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Heiliger Mauritius mit italienischem Altmetall

20. September 2017, 22:15 Uhr von Uwe

Nach einer Woche in Interlaken hatte ich so ziemlich alles relevante angeschaut, was man da so anschauen kann, und nachdem das schöne Wetter ja am Vorabend auch wunderbar gewittrig in sich zusammengesackt war, gings am nächsten Morgen weiter zum nächsten Etappenort der großen Schweizrundreise, St. Moritz im schönen Graubünden.

Etappe 0 – Vor der Abreise

Wie schon bei der Fahrt von Andermatt nach Interlaken war auch hier nun wieder eine Rundreise mit Umweg geplant, d.h. eigentlich wars nur ein zeitlicher Umweg, denn die schnellste Verbindung macht noch einen Bogen von Interlaken nach Nordwesten und schwenkt dann über Zürich und Chur nach Süden. Ich hingegen hatte die Fahrt über die schöne Strecke von Interlaken via Meiringen und Luzern geplant.

Bevor es aber soweit war, war erstmal frühstücken und ausschecken angesagt. Letzteres gestaltete sich überraschend kompliziert, da das Hotel doch tatsächlich nicht meine ec-Karte akzeptieren wollte… Warum auch immer… In Andermatt wars kein Problem, auf Malta wars vor Jahren kein Problem, in Deutschland sowieso nicht, nur in Interlaken in diesem Hotel wollte es nicht gehen. Gut, dann musste halt die Kreditkarte dran glauben, wodurch ich die Endabrechnung der Urlaubskosten halt erst vier Wochen später machen konnte… Danach marschierte ich dann jedenfalls gemütlich zum Bahnhof und wartete auf den Zug in Richtung Luzern.

Etappe 1 – Interlaken Ost-Luzern

Dieser fuhr auch wie nicht anders erwartet absolut pünktlich ein und ich enterte das Abteil der ersten Klasse um mir einen Sitzplatz auf der richtigen Seite zu sichern (bis Meiringen entgegen der Fahrtrichtung blickend rechts, danach wegen Richtungswechsel in Fahrtrichtung links). Allerdings durfte ich feststellen, dass das gesamte(!) Abteil mit rund 20 Plätzen für eine Reisegruppe aus Shanghai reserviert war. Also stieg ich wieder aus, zuckelte mit meinem Koffer ans andere Ende des Zuges, fand dort das zweite Abteil der ersten Klasse völlig verwaist vor und machte es mir halt eben dort bequem.

Der Zug fuhr nun zuerst am Ufer des Brienzersees in Richtung Brienz, ich guckte aus dem Fenster und sah dunkle Regenwolken und Nebelschwaden im Berghang. Wandern wäre also auch nicht unbedingt der Hit geworden, so rein wettertechnisch. Hinter Brienz verläßt man das Seeufer und folgt der eingedeichten Aare bis nach Meiringen, wo die Fahrtrichtung gewechselt wird. Ab hier guckte ich also in Fahrtrichtung aus dem Fenster, und sah immer noch kein besseres Wetter, dafür aber weiter in die Ferne, da die Strecke nun dank Zahnradabschnitten steil ansteigt bis zum Brünigpass auf etwas über 1000 m, rund 400 m oberhalb des Brienzersees.

Auf der anderen Seite des Passes geht es nun eher gemächlich wieder hinunter in Richtung Vierwaldstättersee und Luzern. Das Wetter wurde geringfügig besser, an Aussicht vom Berg war aber nicht zu denken. Der Pilatus war komplett in Wolken gehüllt, und auch in Richtung Gotthard sah es eher finster aus, in Richtung Norden war es hingegen ein wenig heller. Die Fahrt selbst war ansonsten ohne weitere Highlights, so zum Samstag war halt relativ wenig los.

Etappe 2 – Luzern – Zürich

In Luzern hieß es dann umsteigen in einen ewig langen Zug aus Doppelstockwaggons in Richtung Zürich Flughafen, heute abweichend nur bis Zürich Hauptbahnhof. Dies wurde erneut in drei Sprachen durchgesagt, mit vielmaliger Entschuldigung und Ansage der nächsten Verbindung von Zürich zum Flughafen. Der Zug selbst war vergleichsweise leer, glänzte dafür außen wie eine Speckschwarte und überzeugte innen durch bequeme Sitze. Detail am Rande: Die Doppelstockwaggons haben auf beiden Ebenen Übergange zum nächsten Waggon, womit das umständliche Treppensteigen entfällt, wenn man auf der Suche nach einem Platz (oder dem Klo) durch den Zug läuft. Schicke Sache sowas.

Die eigentliche Fahrt nach Zürich war trotzdem eher unspektakulär, da die Berge hier nicht so hoch waren und man eh die meiste Zeit im Tunnel unterwegs war, gerade auf dem letzten Abschnitt nach Zürich hinein. Damit war ich zum zweiten (und nicht letzten Mal) im Urlaub im Züricher Hauptbahnhof und wartete hier nun auf den Anschlusszug nach Chur. In diesem suchte ich mir wieder einen Sitzplatz in Fahrtrichtung links, und das (natürlich) aus gutem Grund.

Etappe 3 – Zürich – Chur

Die Bahnstrecke von Zürich nach Chur führt zunächst in einem langen Tunnel schleifenförmig entgegen dem Uhrzeigersinn aus Zürich heraus, der Tunnel endet vor dem Bahnhof Thalwil. Und wenn man da dann wieder ans Tageslicht kommt, fällt der Blick in Fahrtrichtung links automatisch auf das Ufer des Zürichsees. Und diesem Ufer folgt die Bahnlinie nun noch eine ganze Weile, der See ist ja nicht gerade klein. Und da konnte man dann diverse Fähren, Sportboote und jede Menge Sportler beim Uferlauf beobachten. Die Wolken waren hier nun auch etwas heller, was allerdings nur für den Bereich über dem See galt, in Richtung Osten wars dann wieder eher trüb.

Kaum hat man den Zürichsee hinter sich gelassen, erreicht man auch fast schon den Walensee, der deutlich kleiner, dafür aber mit den dahinterliegenden Bergen (die schon über 2000 m hoch sind) schon auf ganz andere Art spektakulär anzusehen ist. In Sargans erreicht man das Rheintal, dem die Bahnstrecke nun weiter folgt, ebenso wie die parallel verlaufende Autobahn. Damit beschreiben beide eine langgezogene Rechtskurve (in Fahrtrichtung Chur gesehen). In Landquart erreicht man das für viele Eisenbahnfreunde gelobte Land – das Streckennetz der Rhätischen Bahn. Die „kleine Rote“ ist quasi der Inbegriff aller positiven Aspekte des Schweizer Eisenbahnwesens – und ich wurde auch diesmal nicht enttäuscht, soviel kann ich schon verraten.

Der IC rauschte noch die letzten Kilometer nach Chur, und hier hieß es nun flott umsteigen in den letzten Zug des Tages nach St. Moritz. Wie in der Schweiz üblich brauchte ich dafür nur einmal quer über den (relativ breiten) Bahnsteig laufen und hatte somit überhaupt keine Probleme mit der Umsteigezeit. So muss das sein.

Etappe 4 – Chur – St. Moritz

Irgendwann muss ich mir auch mal noch die Altstadt von Chur ansehen, bisher bin ich da immer nur umgestiegen und habe damit von der ältesten Stadt der Schweiz außer dem recht jungen Bahnhof quasi nix gesehen, woran sich auch an diesem Tage nichts änderte. Dafür saß ich nun mit einem älteren Schweizer Ehepaar samt großem Vierbeiner im Abteil, wobei der Hund aber mehr am Schlafen interessiert war als an der immer spannender werdenden Landschaft. Auch das Ehepaar hatte dafür erstmal überhaupt keine Augen, die hatten nämlich irgendwo beim Umsteigen einen Rucksack im Zug vergessen und fragten nun beim Schaffner an wen man sich da fundbürotechnisch wenden könnte. Und siehe da, der Schaffner wusste anhand der Zugsverbindung (ja, die Schweizer hauen da ein s hin), wann der Zug wie und wo laut Plan eingesetzt werden würde und welche Zentrale man da anrufen müsste, und sogar welche Nummer die dort haben. Er riet auch zu einem schnellen Anrufen, da der Empfang mit zunehmender Höhe der umliegenden Berge immer schlechter werden würde. Gesagt, getan – es wurde angerufen und, man glaubts ja fast nicht, der fehlende Rucksack war bereits gefunden und abgegeben worden – ganz ohne als herrenloses Gepäckstück für einen Polizeieinsatz mit Sprengkommando zu sorgen. Es kommt noch besser: Man einigte sich darauf, den Rucksack per Post zur Ferienunterkunft des Paares zu schicken, denn sie wollten das gute Stück beim Wandern auf dem Rücken tragen. Ich bin mir recht sicher, dass auch das geklappt hat.

Mit diesem Hintergrundprogramm war nun bereits Reichenau-Tamins am Zusammenfluss von Vorderrhein und Hinterrhein erreicht. Von hier aus biegt nun die Strecke Richtung Süden ab und führt relativ geradlinig immer am Rheinufer entlang bis nach Thusis. Und hier begann nun das eigentliche Highlight des Reisetages – die Fahrt auf dem Feld-, Wald-, Wiesen und Weltkulturerbe der Albulastrecke. Diese verbindet Thusis mit St. Moritz und steigt dabei von knapp 800 m auf über 1800 m, bevor man hinter dem Scheiteltunnel (der höchstgelegene ganzjährig befahrene der Alpen) in Richtung St. Moritz wieder leicht an Höhe verliert. Das alleine ist natürlich noch nicht preisverdächtig, das kommt dann erst durch die Art und Weise, wie die Bahn in die ohnehin schon spektakuläre Landschaft gezimmert wurde.

Höhenprofil

Das erste oft übersehene Highlight ist das Soliser Viadukt, eine der höchsten Eisenbahnbrücken der Schweiz. Allerdings kriegt man das vom Zug aus eher schlecht mit, weil man gar nicht in so steilem Winkel nach unten aus dem Waggon rausgucken kann. Danach schmiegt sich die Bahnstrecke mit Hilfe zahlreicher Galerien und Lehnviadukte an den Berghang, bevor man das etwas weitere Tal oberhalb von Tiefencastel erreicht. Vor einem liegt nun die vermutlich bekannteste und meistfotografierte Brücke der Schweiz, das Landwasserviadukt. Dieses führt in einer engen Rechtskurve direkt in einen Tunnel in einer senkrechte Felswand, bevor die Strecke kurz darauf den Bahnhof Filisur erreicht.

Hier hatte ich beim letzten Schweiz-Kurzurlaub Quartier bezogen (hallo Björn!), und da stand eine Wanderung entlang des nun folgenden Streckenabschnittes auf dem Programm. Allerdings war heute das Wetter wesentlich kühler und bedeckter. Dafür war die Fahrt mit dem Zug auch deutlich weniger herausfordernder als die Wanderung. Die Strecke klebt weiter am Berghang und schraubt sich nun durch den ersten von mehreren Spiraltunneln auf dem Weg in Richtung Bergün.

Im vergleichsweise kurzen Abschnitt zwischen Bergün und Preda geht dann streckenführungstechnisch endgültig die Post ab: Zunächst folgt eine Doppelschleife in der Art der Gotthardstrecke bei Wassen und danach folgen noch drei Kehrtunnel und vier Viadukte zur Querung des immer enger werdenden Tals. Als Reisender im Zug weiß man bei so vielen spektakulären Ausblicken gar nicht, wohin man zuerst gucken soll, und selbst wenn man die Strecke schon ein paar Mal befahren hat und abgewandert ist, bleibt es ein beeindruckendes Erlebnis, welches leider relativ schnell vorbei ist. Man erreicht Preda auf knapp 1800 m Höhe, direkt am Nordportal des Scheiteltunnels gelegen, und aktuell aufgrund der Bauarbeiten an der zweiten Tunnelröhre eine Großbaustelle.

Der Zug verschwindet für einige Minuten im Dunkel, und auf der anderen Seite wirds dann nicht nur heller, nein, sogar die Sonne wagte sich zaghaft hinter den Wolken hervor. In Samedan angekommen stieg das Ehepaar mit Hund und ohne Rucksack (und ohne weitere Dinge zu vergessen) aus, und auch ich machte mich seelisch und moralisch bereit auf das Erreichen des Zieles. Wenige Minuten später erreicht man ja bereits St. Moritz, und ich stellte fest, dass der Bahnhof umfassend umgebaut worden war (anläßlich der alpinen Ski-WM im vergangenen Winter, wie Wikipedia verrät).

Etappe 5 – Spaziergang und Heiliges Altmetall

Ich schnappte mir also meinen Koffer und würdigte die gut gekleideten Chauffeure des Rolls-Royce am Bahnhof nur eines kurzen Blickes – die gehören zum Fünf-Sterne Luxusschuppen und transportieren ihre Klientel die 200 m vom Bahnhof bis zum Hotel. Auf mich wartete niemand, aber wer zur Kleinen Scheidegg wandern kann, der kann auch seinen Koffer vom Bahnhof zum Hotel ziehen. Blöderweise verpeilte ich dank des Bahnhofs den Zugang zur Rolltreppe, welche den Weg bedeutend abkürzt bzw. vereinfacht. Machte aber nix, dafür fuhren auf den paar hundert Metern gleich ein Dutzend ungefähr 45 Jahre alte Mercedes Cabrios an mir vorbei. Aber das wurde noch besser.

Zunächst mal musste ich auf dem Weg zum Hotel die Fußgängerzone der Innenstadt passieren. Dort wurden gerade Absperrungen aufgebaut, deren Sinn sich mir nicht so ganz erschloss, aber das kam dann später noch. Zuallererst war nun erstmal einchecken im Hotel angesagt. Dieses überzeugte sofort durch eine unheimlich gemütliche Ausstattung und ein äußerst nettes Lächeln der adretten österreichischen Empfangsdame, die mir eingehend das Schlüsselsystem des Hauses (mit Zimmer- und Haustürschlüssel) und die Benutzung des Fahrstuhls erläuterte (den ich nicht brauchte, bis in den 2. Stock komme ich auch zu Fuß gerade noch so). Das Zimmer war zweckmäßig, aber nicht so seelenlos wie das in Interlaken – und für die Dusche brauchte ich eine Bedieungsanleitung für all die Düsen und Hebel. Außerdem hatte ich schicken Blick auf den See, nur verstellt durch den blöden Fünf-Sterne Luxusschuppen mit dem Rolls in der Einfahrt.

Letzter Akt des Tages war ein Spaziergang durch den Ort, um mal zu gucken was es da nun so zu sehen gab und wofür die Absperrungen eigentlich gedacht waren. Ich hatte auf dem Weg ins Hotel einige Hinweisschilder auf Alfa Romeo und Ferrari gesehen, also musste es ja irgendwas mit vierrädrigen Blechkaleschen zu tun haben. Ich folgte also erstmal der Straße den Berg hinauf, raus aus dem Stadtzentrum, in Richtung der olympischen Sportstätten von anno dunnemals. Da konnte man am Straßenrand nicht nur einen, sondern auch mal gleich drei moderne Ferraris bewundert (im Wert von mindestens einer halben Million), daneben stand ein klassischer Porsche 911 Targa aus den 1970ern, und auf der Straße kam mir ein Oldtimer nach dem anderen entgegen – und mir dämmerte so langsam, dass hier wohl eine Oldtimerveranstaltung im Gange war.

Neben dem olympischen Sportstadion fand ich dann die Antwort: Anlässlich des 70. Geburtstages einer gewissen italienischen Nobelmarke aus Maranello fand eine Ausstellung und eine Oldtimer-Rallye statt. Die Ausstellung umfasste ausgewählte Rennfahrzeuge, darunter zwei Wagen der Formel 1 (nicht die spektakulärsten oder bekanntesten Fahrzeuge aus der Firmengeschichte, aber immerhin) sowie eine Reihe relativ aktueller GT-Rennwagen. War nicht unbedingt spektakulär, aber dafür auch ohne Eintritt. Außerdem war die Ausstellung überdacht, was angesichts eines ebenso kurzen wie unverhofften Regenschauers nicht falsch war.

Danach schlurfte ich den Motorgeräuschen hinterher ins Zentrum, wo nun offensichtlich eine kurze Wertungsprüfung der Oldtimer-Rallye stattfand: Ein Fahrzeug nach dem anderen absolvierte eine rund 300 m lange Strecke einmal längs durch die Fußgängerzone im vorgeschriebenen langsamen Tempo (es zählt nicht die kürzeste Zeit, sondern die Abweichung von der vorgegebenen Zeit). Und da waren einige echte Schätze am Start… Ferrari 365 GTB/4 Daytona, gleich mehrere 512 BB, diverse seltene Maserati und Alfa Romeo und noch allerlei mehr klassisch geformtes Altmetall. Das fand nicht jeder unbedingt Weltspitzenklasse, immerhin wären die Fahrzeuge heutzutage schon allein wegen Lärm und Emissionsvorgaben nicht mehr zulassungsfähig, von den Crashnormen mal ganz zu schweigen. Die meisten Zuschauer waren aber begeistert, und das italienische Fernsehen war auch am Start.

Ich hatte dann für diesen Tag genug gesehen und machte mich auf den Weg zurück ins Hotel. Für den nächsten Tag war nicht nur besseres Wetter, sondern auch eine Wanderung am Berninapass angesagt. Das ist dann der Inhalt des nächsten Eintrags.

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