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Album der Woche

25. Februar 2021, 19:23 Uhr von Uwe

Aufgrund der allgemeinen Gesamtsituation mit Lockdown fällt ja eh alles aus, zum Beispiel in Köln der Karneval; und auch in Düsseldorf war, ist und bleibt tote Hose. Womit wir beim Album der Woche bzw. den beiden Alben dieser Woche wären.

Passend zum Thema stammen diese – man wirds erraten haben – von den Toten Hosen aus der Modestadt Düsseldorf. Album Nummer eins hört auf den schönen Namen „Damenwahl“ und feiert 35. Geburtstag, Album Nummer zwei zitiert den großen Karl (nicht den mit den Indianern, sondern den mit dem Kapital), „Opium fürs Volk“ nämlich, und hat inzwischen auch ein Vierteljahrhundert auf der Uhr.

Im Jahre 1986 waren die Hosen noch purer Underground, der große Durchbruch folgte ja erst zwei Jahre später mit der Horrorschau-Platte samt Hier kommt Alex. Entsprechend unprofessionell und durchgeknallt agiert der Fünfer hier auch, was aber den Spaß am Hören nur vergrößert. Die Scheibe beginnt nach einem verzichtbaren Intro mit dem Abgesang auf den damals noch real existierenden Kommunismus in Disco in Moskau, worauf die Hymne aller Hedonisten folgt – Verschwende Deine Zeit („Ob Rennbahn oder Stadion, oder Arbeitsamt, wir finden immer einen Grund und Ort weshalb man feiern kann“). Eher ungewöhnlich, aber saucool, ist die A-Capella Variante von Bis zum bitteren Ende („Korn, Bier, Schnaps und Wein, und wir hören unsere Leber schreien…“). Satirisch bissig und giftig gehts im folgenden Schwarzwaldklinik zu, wobei man einige der Anspielungen allerdings heute nur noch mit Schwierigkeiten nachvollziehen kann. In der Mitte des Albums folgt die erste ganz große Hymne der Hosen, nämlich das Wort zum Sonntag („Ich bin noch keine 60, und ich bin auch nicht nah dran, und erst dann möchte ich erzählen was früher einmal war…“ – tja, inzwischen ist Campino schon verdammt nah dran an den 60 Lenzen). Sehr fies ist der Text vom Ehrenmann („Er war doch nur ein Arschloch, warum sagt niemand die Wahrheit?“), Großalarm und Spielzeugland setzen sich mit allgemeiner Lethargie (die gabs wohl damals schon) und Kriegsspielzeug auseinander, und am Ende des Albums folgt (nach einigen Nummern die ich jetzt ausgelassen habe) das sehr relevante Altbierlied.

Ich finde die Platte insgesamt sogar fast so stark wie die Horrorschau – die hat zwar einige sehr viel bessere Songs, aber auch einige gröbere Ausfälle, wohingegen auf Damenwahl fast alles zusammenpasst.

Zehn Jahre später waren die Hosen bereits Multiplatin-Punks, hatten mit „Kauf MICH!“ einen riesigen Erfolg gelandet und veröffentlichten mit „Opium fürs Volk“ einen textlich echt heftigen Brocken Religionskritik.

Eingeleitet vom Vaterunser folgt zunächst Mensch – ein Stück über die innere Zerrissenheit des Menschen ansich („Ich bin dauernd auf der Suche, doch ich weiß nie wonach, dauernd auf der Flucht und dauernd auf der Jagd“). In Die 10 Gebote rechnet Campino mit eben diesen Regeln ab („Wenn ich du wär, lieber Gott, und wenn du ich wärst, lieber Gott, würdest du die Gebote befolgen, nur wegen mir?“). Paradies schlägt in die gleiche Kerbe („Ich will nicht ins Paradies, wenn der Weg dahin so schwierig ist“), ebenfalls starker Tobak ist das düstere Böser Wolf zum Thema Kindesmissbrauch. Weniger düster, aber deswegen noch lange nicht leichtverdaulich kommt Nichts bleibt für die Ewigkeit daher. Eher klassischer Hosen-Punk-Stoff ist in der Mitte die Single Bonnie & Clyde und am Ende des Album Viva La Revolution. Dazwischen gibts noch diverse Nummern über und gegen Spießbürger, langweilige Beziehungen, Drogen und anderes was die Menschheit davon abhält die große Weltrevolution auszurufen. Ironisch überspitzter Schlusspunkt ist schließlich das allseits bekannte 10 kleine Jägermeister.

Fazit: Das inhaltlich kohärenteste und in sich geschlossenste Album der Hosen-Geschichte – und irgendwie ein Stück weit auch selbst Opium fürs Volk. Und eine bekannte Berliner Band würde dazu wohl fragen „Ist das noch Punkrock?“

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