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Comfort fürn Arsch

4. Oktober 2019, 16:59 Uhr von Uwe

Letzte Woche hab ich eine Mail von der Deutschen Bahn erhalten. Als guter Kunde hab ich jetzt wohl BahnComfort Status und kriege deswegen ganz tolle neue Zusatzleistungen. Inzwischen hat mein Lachkrampf langsam nachgelassen, deswegen kann ich da jetzt auch mal was konstruktives dazu schreiben…

Was ist BahnComfort (abgesehen von beschissenem Denglisch und eine Vergewaltigung der Orthografie und des guten Geschmacks)? Das ist so eins von diesen lustigen Kundenbindungsprogrammen für Vielfahrer, und davon gibts bei der Bahn mehrere.

Zunächst mal existiert da BahnBonus – dort kann man quasi Kilometer sammeln und das dann gegen Freifahrten und sowas eintauschen. Das ist zumindest insofern interessant als dass man da eine Freifahrt quer durch Deutschland zusammensammeln kann… dauert bei meiner üblichen Reiserei auch nur rund zwei Jahre…

Der größte Witz an der Sache ist aber, was man da so an Prämien kriegen kann: Freifahrten lass ich mir gefallen, Upgrades in die erste Klasse auch (obwohl sie mir nix bringen, da ich eh erstklassiger Kunde bin), aber schon bei Genussgutscheinen fürs Bordrestaurant hört der Spaß auf – wenn ich Essen genießen will geh ich ins Restaurant nachdem ich am Ziel angekommen bin (oder buche mal wieder eine Fahrt im Glacier Express). Die Sachprämien sind hingegen in meinen Augen ein riesengroßer Witz – was will ich denn mit Schlagbohrmaschinen, Toastern, Armbanduhren oder Kopfhörern? Oder – besonders witzig – einem Guthaben fürs Carsharing? Was soll das denn für ein Zeichen sein, wenn man als besonders treuer Bahnkunde besonders viele Punkte sammelt um sie dann für einen Autofahrt einzulösen? Trotzdem sammel ich da dusslig meine Punkte, irgendwann wird halt mal eine Freifahrt bei rumkommen.

So, und nun bin ich also neuerdings BahnComfort-Kunde. Zu verdanken hab ich das wohl meiner Urlaubsfahrerei nach Berlin und München und Hamburg. Wie auch immer, damit hab ich nun ganz tolle neue Möglichkeiten *hust*

Servicetelefon

Es gibt eine extra Hotline für BahnComfort-Kunden. Ich glaub das ist die letzte Nummer die ich bei einem Problem mit der Bahn anrufen würde. Die meisten Infos kann ich mir über meinen Taschencomputer suchen, und mehr als „es geht nix mehr“ können sie mir an der Hotline dann auch nicht sagen. Ich benötige die Hotline auch nicht für die beworbenen Dinge wie Reservierungen (von Parkplätzen, Hotelzimmern oder Mietwagen). Und meinen BahnBonus (oder Bahn.bonus? Die Bahn scheint sich selbst nicht einig zu sein) Punktestand kann ich auch online abfragen, da brauch ich keine Hotline für.

DB Reisezentrum

Im Reisezentrum werd ich angeblich bevorzugt behandelt. Tja… das nächstgelegene Reisezentrum ist sechs Kilometer weit entfernt. Das letzte Mal war ich dort, als ich vor vier Jahren meinen Deutschlandpass erwerben wollte, den gabs nämlich nur auf Papier. Egal ob comfort oder nicht, damit ich ein Reisezentrum betrete muss schon was sehr spezielles passieren (wie ein Zugausfall in Singen mit anschließender Randale im Reisezentrum, hihi). Die „kürzere Wartezeit“ können sie also mal gepflegt vergessen, mein Rechner ist schneller, und wenn mir der Service nicht passt brauch ich nur in den Spiegel zu gucken um zu wissen wer Schuld hat.

Sitzplatzreservierung/Sitzbereiche

Es gibt extra Plätze, die nur für BahnComfort-Kunden reserviert werden können. Toll, juckt mich nicht im geringsten, wenn mir das System anzeigt dass der Zug ausgebucht ist, such ich mir eine alternative Verbindung. Bei den wenigen größeren Fahrten die ich mache hab ich diese Freiheit in aller Regel, bin ja zum Glück kein Wochenendpendler oder so. Und wenn der Zug so voll ist, dass nur noch über die freigehaltenen BahnComfort-Plätze ein Sitzplatz zu finden ist (und man keine Reservierung hat, was ich aber nach meiner ersten derartigen Fahrt im ICE vor weit über 10 Jahren nicht mehr mache) ist es eh unmöglich sich zu diesen Plätzen durchzuschlagen und dann noch die dort sitzende Person davon zu überzeugen sich doch bitte zu erheben weil man ja ein VIP ist… (hat diesen Satz auch wirklich jeder Leser kapiert? ;-))

Mal abgesehen davon kann man in Regionalzügen eh nix reservieren (und es gibt verdammt lange Strecken, die man nur im Regionalverkehr befahren kann).

DB Lounge

Früher hatten wir einen Kaiser. Der hieß Beckenbauer. Und noch früher hatten wir einen anderen Kaiser. Zu dieser Zeit (als man nicht Beförderungsfall, sondern Reisender war) gabs noch sowas wie Wartesäle am Bahnhof. Da konnte man sitzen und einen Happen essen und auf den pünktlich abfahrenden Zug warten. Die DB Lounge ist nun die moderne Variante des Wartesaals, allerdings darf halt nur der BahnComfort-Kunde rein und kriegt dort Tageszeitungen und kostenlose Getränke. Voll toll. Nur… es gibt in ganz Deutschland genau 15 Bahnhöfe mit einer solchen Lounge. Und regelmäßig unterwegs bin ich auf keinem davon – in Nürnberg oder Leipzig steige ich höchstens um, da hab ich keine Zeit für Loungeaufenthalte.

Das viel größere Problem ist aber ein ganz anderes: Bei der notorischen Unpünktlichkeit der Bahn warte ich doch viel lieber am Bahnsteig direkt. Da hab ich die Anzeigen im Blick, höre die Durchsagen, kann mir ein Bild davon machen wo wie viele Leute warten und kriege viel eher mit was los ist. Und selbst wenn ich mal Zeit hab und zufällig grade in einem Bahnhof mit Lounge herumstehen sollte geh ich doch lieber in den nächstgelegenen Buchladen. Dieses ganze Gelounge ist also nur Augenwischerei für Leute die Wert drauf legen als was besseres wahrgenommen zu werden. Hab ich nicht nötig, ich weiß was ich wert bin 😉

Achja, Zutritt zu Lounges gilt auch bei europäischen Partnerbahnen – da gibts aber nur Lounges in Orten wo ich so schnell nicht hinkommen werde.

Parkplätze

Ha, der große Witz – es gibt extra Parkplätze für BahnComfort-Kunden. Warum zum Kuckuck diese das Auto am Bahnhof parken anstatt direkt zum Ziel zu fahren erschließt sich mir zwar nicht, aber ich hab das Problem ja nicht – ich fahr nicht Auto und brauche deswegen null Parkplätze. Mal abgesehen davon dass es die Parkplätze an noch weniger Bahnhöfen gibt als die Lounges, nämlich an 10 Bahnhofen in ganz Deutschland. Diese 10 sind dabei noch nicht mal eine Untermenge der Bahnhöfe mit einer Lounge…

Vorteile bei verschiedenen Hotelketten und Mietwagenbuchungen und sonstigen Partnern

Ohne großes Palaver, Rabatt auf Hotelzimmer und Mietwagen. Tja, buche ich ja auch beides so wahnsinnig häufig… Gleiches gilt für Ski- und Snowboardverleih und das Einkaufen im Bahnshop.

DB Museum

Freier Eintritt in die Museen der DB. Hilft natürlich nur, wenn man in der Nähe von Halle/Saale, Koblenz oder Nürnberg ist. Huch, Moment mal, Nürnberg ist ja tatsächlich um die Ecke, und das letzte Mal war ich ca 2006 da… Ha, endlich eine Prämie die ich nutzen könnte! Juhu!

Fazit

Ganz ehrlich, die Vorteile sind fürn Arsch. Wenn die Bahn wirklich was für mich als Kunden tun will, hätte ich hingegen ganz tolle Vorschläge:

  • pünktliche Züge (und damit meine ich nicht die „maximal 5 Minuten verspätet“ Augenwischerei, sondern auf die Minute, dass ich die Uhr danach stellen kann)
  • vernünftige Anschlüsse beim Umsteigen (also kein Gehechel von einem Ende des Bahnhofs zum anderen, sondern kurze Wege oder entsprechend kalkulierte Umsteigezeiten)
  • Fahrplanstabilität auch bei windigem Wetter
  • funktionierende Türen und Toiletten, leere Mülleimer und eine grundlegende Sauberkeit des Zuges innen wie außen
  • keine kurzfristig veränderten Wagenreihungen wegen Fahrzeugmangel oder geänderten Laufwegen
  • Mehr Personal, grade in der Fläche – hilft beim schnellen Beheben von Kleinigkeiten oder auch beim Räumen von Schnee und Eis
  • ausreichend Kapazitäten auch im Berufsverkehr, sei es durch engen Takt oder entsprechend lange Züge oder beides – einfach mal je nach Bedarf die Züge durch weitere Waggons zu stärken/schwächen ist ja etwas aus dem letzten Jahrtausend und daher völlig out
  • bequemere Sitze, grade im ICE 4 (die Sitze im ICE 1 oder gar in den Schweizer IC2000 wären ein Traum), vom Regionalverkehr will ich gar nicht reden
  • ausreichend Platz für Gepäck (Überraschung, Leute haben Koffer dabei wenn sie zum Flughafen fahren)
  • keine Wandfensterplätze (ein absolutes Unding vor allem in der ersten Klasse)
  • Wiedereinführung der InterRegios oder eines vergleichbaren Konzeptes unterhalb des ICE, aber oberhalb des Regionalverkehrs – abseits der Schnellfahrstrecken lohnt ein ICE nicht

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