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Ab durch die Mitte

15. September 2014, 22:23 Uhr von Uwe

Am Montag, den 25. August, ging es nach einem Tag Pause erneut quer durch die Republik. Das Reiseziel war der östlichste Rand der Republik, nämlich Görlitz. Auf dem Rückweg sollte in Chemnitz Station gemacht werden, weil die Fahrt von Görlitz nach Güsten die zur Verfügung stehende Zeit gesprengt hätte. Und so lief das dann ab:

Der Tag begann mit Händeschütteln, weil ich zufälligerweise Geburtstag hatte. Danach ging es über Magdeburg nach Berlin. Diese Tour hatte ich schon mehrfach gemacht – um 2000 herum sogar jeden Sonntag und zuletzt erst im Juli beim Museumsbesuch in Berlin – weswegen ich die Zeit für technischen Dienst an den Augen nutzte (auf gut Deutsch: Augenlider von innen angucken aka schlafen). Am späten Vormittag stand ich dann bei schönem Sonnenschein am Berliner Ostbahnhof und sah mir mit einem unguten Gefühl in der Magengegend die Abfahrtstafel an.

Mein Zug Richtung Cottbus kam aus Wismar und hatte eine Verspätung von 10 Minuten. Das würde bedeuten, dass mein Anschluss in Cottbus weg wäre und ich erst eine Stunde später in Görlitz ankommen würde. In Anbetracht des festen Zeitplans (ich war abends in Chemnitz zum Essen eingeladen) überlegte ich mir schon Ausweichziele (Berlin oder Dresden angucken geht immer). Dann kam der Zug und ich staunte erstmal nicht schlecht: Ein Doppelstock-Triebwagen war für mich eine Premiere. Die Fahrt war sehr bequem, es gab ein elektronisches Anzeigesystem mit der prognostizierten Ankunftszeit, Broschüren über das Unternehmen und eine superfreundliche junge Zubine. Die hatte nicht nur einen Haufen Blech im Gesicht, sondern auch ein charmantes Lächeln und ansteckend gute Laune (das hab ich zwar schon gestern geschrieben, aber das kann man nicht oft genug wiederholen, denn mies gelaunte Fahrkartenkontrolleure hab ich echt genug gehabt auf meinen Touren). Sie beruhigte alle nervösen Reisenden wegen der Anschlüsse, hatte für alles ein offenes Ohr und kriegte auch problemlos fehlerfreie Ansagen der Anschlüsse ohne Denkpausen oder nervöses Nachschlagen im Fahrplan zustande. So wünsch ich mir das öfter.

In Cottbus klappte der Anschluss dann auch problemlos, die Verspätung war auf ca. fünf Minuten geschrumpft, und der andere Zug am Bahnsteig gegenüber wartete auf uns. Und so ging es nun durch die ostdeutsche Pampa, die in erster Linie aus Wald besteht. Links Bäume, rechts Bäume, und in 50m Entfernung zur Bahnlinie Schilder „Betreten verboten, Lebensgefahr!“ Diese begründet sich aus den Hinterlassenschaften diverser Militärtruppenteile. Und plötzlich steht man in Görlitz.

Als erstes fällt einem die Bahnhofshalle auf, die noch den Flair der alten Zeiten hatte, als Lokomotiven noch rauchten und täglich mehrere Schnellzüge Richtung Dresden, Berlin und Breslau fuhren. In diesem Zusammenhang kann man auch konstatieren, dass Görlitz heute die östlichste Stadt Deutschlands ist, damals aber genau die Mitte des Kaiserreichs darstellte, weswegen anno 1892 die Deutsche Uhrzeit auf den 15. Längengrad festgelegt wurde, der gerade durch Görlitz verläuft. Historisch gibt es da also einige gute Gründe, dem Ort einen Besuch abzustatten.

Und so lief ich nun in Richtung der Altstadt, wobei der Begriff hier eher falsch ist, denn in Görlitz ist eigentlich alles alt – nur eben unterschiedlich alt. Im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Städten entfiel hier das Kapitel „vollständige Zerstörung im Zweiten Weltkrieg“ vollständig, weswegen hier noch originale Bausubstanz vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert einträchtig nebeneinander steht. Man muss allerdings dazu sagen, dass lange nicht jedes Gebäude einen guten Eindruck macht, es gibt genügend vernagelte Eingänge, weil die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt sind. Einige Nebenstraßen sehen auch so aus, als hätte man 1990 und nicht 2014. Die allermeisten Ecken sind aber hervorragend restauriert und rechtfertigen alleine die Reise.

Ebenfalls interessant ist die Tatsache, dass die Neiße als Grenzfluss durch Görlitz führt. Man kann eine Fußgängerbrücke überqueren und steht plötzlich in Polen – ohne Kontrolle, ohne Pass, ohne alles, einfach nur 50 Meter laufen und plötzlich ist man in einem anderen Staat – schon irgendwie schräg wenn man sich das mal bewusst macht. A propos Brücke – die beeindruckendste Brücke ist der Eisenbahnviadukt der Strecke Richtung Breslau. Ich wanderte ein gutes Stück entlang der Neiße direkt durchs Grüne, unter dem Viadukt entlang und dann wieder den Hügel hinauf, vorbei an der ehemaligen Pioniereisenbahn und dann noch zum Aussichtspunkt neben dem Viadukt. Da qualmt zwar heute keine Dampflok mehr mit einem Schnellzug durch die Gegend, da dieselt höchstens noch ein roter Triebwagen durch die Gegend, aber beeindruckend ist das Bauwerk allemal. Achja, an der Landskron-Brauerei kam ich auch noch vorbei, bevor ich wieder in Richtung Bahnhof hastete, um mitten im nachmittäglichen Feierabendverkehr nach Bischofswerda zu gondeln.

Dort musste ich umsteigen um nach Dresden zu gelangen. Das klappte auch problemlos, nur das Wetter fiel ein wenig in sich zusammen, statt Sonnenschein gabs nun bedeckten Himmel. In Dresden hatte ich nur vier Minuten zum Umsteigen, das war aber kein Problem, da der Zug Richtung Chemnitz bereits am gegenüberliegenden Bahnsteig stand. Und so begann der letzte Abschnitt der Tagesreise, der dann noch einmal ein Highlight eisenbahntechnischer Natur enthielt, nämlich die Tharandter Rampe. Da geht es auch mit elektrischem Antrieb nicht so wirklich flott voran, und auch der Rest der Strecke durch die Randausläufer des Erzgebirges ist schön. Damit kam ich dann pünktlich in Chemnitz an, wo der Abend mit einem guten Essen in der Nähe des Schlossteiches beschlossen wurde. Und am nächsten Tag ging es mitten in der Nacht auf zur letzten großen Tour des Urlaubs.

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