Kategorien

Archive

Kalender

September 2015
M D M D F S S
 123456
78910111213
14151617181920
21222324252627
282930  

Im wilden Osten unterwegs

28. September 2015, 20:00 Uhr von Uwe

An meinem Geburtstag war ich unterwegs von Leipzig nach Güsten – da sollte es frisch gegrilltes und Bier geben. Und weil ich die direkte Strecke(n) von Leipzig nach Güsten schon alle kenne, war ein, ähem, kleinerer Umweg Bestandteil der Route.

Verkehrsgeographie

Es gibt ja verschiedenste Möglichkeiten, vom Bahnknoten Leipzig zum ehemaligen Bahnknoten Güsten (inzwischen isses ja nur noch ein ganz ganz klitzekleiner Knoten) zu kommen. Die üblichen Wege führen dabei entweder zuerst nach Dessau und von dort über Köthen zum Ziel, man kann genauso gut aber auch über Halle nach Köthen fahren, oder man probierts aus der anderen Richtung und erreicht das Ziel von Halle aus über wahlweise Sandersleben oder Aschersleben. Für Leute mit zu viel Geld geht auch die Verbindung mit dem IC bis Magdeburg und dann wieder ein Stück zurück. Und was haben all diese Verbindungen gemeinsam: Ich kenne sie schon.

Nun fiel ja aufgrund Personalmangel (also nicht mangelhaftes Personal, sondern schlicht keine Lokführer vorhanden) der Zugverkehr zwischen Aschersleben, Köthen und Dessau mehr oder weniger komplett aus. Damit waren die meisten direkten Routen eh nicht befahrbar, ein Haken über Erfurt war aufgrund von Bauarbeiten und Streckensperrung ebensowenig attraktiv, also wurde es eine schöne Rundreise durch eine Gegend, in die ich sonst nie gekommen wäre und so schnell wohl auch nicht mehr kommen werde.

Auf historischen Gleisen

Die Fahrt begann also kurz nach 9 Uhr morgens nach erfolgreichem Checkout im Hotel und dem Erwerb von kalorienreichem Reiseproviant beim Bäcker. Das erste Teilstück führte mich via Eilenburg, Falkenberg und Doberlug-Kirchhain nach Cottbus. Das sind dann gleich mal zwei markante Turmbahnhöfe mit wichtiger Kreuzungsfunktion zwischen Ost-West und Nord-Süd Verkehren, wobei die Bedeutung früher noch wesentlich höher war.

Man muss ja die Bahnstrecken wie auch alle anderen Verkehrswege im historischen Kontext sehen, und da baute man zum Beispiel eine Bahnstrecke von Halle nach Eilenburg und weiter nach Cottbus in einem Maße aus, das heute unverständlich erscheint. Erst wenn man mal die sächsische Staatsgrenze in die Betrachtung mit aufnimmt und bedenkt, dass vor 150 Jahren Sachsen und Preußen nicht unbedingt die dicksten Freunde waren, wird ersichtlich, warum man diese Strecken so und nicht anders plante.

Ähnliches gilt für den aus heutiger Sicht völlig überdimensionierten Bahnhof Falkenberg, der aber eben vor gut 100 Jahren ein äußerst wichtiger Güterverkehrsknoten im Preußischen Eisenbahnnetz war. Damals verliefen die Hauptverkehrsrouten auch noch völlig anders als heute. In Doberlug-Kirchhain schließlich kreuzt man lediglich die Bahnstrecke von Dresden nach Berlin, ansonsten gibts da nur Felder und Wiesen und Wiesen und Felder.

Das Zugpersonal beschäftigte sich derweil weniger mit meiner Fahrkarte als mit einer Diskussion um Dienstpläne, Überstunden und anderen Arbeitskrempel, weswegen ich dann doch lieber Musik hörte. Ist halt blöd wenn man im Beisein der Fahrgäste über seine Arbeit motzt…

Abwechslungsreicher Blick aus dem Fenster

In Cottbus hieß es umsteigen in den Zug nach Frankfurt (Oder). Die Cottbusser Postkutscherstation wurde schon längst durch einen komisch verwinkelt angelegten Bahnhof ersetzt, der teilweise Stumpf- und teilweise durchgehende Gleise hat. Mein Anschlußzug bestand aus der weltbewegenden Anzahl von zwei Doppelstockwaggons, die in erster Linie warme Luft durch die Gegend juckelten.

Ich widmete ich also weiter dem Studium der heimischen Flora und Fauna, wobei man schnell feststellen konnte, dass man nicht durch überbordende Abwechslung irritiert werden würde. Links Bäume, rechts Bäume, drunter viel Sand und obendrüber Wolken. Die Dichte der Bäume variierte geringfügig, und an einigen Stellen konnte man dann auch mal ein Kraftwerk, Spuren eines Tagebaus oder ähnliche Zeugen der Industrialisierung erblicken. Mein Smartphone erblickte hingegen in erster Linie die Funktürme auf der anderen Seite der Grenze, die anscheinend einen deutlich besseren Empfang anboten. Ab Guben verläuft die Bahnstrecke ja quasi in Sichtweite der Oder und damit der Grenze zu Polen.

In Frankfurt (Oder) endete diese Etappe der Fahrt und ich stieg in einen Zug ein, der den Namen auch verdiente – immerhin fünf oder so Doppelstöcker standen da am Bahnsteig. Nachdem die östlichsten Punkte ja nun erreicht waren, konnte es den Gesetzen der Logik folgend nur noch nach Westen gehen.

Der Nachmittagssonne entgegen

Der Zug eilte nun mit durchaus hoher Laufruhe und akzeptablem Tempo der Hauptstadt entgegen. Auf der linken Seite gab es Wiesen und eine Autobahn zu sehen, auf der rechten Seite Wiesen mit ohne Autobahn. Zwischendrin gehts dann auch mal durch Wald, da siehts dann eben so aus als wie wenn man im Wald steht… boah war der schlecht. Na jedenfalls erreicht man dann so ab Erkner wieder die zivilisierte Welt, bzw. macht selbige in Form von S-Bahn und höheren Gebäuden auf sich aufmerksam. Nur kurz darauf ist man dann auch schon im Berliner Ostbahnhof angekommen. Der Zug folgte nun der Berliner Stadtbahn mitten durch die Hauptstadt. Da gibt es also immer irgendwas zu sehen, seien es nun häßliche Hinterhöfe oder Touristenmassen…

Ich versuchte derweil ein wenig zu schlafen, was ob des beginnenden Feierabendverkehrs und dem damit verbundenem Füllungsgrad des Zuges einfacher gedacht als getan war. Die weitere Strecke über Potsdam und Brandenburg Richtung Magdeburg kenne ich allerdings schon zur Genüge und war sie auch erst eine gute Woche vorher bei der Wolfsburg-Tour abgefahren.

Spontan getroffen

Völlig spontan ergab sich dann durch Absprache mittels moderner elektronischer Kommunikationsmittel ein Treffen am Magdeburger Hauptbahnhof. Da hatte ich eine halbe Stunde Aufenthalt zum Umsteigen, und da kam Ines spontan vorbei und schenkte mir zum Geburtstag ein Blümsche. Ich hab dabei wohl allerdings eher sparsam geguckt, weil sie mir anschließend mittels moderner elektronischer Kommunikationsmittel einen Vortrag hielt, dass ich weniger sparsam gucken soll und meine Mundwinkel stärker gegen die Schwerkraft kämpfen sollten oder so.

Erschreckenderweise war das Wetter inzwischen deutlich schöner geworden. Während es sich in Sachsen und Brandenburg von der eher wolkigen Seite präsentiert hatte, strahlte die Sonne in Magdeburg vom allerfeinsten.

Eine knappe Stunde später kam ich dann also mit dem Koffer in der einen und dem Blümsche in der anderen Hand bei meinen Eltern an. Die Fahrt war statt rund 100 km nun etwas über 500 km lang geworden, und statt anderthalb hatte ich sieben Stunden gebraucht, aber das war ja auch Sinn und Zweck der ganzen Angelegenheit gewesen.

Nun gab es noch Frischfleisch vom Grill und drei Sorten Bier zum Verkosten, bevor ich ins Bett fiel. Am nächsten Morgen sollte es nämlich auf einer umständlichen Route nach Erlangen gehen. Das ging aber ziemlich vollständig schief…

Einen Kommentar schreiben