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Urlaub Tag 6: Altstadtblues

4. August 2018, 12:57 Uhr von Uwe

Der letzte zu Fuß unternommene Ausflug des Urlaubs fand in Bern statt. Das lag in erster Linie an der Wettervorhersage – brütende Hitze und Gewittergefahr am Nachmittag war angesagt. Außerdem gingen uns die Optionen mit den umliegenden Bergen aus, die relevanten Gipfel hatten wir uns alle bereits angeschaut, alles andere wäre zu einer größeren alpinen Hüttentour ausgeartet, wogegen diverse entscheidungsbefugte Personen Einspruch eingelegt hätten. Also wurde „Stadtbummel“ auf die Tagesordnung gesetzt.

Etappe 0: Gestörte Nachtruhe

Die Nacht war eine der eher unruhigen Sorte. Für mich, weil ich alle Nase lang meinen schnarchnasigen Bruder daran erinnern musste dass er schon wieder das mit dem „leiser schnarchen“ nicht auf die Reihe kriegt, für meinen Bruder, weil er die zweite Nachthälfte mehr aufm Klo als im Bett verbrachte, weil das Abendessen wohl schwer im Magen lag. Auf jeden Fall stellte er am Morgen lapidar fest, dass mit ihm heute nix los wär und er einen Urlaubstag vom Urlaub brauche (gesagt hat er was anderes, aber das spielte sicherlich auch mit rein).

Also trabte ich allein zum Frühstück und verbreitete die Neuigkeit meiner Lieblingsmutter, die daraufhin das volle Bemutterungsprogramm abspulte, von guten (oder wenigstens gut gemeinten) Ratschlägen bis hin zu frischem Tee aufm Zimmer. Ich sollte auch öfter krank spielen, vielleicht krieg ich dann auch mal besseren Service… 😉 Auf jeden Fall machten wir uns dann zu dritt auf den Weg nach Bern, und mein Bruder konnte sich so gemütlich vom anstrengenden Rest der Familie erholen.

Etappe 1: Grindelwald – Bern (79.4 km, ↗244 m, ↘961 m)

Nach einem Tag Pause fuhren wir also wieder die schöne Strecke von Grindelwald hinunter in Richtung zivilisierte große weite Welt. Da gibts also nicht wirklich viel zu erzählen, der interessante Teil begann dann erst mit dem Umsteigen in Interlaken in den IC Richtung Bern. Das ist ein ordentlich langer Zug mit richtig viel Kapazität, so dass wir problemlos gute Sitzplätze im Ruheabteil fanden. Den fand kurz darauf auch eine irgendwo aus dem indischen Subkontinent stammende Familie, die aber erstaunlicherweise relativ wenig Krawall machten. Allerdings stellte sich bei der schnell folgenden Fahrkartenkontrolle heraus, dass sie Fahrkarten nur für die zweite Klasse hatten, und nicht für die erste Klasse, in der sie saßen. Und nun fing das Familienoberhaupt an zu feilschen wie auf dem Basar… Am nächsten Bahnhof die Klasse wechseln oder was halt sonst irgendwie noch drin wäre. Der Schaffner blieb freundlich und stur, entweder sofort in die zweite Klasse oder nachzahlen, die anderen Reisenden haben ja schließlich auch dafür bezahlt. Tja, also schnappte man sich schließlich seine drölfzig Koffer und zog von dannen.

Meine Mutter überhörte in der Folge ein anderes Gespräch zwischen einer älteren ortskundigen Dame, die einem wohl amerikanischen Pärchen einige Sehenswürdigkeiten und Berggipfel näherbrachte, während mein Vater interessiert ausm Fenster guckte (türkisfarbener See und Berge im Hintergrund) und ich mich darüber freute, auf bequemen Sesseln sitzen zu können – kein Vergleich zu der Holzklasse die einem im ICE angeboten wird (passenderweise ist dazu gerade erst heute ein Artikel in der Presse, dass sich die Fahrgäste über die Bestuhlung im ICE beschwerten und die Bahn nun nachbessern muss… Das haben sie nun davon, das hat jeder Fachkundige bereits von Anfang an gesagt, dass das nichts werden kann, aber auf Leute vom Fach hört ja keiner).

Anyway, wir rauschten also gemütlich durch die Gegend Richtung Bern, und spätestens so ab Bern Wankdorf kann man dann vom Zug aus die Aare bestaunen, bevor der Zug dann in den fürchterlich dusteren Bahnhof einfährt.  Aber da wollten wir ja nicht bleiben, sondern die Altstadt angucken.

Etappe 2: Berner Altstadt (5.9 km, ↗232 m, ↘204 m)

Naja, die Höhenangaben sind mit Vorsicht zu genießen, im Endeffekt müssten beide Zahlen gleich sein, da wir ja wieder am Bahnhof herauskamen… Auf jeden Fall waren wir in der Altstadt unterwegs und guckten uns diverse Sehenswürdigkeiten an, die es da in Hülle und Fülle gibt.

Die gesamte Altstadt besteht im Wesentlichen aus einer Handvoll verkehrsberuhigter Straßen, verlaufen kann man sich eigentlich auch nicht, weil die größeren Straßen alle in Ost-West-Richtung verlaufen und von diversen Gassen in Nord-Süd-Richtung gekreuzt werden. Außerdem fließt an drei Seiten die Aare drumrum, d.h. wenn man zu einer Brücke kommt ist man raus aus der Altstadt. Und an der vierten Seite ist der Bahnhof, das ist also selbst für Orientierungslegastheniker keine große Herausforderung.

Die gesamte Altstadt (das ist doofer Ausdruck, wenn der Absatz schon wieder so anfängt…) ist als Ensemble Unesco-Welterbe. Sämtliche Häuser sind nach einheitlichen Baurichtlinien erbaut, d.h. man hat immer einen Laubengang an der Straße, wo man entsprechend zahllose kleine Lädchen finden kann, vom alteingesessenen Handwerk über verschiedenste Buch-, Spielzeug-, Klamotten- und Kunstkitschkrempelläden ist da alles dabei. Über den Laubengängen gibts dann zwei Stockwerke und oben wie üblich ein Dach – wäre ja auch blöd sonst. Auf jeden Fall kann man durch das ganze Viertel laufen ohne Angst vor Regen haben zu müssen – dank der Laubengänge müsste der Regen schon horizontal reinpfeifen damit man was abkriegt.

Die gesamte Altstadt (ab der zweiten Wiederholung ist es jetzt stilistisches Mittel) ist auch relativ schnell durchwandert, von West nach Ost sind es keine zwei Kilometer, und in Nord-Süd-Richtung ungefähr 500 Meter. Da hat man dann auch sämtliche Sehenswürdigkeiten mehr oder weniger geballt absolviert. Auffällig sind neben den offensichtlichen Bauten (Zytglogge, Münster, Rathaus, Bundeshaus) die diversen Botschaften verschiedener Länder und zahllose Brunnen, die mit verschiedensten Personenstandbildern verziert sind (da braucht man dann allerdings entweder einen Reiseführer zum Nachlesen oder man ist in einer geführten Reisegruppe unterwegs, wo dann ein Typ mitm Regenschirm vorneweg marschiert und ausm Reiseführer vorliest…). Achja, es waren natürlich diverse Reisegruppen unterwegs.

Diese Reisegruppen (genug mit stilistischem Krampf jetzt hier) treffen sich einmal die Stunde an der Zytglogge, einem mittelalterlichen Glockenturm mit astronomischer Uhr, der zur vollen Stunde diverses Geläut und sich bewegende Figuren zum Besten gibt. Wirklich gut zu erkennen ist es allerdings nicht, da muss man sich vorher belesen damit man weiß wann man da wo am Turm hingucken muss, um das Schauspiel überhaupt sehen zu können. Ich war jedenfalls nicht so wirklich beeindruckt, was aber auch an den Menschenmassen und der Hitze gelegen haben könnte.

Wir hatten die Zytglogge am Ende unseres Rundgangs angeschaut, vorher waren wir schon am Münster vorbeigekommen (so hoch dass es auf kein Foto passt…) und hatten im dortigen Park kurz verschnauft. Die Hitze wurde im Lauf des Vormittages immer unerträglicher, und während sich am Horizont erste Gewitterwolken zusammenbrauten war in der Stadt davon noch nix zu bemerken. Also liefen wir schließlich schon ziemlich groggy zurück in Richtung Bahnhof. Unterwegs kamen wir noch an einem größeren Buchladen vorbei, durch den wir dann doch nochmal durchtigerten. Highlight dieses Buchladens war das literarische Kaffee im zweiten Stock – gelegen auf einer Dachterrasse zwischen zwei Gebäudeteilen. Das Buchangebot selbst war aber eher nicht so auf meinen Geschmack ausgerichtet, für Comicleser wäre es allerdings sicher keine schlechte Adresse gewesen.

Damit hatten wir dann aber endgültig keine Lust mehr, die heiße Luft stand in den Gassen, und Abkühlung in Form eines klimatisierten Zuges war nun eine ernsthafte Alternative.

Etappe 3: Bern-Grindelwald (79.2 km, ↗430 m, ↘103 m)

Das war allerdings zunächst mal komplizierter als gedacht. Als wir am Bahnhof ankamen, hatte der nächstbeste Zug nämlich – oh Wunder – Verspätung. Bei genauerem Betrachten stellte sich heraus, dass dieser Zug ein ICE aus Richtung Mannheim-Basel war, womit man sich über die Verspätung natürlich gleich gar nicht mehr wundern brauchte. Die nächste alternative Verbindung, die man ohne große Hektik erreichen konnte, war somit eine knappe halbe Stunde später ein interschweizerischer IC, auf den wir nun ganz gemütlich warteten.

Nachdem dieser uns in sehr gemütlichen Doppelstockwagen bis nach Spiez gebracht hatte hätten wir dort nun entweder in den Regionalzug nach Interlaken einsteigen können – oder eben in den verspäteten ICE, in den wir in Bern nicht eingestiegen waren. So kamen wir also doch noch zu einer Teiletappe von 18 Kilometern im ICE (das ist ungefähr so sinnvoll wie von Kiel nach Neumünster mit dem ICE zu fahren – hab ich auch schon gemacht).

In Interlaken stiegen wir dann völlig problemlos in den Zug Richtung Grindelwald um, der uns ohne weiter erwähnenswerte Ereignisse zurück brachte. Einzig der akute Mangel an Fahrkartenkontrollen war auffällig – wir waren in drei Zügen unterwegs und kein Schwein wollte die Fahrkarten sehen… Das ist für Schweizer Verhältnisse schon äußerst seltsam.

Mein Bruderherze hatte laut eigener Aussage den ganzen Tag verpennt (was ihn nicht davon abhielt mich in der nächsten Nacht schnarchenderweise von meinem Nachtschlaf abzuhalten). Der Abend wurde mit dem obligatorischen Abendessen beschlossen, inzwischen war auch das Gewitterwetter angekommen und beeindruckte mit fetten Wolken und Nullsicht auf die umliegenden Berge. Dadurch gabs auch leichtes Chaos mit der Tischreservierung, was aber letztlich schnell und unbürokratisch geklärt werden konnte. Das Rumpsteak schmeckte jedenfalls wieder ausgezeichnet und selbst mein Bruder hatte seinen Appetit wiedergefunden.

Die letzte Aktion des Tages (ich denke jedenfalls dass es dieser Tag war, scheiß fehlende Notizen aber auch…) war dann ein gemeinsames Kartenspielen der gesamten Familie verbunden mit dem Entleeren einer bereits mehrere Tage zuvor gekauften Flasche Wein. Aufgrund der ungünstigen Wettervorhersage für den letzten Tag vor der Abreise (sehr hohe Regenwahrscheinlichkeit) wurde als allerletzte Tagestour eine Rundreise durch die Westschweiz festgelegt. Aber das ist dann Thema des nächsten Eintrages.

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