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„Ich will wieder…

13. September 2017, 21:58 Uhr von Uwe

…Berge sehen, Gandalf.“ sprach Bilbo Beutlin irgendwann am Anfang vom Herrn der Ringe. Und das paßte ganz gut zur heutigen Bergetappe, denn die hat auch einen Bezug zu Tolkien. Aber vorher gings noch ordentlich den Berg hoch.

Etappe 1 – Interlaken-Grindelwald (19.4 km, ↗409 m, ↘0 m)

Die Fahrt aufs Jungfraujoch war für Freitag geplant, wir hatten aber erst Donnerstag, und ich hatte alle anderen Wandertouren bereits hinter mir. Es blieb nur noch die schwerste Tour übrig – von Grindelwald aus über die Kleine Scheidegg hinunter nach Lauterbrunnen. Die Tour hat schon auf dem Papier nette Zahlen, nämlich Start auf 1034 m und Ankunft auf 797 m, wobei dazwischen nur die Kleine Scheidegg auf 2061 m überwunden werden muß. Und das auf knapp 20 km Fußweg. Das ist also nix was man mal eben so aus dem Fußgelenk macht.

Da ich dem touristischen Massenansturm aus dem Weg gehen wollte (sofern das in der Gegend überhaupt möglich ist), begann der Tag wieder sehr pünktlich mit Frühstück um 6:30 Uhr, so dass ich bereits eine Stunde später im Zug Richtung Grindelwald saß. Selbst zu so früher Stunde war der Zug schon gut gefüllt, gibt es doch für so durchgeknallte Frühaufsteher wie mich extra preisgünstige Fahrkarten zum Jungfraujoch. Außerdem versprach das Wetter wieder viel blauen Himmel und famose Aussichten.

Höhendiagramm

Die Fahrt selbst war ansonsten sehr unspektakulär (bis auf den Blick aus dem Fenster), Grindelwald lag zu dieser Stunde noch komplett im Schatten der umliegenden 3000er. 99% der Mitreisenden stiegen in Grindelwald in den bereitstehenden Zug Richtung Kleine Scheidegg um, der auch von diversen Busladungen Asiaten geentert wurde, nur ich guckte mich gemütlich auf dem Bahnhof um und trug dann erstmal den Frühstückskaffee weg. Danach war ich dann seelisch und moralisch bereit für den folgenden Aufstieg. Und damit begann dann gegen 8:15 Uhr eine nicht ganz so 08/15 Wanderung.

Etappe 2 – Grindelwald – Kleine Scheidegg – Lauterbrunnen (19.68 km, ↗1105 m, ↘1374 m)

Laut GPS hab ich für die Strecke inklusiver längerer Pause auf der Kleinen Scheidegg und am Bahnhof Lauterbrunnen ca 7:22h gebraucht. Der Aufstieg dauert laut Schild in Grindelwald 3:50h, ich habs (trotz häufiger und längerer Pausen zum Luftholen) in 3:45h geschafft und war oben angekommen mächtig stolz auf meine Leistung (wenn auch total abgekämpft). Aber der Reihe nach.

Vor dem großen Aufstieg folgte zunächst mal ein kleiner Abstieg, quasi zum Schwung holen – denn zunächst mal führt der Weg von Grindelwald hinunter nach Grindelwald-Grund, was etwa 90 m tiefer liegt. Ab dort geht es dann steil bergauf. Teilweise wird der Radwanderweg mitgenutzt, dieser macht allerdings diverse Schleifen, um die Steigung erträglich zu halten. Der Wanderweg kürzt die Schleifen durch fies steile Rampen ab, so dass man ziemlich schnell an Höhe gewinnt, aber bei unvorsichtig flottem Schritt auch ebenso schnell völlig aus der Puste ist.

Zum Glück war es so früh am Morgen noch recht schattig, die Sonne kommt halt wegen der hohen Berge erst am späten Vormittag überhaupt im Tal an. Wirklich tolle Aussicht hat man anfangs auch noch nicht, Grindelwald liegt halt wie gemalt hinter einem im Tal, vor einem baut sich links die mächtige Eiger-Nordwand auf, und ansonsten sieht man halt nur, wie sich der Weg weiter steil nach oben schraubt. Man muß sich dann halt kurze Ziele setzen – bis zur nächsten Kurve, zum nächsten Wegweiser, bis zu den nächsten 100 Höhenmetern auf der GPS-Anzeige…

Steigungsdiagramm

Am Restaurant Brandegg ist man schon auf über 1300 m angekommen, dort spürte ich dann die ersten Sonnenstrahlen des Tages. Vorsorglich cremte ich mich dick mit Sonnenschutz ein, bei der zu erwartenden Höhensonne war das zwingend notwendig (und verhinderte den Sonnenbrand am Ende auch nicht vollständig). Ungefähr an dieser Stelle, etwa da wo der Wanderweg die Bahnstrecke kreuzt, machte ich eine längere Pause an einem Brunnen (die gibts da reichlich), und wurde von einer älteren Dame auf dem Fahrrad überholt – Kunststück, mit nem e-Bike kann ich auch bequem den Berg hochfahren, wo ist da die Kunst? Die Touristen in den nun bereits alle paar Minuten vorbeiruckelnden Bahnen hingegen guckten mich eher an wie das achte Weltwunder, zumal ich weit und breit der einzige Wanderer war.

Weiter gings nun entlang der Asphaltstraße Richtung Alpiglen, hier ging das Wandern aufgrund der etwas sanfteren Steigung deutlich besser, außerdem war man inzwischen oberhalb der Baumgrenze und hatte nun auch etwas mehr Aussicht Richtung Männlichen und Lauberhorn. An der Station Alpiglen, nur knapp 2 km von Brandegg entfernt, aber weitere 300 m höher war bereits mehr als die Hälfte des Aufstiegs geschafft (hooray for self-motivation). Hinter der Bahnstation Alpiglen ging es sogar für einige Meter leicht bergab zum Bahnübergang, und von hier hatte man nun auch das allerdings noch immer eine knappe Wegstunde entfernte Ziel hoch oben vor Augen – die Gebäude an der Kleinen Scheidegg.

Ich brauchte nun, wohl aufgrund der immer dünner werdenden Höhenluft, verbunden mit stetig steigenden Temperaturen aufgrund wunderbaren Sonnenscheins, immer öfter kurze Ruhe- und Getränkepausen. Das brachte nicht nur den Puls und die Atmung wieder in akzeptable Bereiche, sondern machte auch den Rucksack leichter. Zur Wahrung eines kühlen Kopfes entledigte ich mich nun auch meines Unterhemdes, wusch dieses an einem der zahlreichen Brunnen im eiskalten Wasser und packte es mir als Kühlungsmittel in meinen modischen Schlapphut – coole Sache, das.

Geschwindigkeitsdiagramm

Hier oben kamen mir nun auch tatsächlich Wanderer entgegen, und vor mir waren auch Wanderer am Aufstieg, die aber wohl eher erst in Alpiglen gestartet waren, sonst hätte ich sie schon eher mal gesehen. Je näher ich der Kleinen Scheidegg kam, umso grandioser wurde das Alpenpanorama. Irgendwann kommt auf der linken Seite dann das gesamte Panorama von Eiger, Mönch und Jungfrau ins Blickfeld, vor einem liegt die Kleine Scheidegg mit diversen Sesselliften und Seilbahnen, und rechts davon das eher unscheinbare Lauberhorn und der Männlichen (die haben schon komische Namen für die Berge da)…

Kurz vor 12 hatte ich den Aufstieg dann geschafft – und war ziemlich geschafft. Während man bis dort ziemlich alleine für sich war, tobt auf der Kleinen Scheidegg natürlich das pralle Touristenleben, Gewusel und Gerenne hoch 10. Touristengruppen aus allen Ecken der Welt, vornehmlich natürlich aus dem asiatischen und indischen Raum, schreiende Kleinkinder, wild gestikulierende Italiener, russische Schickeria-Tanten, das volle Ballett. Natürlich gibts auch jede Menge Tinnef zu kaufen, ich hingegen wollte einfach erstmal nur einen Sitzplatz, wo ich mich ein paar Minuten erholen konnte. Den fand ich dann irgendwann auch und guckte dem ganzen Spektakel aus sicherer Entfernung zu. Zumindest war mir dann schon mal klar, wie die Umsteigerei Richtung Jungfraujoch funktioniert, da gibts nämlich ausgeklügelte Organisation bei den Schweizern.

Irgendwie hatte ich jetzt auch leichten Appetit auf was zu Futtern, allein die Plätze am Futtertrog waren alle belegt, zumal die Preise selbst für Schweizer Verhältnisse ungefähr so hoch waren wie die umliegenden Berge. Ich erstand also nur ein Eis (wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht drei zugegebenermaßen recht große Kugeln für sechs Franken), und nachdem ich das verputzt hatte begab ich mich auf den Weg hinab, der nochmal deutlich spektakulärer war als der Aufstieg.

Höhendiagramm

Das lag zunächst mal daran, dass man zum Anfang natürlich noch die geniale Aussicht auf das Dreiergestirn der wichtigsten Schweizer Berge hat, und setzt sich später mit dem Blick hinab ins Lauterbrunnental mit seinen hunderte Meter hohen senkrechten Felswänden fort. Zwischendrin liegt noch das verschlafene Bergdorf Wengen, welches zumindest Wintersportfreunde aus dem Fernsehen kennen, Stichwort Lauberhorn-Abfahrtsrennen. Und genau auf einem Teil dieser Abfahrtsstrecke führt der Wanderweg tatsächlich entlang, nämlich auf dem (im TV immer als flaches schnelles Gleitstück titulierten) Abschnitt zwischen Canadian Corner, Alpweg, Kernen-S und Wasserstation. Da gibts dann Hinweisschilder zum Streckenverlauf, und wenn man sieht, wie steil der Weg da schon für Fußgänger ist und sich dann vorstellt dass die Rennfahrer da mit über 100 Sachen auf zwei schmalen Holzbrettern runterdonnern kann man nur sagen, dass die ganz schön meschugge sein müssen. Auf der Webseite der Lauberhornabfahrt sieht man die Streckenführung und kann auf dem Foto auch gut den eigentlichen Wanderweg erkennen, der oberhalb des Waldgebietes Richtung Wengen führt, während sich das Ziel der Abfahrt rund 1 km südlich und deutlich tiefer im Tal befindet. Natürlich gibts auch mehr als genug Videos von der Abfahrt bei youtube, darunter auch eine Version wie es im Sommer aussehen würde…

Der Wanderweg biegt dann ab und führt über einige Weiden (nur echt mit lila Kühen, allerdings war grad die lila Farbe aus, daher waren nur steingraue Rindviecher anwesend) bis nach Wengen. Der Weg ist dabei relativ steil, aber noch einigermaßen vernünftig zu laufen, schön breit und auch für Radfahrer geeignet (zumindest bergab, bergauf wärs mir zu anstrengend). Hier waren nun auch mehr Leute unterwegs, die den schönen Sommernachmittag für einen Spaziergang nutzten.

Steigungsdiagramm

Wenn ich geahnt hätte, wie der weitere Abstieg von Wengen nach Lauterbrunnen aussieht, wäre ich in Wengen in die Bahn gestiegen. Und wenn ein gewisser J.R.R. Tolkien die Strecke gelaufen wäre, hätte er bestimmt weniger darüber geschrieben, wie begeistert Bilbo Beutlin war, als er das erste Mal nach Bruchtal kam, sondern vor allem davon, wie sehr seine Knie schmerzten… Der Abstieg hinunter ins Lauterbrunnental erfolgt auf supersteilen Serpentinenpfaden, die nur deswegen keine Treppenstufen haben, weil das blöd für Mountainbiker wäre. Aber es geht tierisch auf Knie und Unterschenkel, die taten mir noch zwei Tage später weh… Andererseits entschädigt der Blick ins Tal für die Anstrengungen.

Das Lauterbrunnental ist so ziemlich das spektakulärste Stück Landschaft, was ich in der Schweiz gesehen habe… Unten im schmalen Tal saftige grüne Wiesen, durchschnitten von einem wildromantischen reißenden Bergbach, und beiderseits flankiert von senkrecht aufragenden Felswänden, von denen über zahlreiche Wasserfälle das Schmelzwasser der umliegenden schneebedeckten Gipfel hinabstiebt. Ungefähr so blumig kann und muß man das beschreiben, und nachdem ich das mit eigenen Augen gesehen habe, wundert es mich auch nicht mehr, dass dieses Tal das Vorbild für Rivendell (aka Bruchtal), Elronds Heimat in Mittelerde gewesen ist. Auf der geoidförmigen Erde hingegen ist das Lauterbrunnental Heimat zahlreicher Basejumper, Paraglider und ähnlicher latent todessehnsüchtiger Adrenalinjunkies… Das merkt man selbst unten im Tal anhand der dortigen Szenetreffs.

Kurz vor 15 Uhr kam ich am Bahnhof Lauterbrunnen an und ließ den dort bereitstehenden Zug erstmal abfahren, weil ich mich noch ein wenig umsehen wollte. Ich erstand ein paar Ansichtskarten und setzte mich noch eine halbe Stunde, bis zur Abfahrt des nächsten Zuges, auf den Bahnsteig. An eben diesem Bahnhof spielte übrigens auch eine Szene des eher unterbewerteten James Bond-Films „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ mit George Lazenby. Das war mir in dem Augenblick aber mal eher wumpe, ich bestaunte eher den Staubbachfall im Hintergrund, einen der höchsten Wasserfälle der Schweiz.

Etappe 3 – Lauterbrunnen – Interlaken (12.4 km, ↗3 m, ↘232 m)

Kurz nach halb vier fuhr der nächste – gut besuchte – Zug Richtung Interlaken, und nach der anstrengenden Bergtour war ich auch gar nicht mehr so richtig in der Lage alle Eindrücke überhaupt aufzunehmen. In Interlaken stapfte ich also ziemlich geschafft zurück ins Hotel und unter die Dusche. Anschließend fiel ich erstmal für eine gute Stunde ins Bett, bevor ich mich aufraffte und gegen 18 Uhr ins Hotelrestaurant bequemte – wer so viel wandert muß auch mal ein lecker Bier trinken und was essen.

Im Restaurant war noch überhaupt nix los, ich bekam also den besten Tisch und gleich drei verschiedene Kellner(innen) kümmerten sich um mein Wohl. Dazu gehörte als Aufmerksamkeit der Küche ein Leckerli auf Basis von irgendwie aufgeschäumtem Tomaten-irgendwas. Tomaten sind ja außer in Ketchup mal so gar nicht mein Fall, aber das war so als Appetizer ganz ok, war halt luftig lockere Creme mit Tomatengeschmack und auf dem Weg in den Magen schon verdunstet.

Geschwindigkeitsdiagramm

Als Hauptgang gab es dann eine Röstipfanne mit gebratener Leber, die stilecht in einer ordentlich heißen Blechpfanne serviert wurde. Garniert war das Ganze mit dünnen Apfelscheiben und ein ganz wenig Zwiebel. Die Leberstücken waren vergleichsweise klein geschnitten, aber super angebraten und die Rösti waren sowieso lecker. Und ich hätte genug Kohldampf gehabt auch noch die Pfanne mitzufuttern, hab das aber aus Rücksicht auf meine Zähne dann doch lieber gelassen…

Abgerechnet wurde der Spaß direkt aufs Zimmer, und da stutzte der (deutsche) Kellner bei meinem Namen und fragte dann auch erstmal wo der denn herkommt. Da konnte ich dann zum Glück drei Sätze dazu sagen, ist ja immer eine gute Geschichte. Die Interaktion mit den Kellnern war sowieso recht witzig, weil die immer nicht einschätzen konnten, ob sie mich nun auf deutsch, englisch oder französisch anquatschen sollten… Vielleicht hätte ich auf die Frage „Sprechen sie Deutsch?“ spaßeshalber „Si.“ antworten sollen…

Fazit: Ein super Tag mit einer ganz hervorragenden, obgleich äußerst anstrengenden Wanderung vor traumhafter Kulisse mit einem sehr leckeren Abendessen als Ausklang. Am nächsten Tag wollte ich ja bereits erneut zur Kleinen Scheidegg, dann allerdings mit der Bahn, mit der Wanderei war nun erstmal für einige Tage Pause angesagt.

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