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Ein Unterschied wie Tag und Nacht

2. Oktober 2017, 13:09 Uhr von Uwe

Auch der schönste Urlaub geht irgendwann zuende, und darum ging es nach zwei Wochen mit zahlreichen Wanderungen, viel Landschaft und schick Bahnfahren zurück nach Hause.

Etappe 0 – Vor dem Einsteigen

Das erste Problem musste ich schon lange vor dem Einsteigen lösen – wie bzw. mit welchen Zügen komme ich denn nun eigentlich nach Hause? Im ursprünglichen Plan hatte ich mir vorgenommen, auf der Rückfahrt einen Schlenker über Montreux und Lausanne zu machen, um noch etwas Landschaft am Genfersee anzugucken. Von Lausanne aus wäre es dann via Basel, Mannheim und Würzburg zurück nach Erlangen gegangen. Dafür (also für den Teil in Deutschland) hatte ich mir auch die Fahrkarte gekauft.

Aber wie das so ist mit Planung, die einzige Konstante der Welt ist die konstante Lageänderung – die Bahn schaffte es in einzigartiger Weise die Rheintalbahn kaputtzubasteln (das muss man sich mal auf der Zunge zergehenlassen, die wichtigste Verbindung zwischen der Schweiz und Deutschland mit hunderten Zugfahrten täglich muss für fast 2 Monate gesperrt werden und die Bahn hat kein Alternativkonzept…) Wie auch immer, die Verbindung war Makulatur, ich hätte zwischen Baden-Baden und Karlsruhe mit dem Bus rumfahren müssen, womit ich dann irgendwann am späten Abend (vielleicht) angekommen wäre. Also wurde der Umweg über Lausanne gestrichen und eine Fahrt über Schaffhausen geplant. Dank moderner Hosentaschenelektronik hatte ich dann auch dafür eine neue Fahrkarte und konnte die alte returnieren (wie der Schweizer so schön sagt).

Der eigentliche Reisetag begann dann mit einem durchschnittlichen Frühstück, das Büffet war eher unübersichtlich und der Speiseraum auch mehr zweckmäßig als gemütlich, aber ich war zumindest ausreichend gestärkt für die Reise. Danach folgte der Checkout (auch hier wurde die ec-Karte problemlos akzeptiert, was auch immer die da in Interlaken gemacht haben erschließt sich mir damit immer weniger) und ein gemütlicher Fußmarsch zum Bahnhof. Dort stand auch schon der Bummelzug bereit, der in erster Linie Berufspendler zur Arbeit und in zweiter Linie mich und eine Gruppe russischer Wintersportler im Teenie-Alter (plus Betreuer) nach Visp bringen sollte.

Etappe 1 – Zermatt – Zürich

Das Aufzählen der Landschaft zwischen Zermatt und Visp erspare ich mir jetzt mal, erstens hab ich das im Bericht des vorherigen Tages alles schon ausgewalzt, zweitens war es noch früh am Morgen und ich sowieso viel zu müde und drittens war erstmal nur relevant, dass das Wetter wieder mit Wolken geizte und dafür Sonne satt angesagt war. Nach rund einer Stunde Fahrt und über 1000 Höhenmeter niedriger hieß es dann in Visp umsteigen, und wieder mal beeindruckte das Schweizer System – zum Umsteigen braucht man selbst mit Gepäck und als nicht mehr ganz so schneller Rentner keine fünf Minuten, und man hat 10 Minuten zu den Anschlüssen Richtung Genfersee, Bern oder Simplon/Mailand. Ich hatte sogar noch viel mehr Zeit, weil ich nicht mit dem nächsten Zug Richtung Bern wollte, sondern mit dem danach folgenden IC Richtung Zürich. Der fährt zwar auch über Bern, aber ich sparte mir einmal Umsteigen.

Der IC war gegen 10 Uhr morgens noch recht übersichtlich gefüllt, und so rauschten wir dann zunächst mal ca. 12 Minuten durch den Lötschberg-Basistunnel (erwähnte ich schon mal irgendwo, dass die Aussicht auf ne Tunnelwand nicht unbedingt der Hit ist?), bevor es via Spiez und Thun weiter ging nach Bern. Die Einfahrt nach Bern ist ein echter Hingucker durch die tiefe Schlucht, die sich die Aare dort gegraben hat und an deren Rand die Bahnstrecke verläuft. Die historische Altstadt zählt ja auch zum Kulturerbe, bei Gelegenheit muss ich da auch nochmal hin und mir die Stadt angucken. So stand der Zug nur zehn Minuten im Bahnhof wegen Korrespondenzhalt und füllte sich ziemlich gut mit Dienstreisenden Richtung Zürich.

Die Fahrt nach Zürich selbst war dann so langweilig, dass ich mir erstmals seit dem Anreisetag die Kopfhörer auf die Ohren packte und Krach aus dem mp3-Player lauschte. Die für Schnellzüge optimierte Streckenführung zwischen Bern und Olten liegt meistens in einem Einschnitt, so dass man die ganze Zeit nur den grasbewachsenen Bahndamm sieht, und plötzlich ist man schon im Bahnknoten Olten angekommen. Danach wirds zumindest abwechslungsreicher, weil man nun jede Menge Ortschaften, Industrie und andere Züge sehen kann, aber landschaftlich ist das natürlich kein Vergleich zu den Alpen.

Höhendiagramm

In Zürich hielten wir an den unterirdischen Bahnsteigen (Gleis 33 oder sowas in der Größenordnung), so dass ich nun auch mal die weiteren Ebenen (der Züricher Hauptbahnhof hat da einige) angucken konnte. Da kann ein Umstieg von 10 Minuten von ganz unten nach ganz oben schon mal knapp werden, wenn man allerdings weiß wo man hin muss und sich beim Einsteigen schon passend zu den Treppen positioniert hat geht es auch in weniger als 3 Minuten, so dass man zumindest theoretisch Züge erreicht, die man laut Fahrplan nicht erreichen kann… Mir war das egal, ich hatte eine reichliche halbe Stunde Zeit für zwei Rolltreppen und den Weg zum richtigen Bahnsteig, wo denn auch pünktlich (muss man das in der Schweiz eigentlich erwähnen?) ein recht kurzer IC nach Singen (Hohentwiel) abfuhr.

Etappe 2 – Zürich – Ulm Hbf

Die Fahrt mit dem IC war bis Schaffhausen geplant, dort wollte ich in einen IRE nach Ulm umsteigen. Das hätte ich zwar auch in Singen noch gekonnt, aber je eher man im richtigen Zug sitzt desto mehr Auswahl hat man beim Sitzplatz, sofern man einen kriegt, bei der Deutschen Bahn weiß man ja nicht so genau… Die Fahrt Richtung Schaffhausen selbst (die letzte mit einem Zug der Schweizer Bahn in diesem Urlaub) war eher ereignislos, bis auf das Überqueren des Rheins in Eglisau und natürlich den Blick auf den Rheinfall. Zwischendrin sah man auch diverse Fotografen aufm Acker stehen – die konnte man getrost zur Spezies der Eisenbahnfotografen zählen, denn bedingt durch die eingangs erwähnte Streckensperrung (und weitere Sperrungen zwischen Stuttgart und Singen) wurden Güterzüge über die seltsamsten nichtelektrifizierten Nebenstrecken umgeleitet, so dass man als Fotograf natürlich mit allerhand seltenen Fahrzeugen und Zugzusammenstellungen rechnen konnte.

In Schaffhausen angekommen war es bereits mächtig warm und ich hatte wieder eine halbe Stunde Zeit zum Umsteigen, d.h. zum Rumstehen am Bahnsteig, weil der Anschlusszug am gleichen Gleis abfahren würde, an dem ich angekommen war. Und irgendwann kam dann auch der Zug, d.h. nein, eigentlich der Triebwagen – und es war ein Unterschied wie Tag und Nacht. Während die Schweizer Fahrzeuge glänzen wie die sprichwörtliche Speckschwarte und man auch im Inneren eine einladende Atmosphäre vorfindet was Sauberkeit und Aussehen von Sitzbezügen usw. angeht glänzte dieser Triebwagen durch vollständige Abwesenheit dieser Merkmale. Man könnte es jetzt so schön formulieren wie damals der Kunde im Fehlerticket: „Die Anmutung ist nicht wertig.“ Und genau das traf hier auch zu. Der Zug war von außen dreckverkrustet, die eigentlich weißen Polster der Kopfstützen waren eher gelblich fettig verranzt, der Boden war definitiv längere Zeit nicht gesaugt worden und die Griffflächen von Armlehnen und Türen waren abgewetzt, ebenso wie die Sitzpolster. Das ist nicht wertig, und für eine erste Klasse schon gleich gar nicht.

Der Triebwagen dieselte also lautstark in Richtung Friedrichshafen, und immerhin gabs dann mal ein paar Blicke aus dem (dreckigen) Fenster auf den Bodensee. Meine Planung mit dem Umsteigen in Schaffhausen hatte sich da schon bezahlt gemacht, in Singen wurde der Zug nämlich gut voll und spätestens in Radolfzell waren dann Sitzplätze Mangelware. Sowohl in Singen als auch im weiteren Verlauf Richtung Ulm begegneten wir immer wieder umgeleiteten Güterzügen, die sich sonst kaum auf diese Strecke verirrt hätten. Insgesamt war die Fahrt dann aber eher naja – der Diesel brummte vor sich hin, ich lauschte den Klängen ausm Kopfhörer, und Zugpersonal ließ sich keines blicken…

Immerhin waren wir einigermaßen pünktlich in Ulm, und das war auch zwingend notwendig, denn laut Fahrplan hatte ich nur 7 Minuten zum Umsteigen. In der Schweiz wäre das kein Thema gewesen, da fährt der Anschlusszug halt am Bahnsteig gegenüber und der nicht ortskundige Reisende fragt vorher beim Schaffner nach. In Deutschland sieht das alles etwas anders aus: Zunächst mal hielt der Zug irgendwo weitab von sämtlichen Unterführungen auf Gleis 7b oder sowas. Damit brauchte man schon mal eine gefühlte Ewigkeit bis zur Treppe zu den anderen Bahnsteigen. Dort staute sich alles, weil die Treppe zu schmal bzw. der Andrang der Umsteigenden zu groß ist – kurz vor 16 Uhr ist halt auch mit frühem Feierabend wegen akutem Sommer zu rechnen. Der Anschlusszug verkehrte wegen Bauarbeiten im Bahnhof von einem anderen Gleis, was man nur so durch die Bahnhofsansage mit etwas Glück mitbekommen konnte. Man wuchtet also seinen Koffer die Treppen hoch und runter und muss am anderen Bahnsteig wieder ca. 300 m bis ganz nach vorne marschieren, um dann in den Zug einsteigen zu können. Ich würde mich selbst als einigermaßen fit und erfahren im Umsteigen bezeichnen, aber es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn Gelegenheitsreisende den Zug verpassen und dann bei jeder weiteren Gelegenheit mit dem Auto fahren…

Etappe 3 – Ulm – Nürnberg

Auf jeden Fall saß ich nun im nächsten Dieseltriebwagen in Richtung Aalen. Dieser fuhr nun ohne weitere Vorkommnisse nach Aalen, sogar meine Fahrkarte wurde kontrolliert… In Aalen angekommen hieß es dann wieder in sieben Minuten umsteigen, allerdings waren hier die Wege deutlich kürzer, dafür verkehrte der Zug in umgekehrter Wagenreihung, so dass der Wagen der ersten Klasse ganz vorn statt ganz hinten war. Aber gut, wo ich bin ist vorn, und wenn ich hinten bin ist halt hinten vorn. In diesem Fall war vorn zwar nicht hinten, aber die Klimaanlage trotzdem nicht von der gescheit funktionierenden Sorte. Dafür hatte ich ein ganzes Sechserabteil für mich und konnte mich da gemütlich ausbreiten. Der Schaffner kam zwar in den knapp 90 Minuten Fahrtzeit dreimal vorbei, interessierte sich aber dreimal nicht dafür ob ich eine Fahrkarte dabei hab… würde ich für eine eher merkwürdige Arbeitsauffassung halten.

Inzwischen war ich auch etwas geplättet von der ganzen Fahrerei, inzwischen war ich ja auch schon rund zehn Stunden unterwegs gewesen, aber zumindest war Nürnberg in Sicht, und damit sollte es nun ja nur noch Formsache bis nach Hause sein. Aber auch hier hatte ich die Rechnung wieder ohne die Deutsche Bahn gemacht… Aufgrund von Bauarbeiten zwischen Nürnberg und Fürth fielen so ziemlich alle Züge Richtung Erlangen aus, und die S-Bahnen fuhren nur von Fürth aus Richtung Erlangen. Also musste ich mir nun erstmal eine Alternative ausknobeln, um von Nürnberg nach Fürth zu gelangen und von dort dann weiterfahren zu können…

Die Alternative war ein Regionalbummelzug Richtung Kleinkleckersdorf (irgendwo westlich von Fürth), der als einziger Zug von Nürnberg nach Fürth unterwegs sein würde – die naheliegendere Lösung wäre die U-Bahn gewesen, aber das hätte wieder einen extra Fahrschein gekostet… Die andere Alternative wäre gewesen meinen Bruder in Fürth zu nerven und bei ihm auf der Luftmatratze zu pennen. Darauf hatte ich aber irgendwie auch keinen Bock, und er sicher noch weniger.

Etappe 4 – Nürnberg-Erlangen

Der schnuckelige Triebwagen (nur 2. Klasse) war entsprechend gut gefüllt und brachte mich dann imerhin schon mal nach Fürth. Inzwischen war es 19 Uhr, und eine S-Bahn später war ich gegen 19:40 Uhr dann auch in Erlangen angekommen. Ab hier war es nun tatsächlich nur noch Formsache mit dem Bus zu fahren und die letzten Meter nach Hause zu laufen, wo ich gegen 20:30 Uhr eintraf. Damit hatte ich mal eben schlappe zwei Stunden gebraucht um von Nürnberg nach Hause zu kommen – da hätte ich auch fast zu Fuß gehen können, hätte nur eine Stunde länger gedauert, zumindest ohne Koffer.

Die letzten Amtshandlungen des Tages waren die telefonische Rückmeldung bei der Verwandtschaft, das Öffnen eines in einem Anfall von weiser Voraussicht vor dem Urlaub kaltgestellten Bieres und das Wegsichern von ungefähr 1200 Urlaubsfotos zwecks späterer Weiterverarbeitung. Und damit endeten zwei Wochen Schweizurlaub, in denen ich echt viel Glück mit dem Wetter hatte und viele tolle Wanderungen machte und einige tausend Kilometer mit verschiedensten Bahnen fuhr. Schön wars.

Ein Kommentar zu “Ein Unterschied wie Tag und Nacht”

  1. CWeasel

    Tolle Tagesberichte wieder!

    Hoffe, der Erholungseffekt hält noch an und von den Fotos sieht man auch mal etwas. 🙂

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