rosigen Überleitung ist das Album auch nicht von Guns N’Roses, obwohl deren Debüt „Appetite For Destruction“ heute 35. Geburtstag feiert. Es ist zwar eins der wichtigsten Debütalben der Rockgeschichte, für mich ist da aber abgesehen von den Übersongs Welcome To The Jungle, Sweet Child O’Mine und Paradise City zu wenig bahnbrechendes dabei. Hartes Urteil, aber so isses halt. Stattdessen gibt es zwei Alben der Woche von Judas Priest. Warum? Mit Recht – immerhin feiern zwei Alben (semi)runden Geburtstag.

Das erste Album hört auf den schönen Namen „Sin After Sin“ (sehr passend für eine Band mit diesem Namen) und erschien 1977. Das Album war das dritte der Bandgeschichte, und das erste welches auf einem großen Label auf die Welt losgelassen wurde. Außerdem tourte die Band im Vorprogramm von Led Zeppelin, was damals so ziemlich das Allergrößte gewesen sein dürfte. Die Scheibe enthält noch nicht den später so typischen Klang, sondern enthält noch viele Einflüsse aus dem eher bluesigen Hardrock der Siebziger, weist aber schon in die Richtung späterer Großtaten.

Unter den acht Stücken sind mal locker drei Klassiker, dazu zwei sehr untypische Balladen und ein Rausschmeißer der später von Slayer gecovert wurde (Dissident Aggressor). Kann man schon mal machen. Insbesondere die A-Seite enthält ordentlich Highlights. Das beginnt beim Quasi-Titelstück Sinner und dem hymnischen Starbreaker und hört bei der Ballade Last Rose Of Summer noch nicht auf. Mein persönliches Highlight des Albums ist nämlich Diamonds & Rust, eine Coverversion von – man höre und staune – Joan Baez. Das folkige Stück über ihre Liebe zu Bob Dylan wird durch einen elektrifizierten Fleischwolf gedreht und wird bis heute live gerne ausgepackt.

Das von Ex- und später bis heute wieder Deep Purple-Bassist gemixte Album ist sicher nicht das größte Highlight der Priesterkarriere, ist aber ein unverzichtbares Bindeglied um den Werdegang der Band hin zum sich gerade erst entwickelnden Heavy Metal zu verstehen.

Das zweite relevante Album gehört hingegen in eine ganz andere Kategorie, nämlich in die der unverzichtbaren Klassiker – von denen die Priester ja so ungefähr ein halbes Dutzend erschaffen haben. Die Rede ist vom 1982 erschienenen „Screaming For Vengance„. Die Scheibe kaufte ich mir im Sommer 2000 zusammen mit den damals gerade erschienenen Universal Migrator-Scheiben von Ayreon in einem Elektronikfachmarkt in Berlin (das weiß ich zufällig noch weil ich damals bei der Armee da in der Ecke war und mir dann Freitag nachmittags Berlin anguckte wenn ich schon mal vor Ort war). Daheim angekommen wanderte die CD in den Player meines Bruders und eine Minute später musste ich mir den Unterkiefer wieder einrenken. Nein, mein Bruder hat mir keine gescheuert, sondern das eröffnende Instrumental „The Hellion“ hatte mich umgehauen. So und nicht anders müssen nämlich doppelte Gitarren klingen.

Man muss hier mal kurz den historischen Kontext beleuchten: Nach dem alles überragenden „British Steel“ wurde das Nachfolgealbum „Point Of Entry“ als zu kommerziell angesehen (Metal-Fans können ganz schön voreingenommen sein). Nun suchten und fanden die Priester beim Nachfolger die genaue Mitte zwischen Heavy Metal und kommerziellem Sound und räumten damit in Europa wie in Nordamerika ganz groß ab. Aber zurück zum abgeschraubten Unterkiefer:

Besagtes Instrumental geht nahtlos in Electric Eye über, einen der größten Klassiker der Bandgeschichte. Das Doppel wird bis heute gern als Opener für Konzerte verwendet, was alles über die Bedeutung sagt. Auch die restlichen Stücke sind allesamt zwischen sehr gut und Weltklasse – mit Ausnahme der eher verzichtbaren Coverversion (Take These) Chains. Zur Weltklasse zu zählen sind in jedem Fall You’ve Got Another Thing Comin‘ und Screaming For Vengeance, mit Abstrichen noch Riding On The Wind und Bloodstone. Auf der B-Seite wirds dann tendenziell etwas schwächer, aber insgesamt ist das Album hervorragend gealtert und stellt zusammen mit dem Nachfolger „Defenders Of The Faith“ den Höhepunkt der kommerziellen Glanzphase der Priester in den frühen 1980ern dar.

Fazit: Klassischer Heavy Metal mit doppelten Gitarren wurde selten so auf den Punkt gebracht wie hier, die Scheibe gehört in die Top 5 der Priest-Diskographie. Muss man kennen, und ich muss mir jetzt nochmal dieses Eröffnungsstück in passender Lautstärke reinziehen.

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