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Böser Killerspielespieler

24. März 2009, 19:38 Uhr von Uwe

Nachdem der neue Rechner ja nun inzwischen läuft, habe ich mir heute in der Mittagspause auch noch das Spiel zugelegt, dass diesen Rechner auch ausnutzt. Ich rede natürlich von GTA 4. In diesem Zusammenhang und im Rahmen der gerade laufenden hysterischen „Killerspiele“debatte muss ich aber mal noch ein paar Sachen klarstellen.

Vorweg für alle, die keine Ahnung haben, um was es bei GTA 4 geht, eine Kurzzusammenfassung: Man spielt einen kleinen unbedeutenden Niemand, der die gesellschaftliche Gesamtsituation ausnutzt, um ein Jemand zu werden. Denn wie schon bei Scarface gilt auch hier: „In diesem Land musst du zuerst Geld machen! Wenn du das Geld dann hast, bekommmst du die Macht. Und wenn du die Macht hast, bekommst du die Frauen!“ Wie in der Realität auch ist es natürlich schneller und risikoreicher, sich die Kohlen nicht hart zu erarbeiten, sondern zu lügen, zu betrügen und Gewalt anzuwenden. Der Zweck heiligt die Mittel, und manchmal auch andersherum.

Kurz gesagt: Als Spieler ist man nur erfolgreich, wenn man skrupellos egoistisch ist. Im realen Leben würde man mit dieser Einstellung umgehend in den Knast oder in eine tragbare Holzkiste wandern (oder auch in die Chefetage bei Finanzmarktriesen). Das Spiel ist definitiv und ausschließlich nur für Erwachsene und wird auch entsprechend vermarktet. Und hier beginnt nun die Diskussion über „Killerspiele“.

Nachdem ja vor zwei Wochen ein Jugendlicher ausgerastet ist diskutieren nun alle über die vermeintlichen Ursachen: „Er hat Killerspiele gespielt!“ blieb irgendwie übrig, weils ja so schön prägnant ist. Von Heavy Metal hat noch keiner was gesagt (hey, hör ich auch stets und ständig und dauernd!), die Tatsache, dass seine Freundin mit ihm Schluss gemacht haben soll (hey, ich hab nicht mal eine, die Schluss machen könnte!) war offenbar nicht so wirklich entscheidend, und dass er im Schützenverein war und im Elternhaus eine halbe Armee hätte ausstaffiert werden können scheint auch nicht so wichtig zu sein. Auf dem Rechner wurden „Killerspiele“ gefunden, das muss die Ursache sein.

Monokausalität ist doch was schönes. Man spart sich so viele Hirnzellen, die man sonst noch zusätzlich zum Nachdenken benutzen müsste… Früher stand der Untergang des Abendlandes in Form von Rock’n’Roll vor der Tür, dann kamen Beatles und Stones, Hippies, Rocker, Satanisten, Kommunisten und heute lauert der Untergang in Form von World of Warcraft im Kinderzimmer. Geschichte ist die Anreihung von Ereignissen, die nicht passiert wären, wenn man draus gelernt hätte.

Zurück zum geforderten „Killerspiele“verbot: Es ist ja nun nicht so, dass wir in Deutschland nicht sowieso schon superstrenge Jugendschutzgesetze haben. Spiele werden zensiert, Filme geschnitten oder gleich ganz verboten, und die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Mädchen“ (Zitat Die Ärzte) konnte sich wohl auch noch nie über Arbeitsmangel beklagen. Warum aber tauchen immer wieder böse und gemeingefährliche „Killerspiele“ bei Jugendlichen auf, die diese gar nicht haben dürften?

Wer hat da Internet gesagt? Das ist doch das, was die Politiker nicht verstehen und deswegen mindestens genauso fürchten. Oder sie haben es verstanden und fürchten es darum umso mehr. Und überhaupt, warum geht ein jugendlicher ohne Aufsicht ins Internet? Das ist doch gemeingefährlich! Da gibts Pornographie! Und Bombenbauanleitungen! Und Nazis! Und überhaupt nur illegales Zeugs! Und alles in Farbe, und bunt! Unkontrollierter Zugriff auf abweichlerische Informationen! Eigene Meinungen jenseits der vorgeBILDeten! Auweia, alles überwachen, zensieren und verbieten! Könnten ja islamistische Kinderraubmordkopierficker sein. Da ist unserer Uschi von der Leine ja auch das Grundgesetz wurscht, Hauptsache operative Hektik überdeckt die geistige Windstille, immerhin sind im Herbst Wahlen.

„Killerspiele“ sind nur ein billiger polemischer Ausdruck für ein Symptom, aber nicht für die Ursache. Die Ursache ist die völlig degenerierte und kranke Gesellschaft. Es geht nur um Status, und Status definiert  sich, wie ja alle Medien stets betonen, ausschließlich über materielle Dinge: Mein Haus, mein Auto, mein Boot! Egoismus ist die Maxime, und Geiz ist sowieso geil, denn wenn jeder nur an sich selbst denkt, ist auch an alle gedacht. Und mein Schwanz ist sowieso viel länger als deiner!

Und das kriegt man natürlich schon als kleines Kind eingeimpft. Wehe man hat auf dem Schulhof die falschen Turnschuhe an oder ist vielleicht noch ein uncooler Streber mit guten Noten. Die  Ellenbogenmentalität, die die Erwachsenen als Vorbilder vorleben, wird natürlich von den Kindern aufgegriffen und unreflektiert übernommen. Mobben oder gemobbt werden. Druck ausüben oder zerdrückt werden. Man muss ein Schwein sein in dieser Welt, anders kann man nichts werden, außer ein Loser. Und wer will schon ein Loser sein?

Warhol prägte einst den Ausspruch von den 15 Minuten im Rampenlicht. Egal ob als Deutschlands Superdepp, Topfmodel oder in welcher Form auch immer. Wer nicht berühmt ist, ist in unserer Mediendiktatur ein Nichts, ein Niemand, unwertes Leben. Und wenn man schon nicht als glorreiches Vorbild taugt, kann man eben immer noch als schlechtes Beispiel dienen. Queensrÿche brachten es vor über 20 Jahren mit „Revolution Calling“ schon auf den Punkt.

Der Typ hat nun genau diese Perversion ausgenutzt und Geschichte geschrieben – auch und gerade mit Hilfe der Medien. Und sie werden daraus nichts lernen, ebenso wie die Politiker. Immerhin weiß ich, wen ich nicht wählen werde. Ob sich dadurch was ändert? Ich weiß es nicht: „Ich würd dich gerne abwählen, es lässt mir keine Ruh‘, doch dann kommt einfach nur der nächste, der genau so ist wie du!“ (Die Ärzte)

Ein Kommentar zu “Böser Killerspielespieler”

  1. Tok

    Waffen verbieten, Killerspiele verbieten und Amoklaufen auch verbieten.

    Wir kurieren Symptome, nicht Ursachen.

    (Bloß keine Ursachenforschung. Wir wollen doch nicht wissen, was in den Leuten abgeht, die nicht massenkonform sind.)

    (In der Pressekonferenz, die ich gesehen habe, hat der zuständige Oberpolizist sinngemäß gesagt: „Auf dem Computer haben wir Counterstrike gefunden. Also nichts Besonderes für einen Jungen seines Alters.“
    Soweit ich weiß, wurde polizeiseits nie gesagt, dass das Spiel irgendwie „schuld“ sei.)

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