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Schwäbische Spezialitäten

8. Oktober 2015, 21:42 Uhr von Uwe

Die letzte Urlaubswoche brach an, und ich brauch auf – zu einer Reise nach Tübingen und Freudenstadt. Was mir teilweise Freude machte, teilweise aber auch nicht.

Morgenstund hat Kaffee im Mund

Der Tag begann recht ernüchternd mit einem eher aufgeregten Frühstück. Das Hotel ist ein Businesshotel, das heißt es waren massig Geschäftsreisende unterwegs, die schon früh um sieben Arbeitsthemen bequatschen mussten, während ich eigentlich nur in Ruhe meinen Kaffee trinken wollte. Außerdem waren die Plätze recht knapp bemessen und es gab keine gescheiten Süßkramportionen. Die Krönung waren die Designerteller im Ovallook, die zwar gut aussehen, aber kaum Platz fürs Frühstück lassen. Da nutzt es dann auch nix mehr, dass an der Wand die übergroßen Visagen bekannter Rennfahrer angemalt sind, die ich sogar alle mit Name und wichtigsten sportlich-biographischen Fakten aufzählen könnte…

Anyway, ich schlich dann zum Bahnhof, kaufte mir noch etwas zu trinken für unterwegs und nahm Platz im ersten Zug des Tages. Dieser bestand aus vier(!) gekuppelten Triebwagen der schönen *hust* Baureihe 612, bekannt als Wackel-Dackel mit Brummdiesel. Die erste relevante Ansage des Zugpersonals betraf die Fahrtziele, da der Zug unterwegs mehrfach geteilt wird und damit irgendwie von überall nach nirgendwo fährt. Die zweite Ansage betraf die Fahrgäste in einem Zugteil in dem ich nicht saß, da war nämlich einer der Motoren ausgefallen, und damit reichte die Leistung nicht mehr aus, um dort die Klimaanlage zu betreiben. Die Temperaturen betrugen am frühen Morgen bereits sportliche 25 Grad, das war also eine eher blöde Meldung für den frühen Morgen.

Tübingen

Ich erreichte die Universitätsstadt am frühen Morgen, quasi zeitgleich mit der allgemeinen Ladenöffnung. Schnell wurde mir klar, dass ich mir von der Stadt deutlich mehr erwartet hatte – die bekannten Aussichtspunkte am Neckar waren dank Baustellen kaum genießbar, der Marktplatz war zugebaut mit Baugerüsten vom Rathaus, und an jeder möglichen und unmöglichen Häuserwand hatten Graffitischmierer ihre Zeichen hinterlassen. Das war irgendwie alles nix für mich. Ich marschierte dann also nur den Berg hoch zum Schloß, guckte von dort einmal kräftig in die Runde und beschloß, mit dem nächstbesten Zug weiterzufahren.

Das würde mir erlauben, deutlich eher in Freudenstadt zu sein, und von dort dann noch einen Ausflug in die eine oder andere Richtung zu machen. Und so machte ich das dann auch. Ich stiefelte zurück zum Bahnhof und ließ mich am Neckar entlang nach Horb kutschieren. Dort wechselt der Zug die Fahrtrichtung und dieselt weiter in der Gegend herum. Bis Horb war der Zug – ein mickriger Triebwagen – gut besucht, in erster Linie aber von „Oma beim Einkauf mit Tasche“. In Horb steht man dann noch zwecks Anschluß und so eine Viertelstunde herum, und so kam ich dann absolut pünktlich in Hochdorf bei Horb an. Das ist ein Bahnsteig mitten in der Pampa, an dem man vom Dieseltriebwagen in die Straßenbahn umsteigen kann. Letztere fährt dann nach Freudenstadt bzw. weiter nach Karlsruhe.

Freudenstadt

Die Straßenbahn überzeugte nicht nur mit zahllosen Überwachsungskameras, sondern auch durch große dreckige Fenster, die einen guten, aber nicht hervorragenden Blick auf die durchaus hübsche Landschaft erlaubten. Im Ohr krawallten derweil Armored Saint und Deep Purple. Letztere wurden dann auch gerade fertig, als ich in Freudenstadt Hauptbahnhof aus der Bahn stieg.

Nun hatte ich ein kleines Problem mit der modernen Technik: Meine Netzanbindung war so mies, dass ich keine Karte der Umgebung auf meinem smarten Phone aufrufen konnte. Also musste ich mir mit dem vor dem Bahnhofsgebäude aufgestellten Lageplan behelfen. Dieser jedoch war – und das fiel mir erst hinterher auf – ziemlich verwirrend. Es gibt nämlich den Bahnhof Freudenstadt Stadt, und den Bahnhof Freudenstadt Hauptbahnhof. Zwischen beiden liegen diverse Meter Bahnstrecke und ordentlich Höhenmeter. Und der Hauptbahnhof liegt soweit ab vom Stadtzentrum, dass er auf dem Plan gar nicht eingezeichnet war… Ich lief also auf gut Glück der Hauptstraße nach den Berg hinauf – irgendwo musste man ja herauskommen.

Dass ich auf dem richtigen Weg war bemerkte ich erst 20 Minuten später, als ich feststellte, dass direkt vor mir die Fußgängerzone begann und ein Wegweiser Richtung Stadtzentrum wies. Dort angekommen war es ziemlich High Noon, passend dazu knallte die Sonne bei über 30 Grad vom Himmel. Ich beschränkte mich darauf, eine Menge Fotos vom wirklich sehenswerten riesengroßen Marktplatz zu machen und begab mich zum anschließenden Abschluß des Spaziergangs zu einem italienischen Eiscafé. Das heißt es war genauer gesagt ein von Italienern betriebenes Eiscafé. Die hatten dann dort neben den üblichen verdächtigen Sorten so illustre Eissorten wie „Kinderschokolade“.

Ich hingegen hatte kein Kleingeld mehr einstecken, und Eis für 50 EUR (der einzige schöne Schein in der Brieftasche) wäre doch etwas viel gewesen. Zum Glück konnte die Bedienung wechseln, und so war ich um eine Eistüte mit Vanille, Erdbeere und Zitrone (wie langweilig) reicher. Diese wurde im flotten Schweinsgalopp verdrückt, denn in nur 35 Minuten fuhr meine Straßenbahn, die mich quer durch den Wald nach Karlsruhe bringen sollte. Und ich hatte noch zwei Kilometer Fußmarsch den Berg wieder hinunter vor mir.

Dieser Marsch wurde aber bravourös gemeistert, und so konnte ich pünktlich in einem toll aufgeheizten Straßenbahnwagen (ich erwähnte bereits die großen Fenster, aber nicht die Tatsache, dass er keine Klimaanlage hat) Platz nehmen. Dieser kurvte nun ungefähr zwei Stunden durch die nördlichen Ausläufer des Schwarzwaldes, steil den Berg hinunter und durchs Murgtal in Richtung Rastatt. Rein optisch war die Fahrt ein echtes Erlebnis, nur die Tatsache, dass ich langsam aber sicher am Stuhl festklebte, war doch irgendwie nervig.

Nach Zwischenhalten an so illustren Haltestellen wie „Unimogwerk Gaggenau“ oder Forchheim (das gibts da drüben tatsächlich auch nochmal) und dem übermäßig langen Warten auf einen TGV zwecks Überholung kamen wir dann schließlich vor dem Karlsruher Hauptbahnhof an – so richtig ganz normal als Straßenbahn eben.

Zwischen Tunneln und Kehrschleifen

Nun hatte ich irgendwie noch den ganzen Nachmittag vor mir. Nach Stuttgart zurück wollte ich noch nicht, warum also nicht noch eine Schleife nach Süden machen, um endlich mal eine weitere Lücke auf der persönlichen Eisenbahnlandkarte zu schließen? Diese betraf die Gäubahn zwischen Rottweil und Hattingen. Um nun dahin zu kommen musste ich erstmal in den Süden fahren. Da lag es nahe, in den schon bereitstehenden IRE nach Singen einzusteigen, der erst bis Offenburg durchs Rheintal eilt, um anschließend über 39 Tunnel und mächtige Kehren den Schwarzwald zu queren.

Die Strecke kenne ich ja gut aus der Zeit als ich da unten noch wohnte und arbeitete, aber nach fünf Jahren Abstinenz wollte ich mir mal wieder die Schwarzwaldbahn gönnen. Daher setzte ich mich im Doppelstöcker oben in Fahrtrichtung rechts und freute mich über die Laufruhe, den quasi leeren Waggon und die gut arbeitende Klimaanlage.

Im Rheintal passierte nicht viel, der Zug war quasi leer, und Landschaft ist ja dort auch noch nicht wirklich. In Offenburg hingegen wurde der Zug invasiert von Leuten aus dem südlich liegenden Nachbarland mit der komischen Aussprache. Und die unterhielten sich – Schreck lass nach – über Fußball. Ganz offensichtlich waren sie am Wochenende in Dortmund und/oder Köln gewesen und hatten dort im Stadion mitgefiebert. Mir war gar nicht klar, dass man als Schweizer so leidensfähig sein kann, Fan vom 1. FC Köln zu sein. Aber gut, ist vielleicht immer noch besser als Young Boys Bern (die wohl auch eine Frauenfußball-Abteilung haben)…

Den Vogel ab schossen die Damen, die sich eingehend über die besonderen Stärken der Spieler austauschten – Mats Hummels hat die tollste Haarpracht, der Gündogan (oder wie er sich richtig schreibt) ist auch supersüß, und Marco Reus ist wohl auch sehr schnuckelig. Da möchte man als Kerl doch glatt im Strahl reiern wenn man solchen Mist mit anhören muss. Aufgrund der allgemeinen Lautstärke konnte ich das nicht mal mehr mit Krach aus der Konserve kontern…

Die Landschaft zwischen Hausach und St Georgen ist trotzdem über jeden Zweifel erhaben, es war sehr schön da mal wieder langzufahren und auch einen Blick auf Villingen zu erhaschen. Nach dem Anstieg bis St Georgen geht die Bahnstrecke ja relativ eben weiter nach Singen, da ist die Landschaft dann zwar immer noch schön, aber nicht mehr so spektakulär.

Zurück nach Stuttgart

In Singen angekommen musste ich noch auf den Zug zurück nach Stuttgart warten. Dieser kam aus Zürich und wechselte in Singen Fahrtrichtung und Lokomotive. Während der Wartezeit am Bahnsteig – die Temperaturen waren inzwischen wieder erträglich, aber es war auch bereits 18 Uhr abends – erhielt eine Durchsage große Aufmerksamkeit, die ich so auch noch nicht gehört hatte: „Der Zug nach Konstanz fällt aus wegen einer Suizidankündigung.“ Das hatte ich nun auch noch nicht gehört. Notarzteinsatz am Gleis, Verzögerungen im Betriebsablauf, technischer Schaden am Triebfahrzeug oder Stellwerk, damit rechnet man ja mittlerweile schon. Aber ein angekündigter Suizid? Warum denn ankündigen, dann kommt doch gar kein Zug mehr hinter den man sich schmeißen kann…

Meinen IC nach Stuttgart betraf das aber alles nicht, der fuhr pünktlich ab. Ich fand im fast leeren Waggon einen guten Platz gegenüber von drei Schweizer Geschäftsleuten. Diese waren auf dem Weg nach Frankfurt, von wo sie am nächsten Morgen irgendwohin fliegen sollten, wenn ich das richtig verstanden habe. Das mit dem Verstehen ist ja ein wenig komplizierter bei diesem völlig schrägen Dialekt. Hört sich zwar toll an, aber man versteht als zugereister Exilhalbsachse trotzdem nur Bahnhof.

Die Fahrt führte gemütlich durchs Neckartal durch so wichtige Ortschaften wie Tuttlingen, Rottweil und noch einmal Horb. In Böblingen erhaschte ich einen kurzen Blick auf unsere dortige Dienststelle, wo die Kollegin arbeitet mit der ich täglich stundenlang telefonieren kann/darf/soll/muss (rein dienstlich, bevor hier irgendwer auf falsche Ideen kommt) – toller Satzbau hier aber auch. Danach kurvt der Zug noch einmal hübsch den Berg hinunter in Richtung Stuttgart Hauptbahnhof, wobei man einige wenige gute Blicke von oben auf die Innenstadt erhaschen kann.

Mit einsetzender Dunkelheit war ich dann gut wieder angekommen und trampelte direkt zurück ins Hotel – der Tag war lang gewesen und ich brauchte meinen Schönheitsschlaf 😉 Für den nächsten Tag war schließlich bereits der nächste Trip geplant.

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