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Der Umweg ist das Ziel

12. September 2014, 23:27 Uhr von Uwe

Am Samstag, den 23.8.2014, stand kein Tagesausflug auf dem Plan, sondern eine Fahrt zu meinen Eltern. Normalerweise fährt man von Erlangen aus nach Leipzig und von dort über Halle in die ostdeutsche Pampa, was in knapp 5h problemlos über die Bühne geht. Allerdings kenne ich die Strecke über die Frankenwaldrampe inzwischen im Schlaf. Die Strecke zwischen Leipzig und Halle und weiter in Richtung Magdeburg ist außerdem vermutlich ohnehin die, die ich in meinem Leben schon am meisten befahren habe (die nächste Person die mich nach meiner Heimat fragt, kriegt er als Antwort „KBS 340„). Aus eben diesen Gründen und weil ich ja eh mit einem Freifahrtschein ausgerüstet war, sollte ein, nunja, mehr oder weniger kleiner Umweg eingebaut werden…

Limitierender Faktor des Umweges war die Zeit – ich konnte morgens nicht vor dem ersten Bus zum Bahnhof los, und abends sollte ich einigermaßen pünktlich da sein, weil Grillen und Besuch der Großeltern angesagt war. Damit schieden einige Umwege, wie z.B. eine erneute Fahrt durchs Rheintal oder ein Dahinbummeln auf der Nord-Süd-Strecke aus. Schlußendlich ergab sich als Reiseroute somit eine Tour über Frankfurt und Köln nach Düsseldorf und von dort weiter durch das Ruhrgebiet und weiter über Hannover und Magdeburg. Am interessantesten für mich war dabei der Abschnitt von Köln bis Hannover durchs Ruhrgebiet, da war ich nämlich vorher noch nie unterwegs gewesen.

Die Reise begann also am frühen Morgen mit der Busfahrt zum Bahnhof Erlangen und dem Gezuckel nach Nürnberg. Weiter ging es von dort mit einem ICE, der mich schon mal bis nach Düsseldorf bringen würde. Den ersten Teil der Fahrt bis Frankfurt habe ich mehr oder weniger komplett verpennt, ich saß in der hinteren Lounge in der zweiten Reihe. Verpaßt habe ich nicht viel, die gleiche Strecke war ich ja erst eine Woche vorher bei der Fahrt nach Koblenz abgefahren. In Frankfurt Hauptbahnhof ergab sich die Möglichkeit, in die erste Reihe der Lounge zu wechseln, außerdem hatte ich nun den Blick über die Schultern des Lokführers, da ja in Frankfurt als Kopfbahnhof die Fahrtrichtung gewechselt wird. Und so hatte ich einen astreinen Blick auf die Strecke (gut, die Scheibe ist leicht milchig, aber besser als gar nix).

Die Schnellfahrstrecke Richtung Köln ist ja die totale Achterbahn mit Rampen bis 40 Promille, und wenn man vorn aus dem Zug rausgucken kann, sieht man die Steigungswinkel auch mal so richtig. Ebenfalls ziemlich abgefahren sehen die Tunneldurchfahrten aus, denn da sind alle paar Meter links und rechts an den Wänden Lampen angebracht, das sieht dann wie eine Landebahnbefeuerung aus, die von Friedensreich Hundertwasser entwurfen wurde (der ja bekanntermaßen die Gerade als unästhetisch verdammte). Die Fahrt war also ein ziemliches Erlebnis, zumal man mit 300 Sachen an der Autobahn entlangdonnert und jede Menge Autos überholen kann.

Der Zug fuhr nicht den Kölner Hauptbahnhof an, sondern bleibt rechtsrheinisch und hält am Bahnhof Köln Messe/Deutz. Der liegt gegenüber dem Hauptbahnhof auf der anderen Rheinseite und ist mit diesem über die Hohenzollernbrücke verbunden. Ein Umsteigen zwischen beiden Bahnhöfen ist damit auch möglich, wenn man die notwendige Zeit für den Fußmarsch über die Brücke einplant – oder die S-Bahn nimmt. Mich interessierte das allerdings überhaupt nicht, ich wollte ja erst in der Stadt umsteigen, die mit der Domstadt eine innige Haßliebe verbindet. Bevor es soweit war, durchfuhren wir noch die Weltstadt Leverkusen, die irgendwie auch nicht mehr ist als ein paar Wohngebäude und viel Chemiewerk drumrum – beeindruckend geht anders.

Somit kam ich gegen Mittag in der Modestadt Düsseldorf an. Zeit fürs Shopping war aber nicht, der nächste ICE wartete bereits. Hier hatte ich den gesamten Waggon für mich und beobachtete das Treiben im Bahnhof noch ein wenig, bevor wir abfuhren. Viel spannendes war aber nicht zu sehen, außer einer Horde Malletouris im Gruppen-T-Shirt, die schon kräftig am Vorglühen waren und vermutlich zum Düsseldorfer Flughafen wollten. Dieser war denn auch der nächste Halt, neben den Flugzeugen faszinierte mich aber die Hängebahn viel mehr, die dort für den Transport vom Bahnhof zu den Terminals benutzt wird. Die stammt ja entwicklungsgeschichtlich aus Erlangen wie ich später herausfand 🙂

Weiter ging es nun Richtung Duisburg (wo eine Braut im Brautkleid auf einer Bank am Bahnsteig saß…), von dort dann über Essen und Bochum nach Dortmund und damit einmal quer durchs südliche Ruhrgebiet. Interessanterweise fährt man da eigentlich die ganze Zeit nur durchs Grüne, außer in unmittelbarer Nähe der Bahnhöfe. Nur an einigen höher gelegenen Streckenabschnitten wird deutlich wo man sich befindet, dann erhascht man kurze Blicke über Zechen, Fabrikgebäude und ähnliches. Von Dortmund aus ging es schließlich weiter nach Hamm, wo der Zug mit einem weiteren ICE gekoppelt wurde.

Von Hamm aus folgt man nun einer der wichtigsten Magistralen im Deutschen Eisenbahnnetz (Ruhrgebiet – Hannover – Berlin[ – Schlesien]). Bereits in den 1930er Jahren war diese so wichtig, dass man sie abschnittsweise auf vier Gleise ausbaute, verband sie doch die beiden wichtigsten Kohlereviere (Ruhrgebiet und Schlesien) mit den Industriegebieten Mitteldeutschlands (industriegeschichtlich war nämlich die Ecke Halle/Leipzig damals eines der wichtigsten Industriezentren Deutschlands, was die Historie von Namen wie Junkers, BMW oder Audi belegt).

Anyway, die Strecke führt nun mehr oder minder geradeaus vom Ruhrgebiet nach Hannover, vorbei an Porta Westfalica mit seinem riesengroßen Kaiserdenkmal und durch eine Stadt, die es gar nicht gibt. Dafür, dass es sie nicht gibt, hat man aber viel Aufwand betrieben, einen Bahnhof hinzustellen, der so aussieht als wäre da tatsächlich was. Der Himmel verdunkelte sich in der Zwischenzeit zusehends, und ab Minden gab es einen fetten Dauerregen. Zum Glück musste ich nicht in Löhne umsteigen (wie vor 100 Jahren so viele Soldaten auf dem Weg an die Westfront), aber auch in Hannover umsteigen ist kein Zuckerschlecken: Unser Zug fuhr auf dem falschen Gleis ein, statt einmal quer über den Bahnsteig musste ich den halben Zug entlang zur Treppe, dann durch das Gewühl der Einkaufspassage an einem Samstag Nachmittag vier Gleise weiter, wieder die Treppe hoch und dann nochmal den ganzen Zug entlang, um im richtigen Waggon zu landen. Der Umsteigezeit war mit sieben Minuten schon planmäßig knapp bemessen, auf die Minute pünktlich waren wir natürlich auch nicht. Mein Bedürfnis nach Nervenkitzel war damit jedenfalls mal wieder gedeckt.

Die Strecke Richtung Magdeburg kannte ich bereits aus der Zeit, als ich noch im Schwarzwald wohnte, damals ging es von Hannover oder Braunschweig in den Süden. Die Strecke selbst ist ziemlich langweilig, ich war aber überrascht über die Anzahl der Güterzüge, die da an einem Samstag unterwegs waren. Ab Helmstedt ließ der Regen langsam nach, in Magdeburg war es dann bedeckt, aber trocken. Ab dort war quasi Heimspiel angesagt, die letzten 44 Kilometer kennt man dann quasi aus dem FF. Ab Schönebeck gab es plötzlich sogar Lücken in der Wolkendecke, und binnen weniger Minuten herrschte eitel Sonnenschein. Mein Gesicht verfinsterte sich dann nur noch einmal, als ich in Güsten ausstieg und den hässlichsten Bahnhof Deutschlands durchqueren musste. Es wird allerhöchste Zeit, das Gebäude endlich abzureißen und diesem Drama ein Ende zu machen – was nutzt ein eigentlich wunderschönes denkmalgeschütztes Bahnhofsgebäude aus dem 19. Jahrhundert, wenn man es völlig verkommen lässt? Gleiches gilt auch für das gegenüberliegende Postamt, welches ebenfalls schon lange leersteht.

Damit war die Reise dann beendet, ich kam pünktlich zum Abendessen an und konnte direkt aus den Latschen steigen und mir ein gutes Bier öffnen – so sollte das immer sein 🙂

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