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Urlaub Tag 7: Umsteigeritis

6. August 2018, 20:31 Uhr von Uwe

Das ist schon faszinierend, man fährt da acht Stunden mit dem Zug und es wird nicht langweilig. Sinngemäß sowas sagte mein Vater vor Jahren über den Glacier Express. Mit dem fuhren wir zwar nicht, und damit trotzdem keiner unterwegs einschlief wurde alle paar Stunden das Umsteigen geübt…

Etappe 1: Wiederholung des Vortages (bis Bern)

Der Tag begann mit einem Schreckmoment meinerseits – ich guckte verpeilt kurz nach sechs nämlich nochmal auf den Fahrplan und stellte fest, dass ich am Vorabend die falsche Abfahrtszeit ausgegeben hatte – eine halbe Stunde zu spät nämlich. Also wurde spontan noch eine hochdringliche elektronische Nachricht verschickt, bevor man sich dann pünktlich zum Frühstück bequemte. Inzwischen hatten wir den Dreh ja raus, wie das mit den asiatischen Reisegruppen und dem heißen Kampf am kalten Buffet so lief, ergo ging das alles sehr gemütlich ab.

Es folgte nun der bereits vielfach erprobte Zug um 8:19 ab Grindelwald hinunter Richtung Interlaken. Einzige Abwechslung heute war (wenn ich das jetzt aus dem Gedächtnis richtig zusammenkriege) das kaputte Wanddisplay (Testbild in RGB Farbflash statt Anschlussanzeige) und fehlende Durchsagen über den Halt in BurgLAUenen… Störte jetzt nicht wirklich weltbewegend. Das Wetter war auch nicht wirklich störend, es gab jede Menge tief in den Berghängen herumgammelnde Wolken, aber es war zumindest trocken.

In Interlaken war erneut Umsteigen angesagt nach Bern, was wir ja auch so schon ganz genauso 24h früher gemacht hatten. Ich nutzte die Zeit für ein kleines Nickerchen (oder sowas ähnliches, für richtiges Schlafen reichte die Zeit ja nicht). Und schon waren wir plötzlich und unerwartet in Bern angekommen, welches sich heute aber wesentlich bewölkter als am Vortag präsentierte.

Etappe 2: Bern-Neuchâtel

In der Bundeshauptstadt hatten wir nun ungefähr eine Viertelstunde Zeit, den richtigen Bahnsteig für den folgenden Zug zu finden. Dieser sollte uns nach Neuchâtel bringen, mithin also in den Teil der Schweiz, wo man so komisch redet. Wir waren auch nicht die einzigen, die in diese Richtung wollten, der Zug – naja, Triebwagen mit S-Bahn-Charakter – wurde gut voll, zumal noch mehrere Damen mit Velo im Gang parkten und nebenbei die berittene Schweizer Gebirgsmarine auf dem Weg ins Wochenende war (soll heißen diverse uniformierte verschlafene Wehrpflichtige unterwegs waren).

Das Wetter wurde auch auf dem Weg Richtung Westen nicht besser, grau in grau mit Einsprengseln von… grau. Die Sichtweite variierte zwischen Sicht bis zum Horizont (da waren meistens Berge) bis null (da waren wir im Tunnel), und zwischendrin tropfte es auch immer mal wieder von oben herab. Mein Bruder verschlief die ganze Zuckelei (wir stoppten ja alle Nase lang in Kuhkäffern in der Mitte von nirgendwo), meine Mutter guckte Obstplantagen an und mein Vater guckte undefiniert ausm Fenster. Klingt ungefähr so langweilig wie es in dem Augenblick auch war.

Erst kurz vor Neuchâtel wurde es interessanter. Zum Einen verstand man plötzlich die Tonbandansagen nicht mehr so gut (Deutsch kann ich fließend, Englisch auch, Fluchen und C++ auch, nur mit der französischen Sprache hab ichs nicht so, wenns um mehr als ein Bier bestellen geht). Und die sind ja auch sehr eigen – in allen Bereichen der Schweiz kommen die Ansagen mehrsprachig auf Deutsch und Englisch (Zentralschweiz), oder Italienisch und Deutsch (Tessin), oder Deutsch, Englisch und Rätoromanisch (Graubünden). Nur die franzmännische Schweiz stellt sich hin und sagt „Vous parlez francais ou vous avez un problème.“ (oder so ähnlich, ist echt lange her)

Kurz vor Neuchâtel gabs dann linkerhand wenigstens den Neuenburgersee zu sehen, und kurz darauf waren wir dann auch schon wieder am Umsteigen.

Etappe 3: Neuchâtel-Lausanne

Die Durchsage am Bahnsteig laberte dann irgendwas von „huit minutes de retard“, was mich unwillkürlich zusammenzucken ließ. Zum Einen weil die Schweizer ja sonst so stolz auf ihre Pünktlichkeit sind, zum Anderen weil der Anschluss in Lausanne dann gleich mal knapp werden würde. Aber erstmal mussten wir ja nach Lausanne hinschaukeln, im wahrsten Sinne des Wortes, war der Zug doch ein IC mit Neigetechnik.

Links lag immer noch Wasser in Seeform, rechts fiel Wasser in Regenform, das war also grade alles mal eher zum Vergessen, nur am Horizont konnte man je nach Richtung die eine oder andere helle Ecke sehen, Richtung Genf zum Beispiel. Mein Bruder verschlief noch immer alles, meine Mutter guckte immer noch Obstplantagen an und ich guckte nervös auf die Uhr und ärgerte mich über den miesen Empfang, der mich beim Raussuchen von alternativen Verbindungen störte.

Kurz vor Lausanne hatten wir dann noch sechs Minuten Verspätung, bei geplant fünf Minuten zum Umsteigen. In -1 Minute von Bahnsteig 3 einmal quer rüber nach Bahnsteig 4 kullern ist selbst in der Schweiz sportlich. Ich hatte aber gar keine Lust auf Sport (weil Urlaub und so), zumal eine knappe halbe Stunde später eh der nächste Zug fahren würde. Also sahen wir uns ganz gemütlich auf dem Bahnsteig um, ließen den wartenden Zug abfahren (man hätte ganz bequem umsteigen können, selbst mit Gepäck, sehr vorbildlich die Schweizer).

Etappe 4: Lausanne-Brig

Der Bahnhof war jetzt aber auch nicht so wirklich der Bringer, also gings eine knappe halbe Stunde später tatsächlich unaufgeregt weiter. Erfreulicherweise gabs gute Sitzplätze in Fahrtrichtung rechts, denn da hat man Blick auf See und Berge, während man links nur Blick auf Leute hat, die rechts See und Berge angucken. Viel See gabs dann aber auch gar nicht zu sehen, zumindest nicht am östlichen Ende des Sees, da stauten sich die Wolken.

Wir gurkten da also schön am Seeufer bei ziemlichem Sauwetter in Richtung Montreux, vorbei am Schloss Chillon und dann hinein ins Rhônetal. Die Berge links und rechts wurden höher, und dazwischen stapelten sich nun die ganzen doofen Regenwolken und sorgten für eine Komplettwäsche des Zuges. Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen: Mein Bruder verpennte schon wieder oder immer noch alles, meine Mutter bestaunte erst abwechselnd Äpfel-, Birnen- und Pfirsichplantagen und anschließend Chemieproduktionsanlagen, und mein Vater guckte sich die schöne Landschaft an.

Ab dem großen Knick im Tal bei Martigny wurde das Wetter dann langsam besser. Offenbar war den Wolken der Knick in der Flugbahn zu doof. Und irgendwann kam dann sogar die Sonne wieder raus, während die Durchsagen plötzlich auch wieder für Durchschnittsdeutsche verständlich vorgetragen wurden. Und schon wenige Minuten später hießen die nächsten Halte auch schon Visp und Brig, was für uns erneutes Umsteigen bedeutete.

In Brig hatten wir nun dank der Reiseplanänderung in Lausanne eine gute halbe Stunde statt nur vier Minuten Zeit zum Umsteigen. Das nutzten wir für ein Absuchen des Bahnhofes nach Prospekten für den Glacier Express, der ja in Brig einen Zwischenstop einlegt. Mein Bruder (jetzt ausnahmsweise mal nicht schlafend, sondern aufrecht gehend) hatte nämlich einem Arbeitskollegen gesagt, dass er mal nach solchen Prospekten schauen würde. Blöderweise gab es in dem gesamten vermaledeiten Bahnhof nicht ein einziges dussliges Prospekt zu dem Vorzeigetouristenzug der Schweiz… Sowas ist doch ärgerlich.

Etappe 5: Brig-Spiez

Zur Besänftigung wurde dann weiter Bahn gefahren, und zwar in Richtung Norden, zurück in Richtung Interlaken. Da gibt es ja nun zwei Varianten – mit dem langweiligen Basistunnel unterm Berg durch oder mit schicken Ausblicken und einem immer noch über 10km langen Tunnel über den Berg drüber. Als ordentlicher Touristenführer dirigierte ich die Reisegruppe also folgerichtig zum Regionalzug in Fahrtrichtung links, damit man auch den Blick ins Tal und nicht nur auf die Felswand hatte.

Meine Mutter guckte sich erst die Chemieanlagen in Visp an und staunte dann Bauklötzer als ich ihr unterwegs die Einzelheiten meiner Wanderung an der Lötschberg-Südrampe vom letzten Jahr erzählte, so mit Baltschiedertalbrücke, Bietschtalbrücke, Viktoriafelsen und so weiter und so fort, verziert mit ungefähren Höhenangaben, während unter uns das Rhônetal immer tiefer entschwand. Dann bog der Zug Richtung Norden ab, man kommt noch am Autoverlad von Goppenstein vorbei und dann wirds dunkel – Lötschbergtunnel bis Kandersteg.

Während das Wetter im Wallis (also auf der Südseite) trocken und sogar einigermaßen sonnig war, gabs auf der Nordseite das komplette Kontrastprogramm mit Wolken und Regen und allem was man so beim Wandern nicht haben will. Landschaftlich ist das natürlich beim Bahnfahren trotzdem alles sehr reizvoll, vor allem wenn man ungefähr weiß wo man hingucken muss. Die Strecke schlängelt sich ja mit mehreren 180°-Kehren die Nordseite hinunter ins Kandertal.

Für Trubel auf dem letzten Abschnitt Richtung Spiez sorgte dann nur noch eine Gruppe von Grundschülern auf einem Ausflug, da war entsprechend etwas mehr Chaos im Zug. Und in Spiez waren dann auch Gruppen von Pfadfindern oder ähnlichen Truppenteilen unterwegs.

Etappe 6: Spiez-Interlaken Ost-Grindelwald

Beim öchzigste Befahren der restlichen Strecke bis hinauf nach Grindelwald kann nun kurz zusammengefaßt werden mit „alles nach Fahrplan“. Das Wetter war immer noch recht wenig brauchbar fürs Wandern, aber so völlig verregnet wie es angekündigt worden war, war es am Ende dann doch nicht gekommen. Wir hatten einiges von der Schweiz gesehen, auch einiges an Höhenmetern gemacht, und schließlich waren wir 17 Uhr zurück im Hotel.

Hier war nun erstmal Kofferpacken angesagt für die Abreise am nächsten Tag, und danach standen Kartentricks auf dem Programm: Mein Vater wollte die Hotelrechnung bezahlen, mit Karte, und die Karte wollte nicht so wie mein Vater, weil das Tageslimit der Karte nicht ausreichte. Weil aber der Trend zur Zweitkarte geht und man mit einer Kreditkarte dann auch gute Karten hat ging das dann nach einigem Hin und Her mit der freundlichen sächsischen Hotelangestellten dann auch. Zumindest dauerte die Aktion lange genug dass wir uns danach einig waren dass es blöd wäre sowas erst am nächsten Morgen fünf Minuten vor Abfahrt des Zuges machen zu wollen.

Als krönenden Urlaubsabschluss gabs dann das letzte Abendmahl. Wir hatten uns zwar nicht viel bewegt, aber das Steak von gestern befriedigt ja nicht den Appetit von heute, also gabs Rumpsteak mit Pommes und Gemüse und zum Nachspülen Bier und einen Eisbecher. Das ließ wenige Wünsche offen, und ein bisschen wehmütig wurde man schon, dass der ganze schöne Urlaub schon wieder vorbei war. Aber so ganz vorbei würde er ja erst am nächsten Tag nach der Rückfahrt in den großen Kanton (aka Deutschland) sein, und diese Rückfahrt hatte ihre ganz eigenen Überraschungen in petto.

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