Kategorien

Archive

Kalender

September 2015
M D M D F S S
 123456
78910111213
14151617181920
21222324252627
282930  

Kreuzt niemals die Ströme…

23. September 2015, 19:49 Uhr von Uwe

…sondern nur die Kanäle. Und der Kanal des Tages war der Nord-Ostsee-Kanal. Selbiger war nämlich das Ziel einer umwegreichen Fahrt, denn der Weg war wieder einmal das Ziel.

Auf zur Ostsee

Der Tag begann mit dem üblichen Frühstück, direkt danach ging es zum Bahnhof, wo mich um kurz nach acht Uhr der erste Zug des Tages nach Lübeck bringen sollte. Bereits auf dem Weg zum Bahnhof fielen mir die diversen Absperrgitter, Polizeieinheiten und in sportlich enge Leberwurstpellen eingezwänge Radfahrer auf. Dies waren die Vorboten des Cyclassics-Radrennens, bei dem jeder mitfahren darf, und bei dem auch die Profis eine extra Strecke befuhren. Dazu aber später mehr.

Die Fahrt nach Lübeck selbst fand in bequemen Doppelstockwaggons statt, die jeden Triebwagen alt aussehen lassen. In der Marzipanstadt angekommen musste ich nur einmal quer über den Bahnsteig wackeln, um im nächsten Zug – einem ekelhaft lauten Dieseltriebwagen – Platz zu nehmen. Die Reise führte nun über verträumt im Grünen liegende Gleise vorbei an so weltbewegend wichtigen Orten wie Bad Schwartau (bekannt für süßen Brotaufstrich), Malente (bekannt als Trainingslager der Nationalmannschaft anno ’74) und Plön (bekannt für keine Ahnung was)… Da konnte man immerhin schon mal größere zusammenhängende Wasserflächen betrachten und ornithologische Inkompetenz feststellen – mehrere große graue Vögel, aber welche Sorte genau das war ist schwierig zu wissen wenn das Schild am nicht vorhandenen Käfig fehlt…

Kielgeholt

Und so kam ich dann auch pünktlich in Kiel an. Dort hatte ich einen ersten kurzen Zwischenstop von knapp einer Stunde eingeplant, in der ich eigentlich nur mal kurz den Hafen angucken wollte. Der befindet sich erfreulicherweise direkt vorm Bahnhof und wurde von einer großen Fähre und einem noch größeren Kreuzfahrtschiff bevölkert. Ich registrierte aus dem Augenwinkel die Öffnungszeiten der Klappbrücke – und kaum war ich zum zweiten Mal drüber (also einmal hin, Schiff knipsen und wieder zurück) schaltete auch schon die Ampel auf rot und die Brücke klappte nach oben. Wenn ich da auf der falschen Seite gestanden hätte, wäre mein Anschlußzug ohne mich abgefahren. So konnte ich das klapprig klappernde Klappbrückenspektakel (Alliterationen, falls es noch keiner bemerkt haben sollte…) aber in aller Ruhe bestaunen.

Ich hatte auch prompt ein zweites Mal Glück auf dem Weg zurück zum Bahnhof, dass ich nämlich fünf Minuten vor der Vollsperrung der Straße eben jene überquerte, um wieder in den Bahnhof zu gelangen. Mir war nämlich nicht aufgefallen, dass die professionellen Zweiradtreter in Kiel ihre Fahrt nach Hamburg beginnen sollten. Und zwar pünktlich um 11 Uhr und damit quasi unmittelbar vor Abfahrt meines Zuges. Da hätte ich also gleich ein zweites Mal schön doof herumstehen und dem Zug hinterherwinken können.

So aber ging alles gut und ich hatte noch eine ganze Zuglänge von ungefähr 750m (und nicht über einen Kilometer wie da einer herumschimpfte wie ein Rohrspatz – man muss ja aber auch nicht die gesamte Länge des Zuges mitsamt schwerem hoch und runter laufen weil man sich nicht entscheiden kann wo man im leeren Zug sitzen will) vor mir zur Auswahl des besten Platzes im ICE von Kiel nach Basel mit Zwischenhalt in so weltbewegend bedeutsamen Umsteigeknoten wie Neumünster. Dort wollte ich nämlich als nächstes hin, was irgendwie schon beknackt ist im ICE… Unterhalten wurde ich während der knapp halbstündigen Fahrt von vier älteren Damen (so knapp 60 Jahre jung) der feineren Stuttgarter Gesellschaft, die sich in epischer Breite über ihre Urlaubsfotos und die Macken ihrer Männer, Tennispartner und Theaterfreunde unterhielten… Dann lieber Solitaire als elitär…

Durch die holsteinische Pampa

In Neumünster hieß es nun wieder einen Dieseltriebwagen besteigen, um mit weltbewegenden 60 km/h durch die atemberaubende holsteinische Landschaft zu brettern. Blumenpflücken während der Fahrt entfiel aus Mangel an öffnungsfähigen Fenstern, dafür konnte man sich über eine funktionierende Klimaanlage freuen. Neben vereinzelten Kühen (zum Teil braungescheckt und zum Teil schwarzgescheckt), dem Bauer aufm Trecker und diversen Windkrafträdern gibts da nicht wirklich viel zu sehen. Lediglich die Brücke über den Nord-Ostsee-Kanal bringt etwas Abwechslung, da erkennt man dann sehr schön, dass die Landschaft auch in größerer Entfernung noch nicht abwechslungsreicher wird… Gut, irgendwo am Horizont kann man Brunsbüttel und dahinter die Nordsee erahnen, aber nicht wirklich sehen.

In Heide (Holst) hieß es dann wieder umsteigen. Dazu musste man erneut nur quer über einen ewig breiten Bahnsteig marschieren, an dessem westwärtigen Ende die Marschbahn Richtung Sylt führt. Da nahm ich nun in einem doch ziemlich bequemen neuen Waggon Platz, der von einer ebenfalls recht modernen Diesellok gezogen wurde. Kaum hatte ich Platz genommen konnte ich aber auch schon fast wieder aufstehen, denn nur wenige Kilometer weiter nördlich hieß es in Husum erneut umsteigen, um nun wieder nach Osten weiterzufahren. Dies war nun wieder ein lauter Dieseltriebwagen, der mich bis nach Rendsburg brachte (die Landschaft sieht weiter nördlich genauso unterhaltsam aus wie vorhin schon für die südlichere Strecke beschrieben, daher überspringe ich das jetzt einfach mal).

Den Kanal voll haben

Rendsburg ist bekannt für seine Brücke über den Nord-Ostsee-Kanal, und genau diese wollte ich mir nun aus der Nähe ansehen. Dazu muss man erstmal 2.5 km vom Bahnhof bis zum Kanal marschieren. Ich hatte dabei noch Glück, dass die Fähre nach Reparaturpause den ersten Tag wieder in Betrieb war. Außerdem sollten Sonntags nachmittags Führungen auf der Brücke stattfinden, was ich mir trotz und gegen Höhenangst antun wollte.

Allerdings waren sich Internet und der Aushang vor Ort nicht ganz einig über die Uhrzeit der Führung, was dann dazu führte, dass ich zur falschen Zeit auf der falschen Seite des Kanals war. Man kann eben nicht immer nur Glück haben. Eine Fahrt auf der Schwebefähre (die hängt unten an der Brücke dran und schwebt quer über den Kanal) habe ich mir auf jeden Fall aber gegönnt, das ist schon ein Erlebnis. Ebenfalls ein Erlebnis ist es, wenn auf dem Kanal ein Ozeanriese an einem vorbeischippert und nur knapp unter der Brücke durchpaßt. So ein Schiff ist eben schon mal gute 35 bis 40 m hoch. Passend dazu gibt es an der Brücke ein Café mit exquisiten Preisen, wo man sich hinsetzen und Schiffe gucken kann, wobei jedes Schiff mit der entsprechenden Nationalhymne begrüßt wird.

Ich hingegen spazierte auf der Südseite des Kanals entlang und beobachtete von dort die Schiffe. Der Rückweg zum Bahnhof führte mich dann nicht wieder zur Fähre, denn die hat immer dann Pause, wenn ein Schiff kommt. Und der Kanal ist voller Schiffe, so dass es auch schon mal sein kann, dass die Fähre eine halbe Stunde lang nicht die Seiten wechseln kann. Da ich aber irgendwann auch wieder zurück nach Hamburg wollte – es war inzwischen nach 16 Uhr, ging es nun zum wenige hundert Meter entfernten Fußgängertunnel. Dieser unterquert den Kanal in etwas über 20m Tiefe – Ähnlichkeiten mit dem Elbtunnel St. Pauli sind nicht auszuschließen.

Wer hat die längste?

Während man dort aber zu Fuß die Treppen runter- und hochspaziert oder den Fahrstuhl nehmen kann, gibt es in Rendsburg die längste Rolltreppe Deutschlands (und früher wohl sogar mal Europas). Die führt dann ungefähr 55m in die Tiefe (Hypothenuse aus etwas über 20m Tiefe und ungefähr 45° Winkel zur Ankathete – wie war das noch mit Pythagoras und den gleichschenkligen Weibern?). Das ist schon auch ein Erlebnis, über zwei Minuten auf einer einzelnen Rolltreppe herumzustehen. Und im Gegensatz zur Fähre rollt die Treppe ohne Unterbrechung durch kreuzenden Schiffsverkehr.

Damit hatte ich mein Spaziergangspensum für den Tag auch erledigt, nun war als letztes Kapitel noch die Fahrt über die Hochbrücke zu absolvieren. Dazu bestieg ich kurz vor 17 Uhr den Zug nach Hamburg, welcher nun direkt nach der Ausfahrt aus dem Bahnhof Rendsburg eine große Schleife gegen den Uhrzeigersinn fährt (von der man dank zahlloser Bäume am Streckenrand nicht viel sieht) und damit (schiefe Ebene und so) ungefähr 40m Höhe gewinnt, bevor dann endlich die Bäume verschwinden und man einen tollen Blick aus dem Zug genießen kann. Erfreulicherweise spendierte die Bahn für den hochtrabend „Schleswig-Holstein-Express“ betitelten Zug steinaltes Material, so dass die Klimaanlage als dezentral autonom regulierbare tempoabhängige Frischluftzufuhr (auch bekannt als Fenster) ausgeführt war. Damit konnte man durchs geöffnete Fenster schön das unter der Brücke hindurchtuckernde Schiff knipsen.

Der Rest der Fahrt stand dann eher im Zeichen der Entspannung, es war ein recht langer Tag gewesen. Vor die Ankunft in Hamburg hatten die Planer noch eine schicke Verspätung gesetzt, da wegen der Bauarbeiten in Altona die Verbindungsbahn ein noch größeres Nadelöhr darstellt als sonst sowieso schon. Irgendwann am frühen Abend war ich dann aber doch wohlbehalten wieder im Hotel angekommen und konnte mich nun darauf konzentrieren, meine Siebensachen für die nächste Etappe zu packen. Der Urlaub in Hamburg war damit nämlich zum Ende gekommen.

Einen Kommentar schreiben