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Kopfschütteln!

18. Juli 2010, 19:24 Uhr von Uwe

Dieses Wochenende war im beschaulichen Balingen Metalfestival angesagt – Bang Your Head! um genau zu sein. Es folgt die Kurzzusammenfassung für alle, die zu faul zum Lesen sind: Oberaffenmegageil wars!

Anfahrt

Los gings mit einem Kollegen am Freitag gegen 11 mit der Fahrt von Erlangen nach Balingen mit Umweg über Böblingen (bei den Kollegen vorbeischauen und Post abliefern). Hinter Stuttgart war dann Stau, wir kamen aber trotzdem wunderbar pünktlich und bei tollstem Sonnenschein am Gelände an.

Es stellte sich schnell heraus, dass sich das gesamte Festival um eine Person drehte, die leider nicht anwesend sein konnte und auch nie wieder auf einer irdischen Bühne stehen wird – Gott in persona Ronnie James Dio ist ja bekanntermaßen im Mai an Krebs gestorben und spielt nun vermutlich in einer Allstarband mit John Bonham, John Entwistle und Jimi Hendrix oder so. Die Lücke, die Dio hinterläßt, war förmlich greifbar – jede Band widmete ihm mindestens einen Song oder spielte einen seiner Songs. Ebenso wurde in den Umbaupausen nur Zeugs gespielt, bei dem Dio am Mikro stand – und da gibts aus den über 30 Jahren bei Rainbow, Black Sabbath und solo ja so einige unsterbliche Klassiker.

Wir kamen gerade an, als Anvil schon mitten in ihrem Set waren. Die sind ja seit einer sehr gelungenen Doku (die ich noch nicht kenne) in aller Munde und erleben gerade ihren x-ten Frühling. Entsprechend wurden sie bei brütender Hitze auch abgefeiert. Wir begnügten uns mit einem Radler und freuten uns über das kurz angespielte Heaven And Hell, bevor die Umbaupause kam und ein Piano auf die Bühne gewuchtet wurde.

Ein Piano hat auf der Bühne nur bei zwei Bands was zu suchen, und da Freddie Mercury bekanntlich nur noch im Rock’n’Roll-Himmel auftritt, kann nur noch Mountain King Jon Oliva in Frage kommen. Der startete mit einigen neuen Songs, freute sich diebisch über die Fans und war allerbestens bei Stimme. Überhaupt ist der Mann ein Phänomen mit tonnenweise Charisma, was man vor allem bei seinen Ansagen zum nach wie vor brüllendheißen Wetter merkte – er ist ja nicht der Schlankste, um es mal vorsichtig zu formulieren, was ihn aber nicht davon abhielt, wie ein Derwisch über die Bühne zu toben. So richtig ging natürlich die Post ab, als er die alten Savatage-Klassiker ausgrub. Das begann mit Edge Of Thorns, ging weiter mit Sirens (ich hätte ja nie gedacht, dass er das überhaupt noch mal live bringt), The Dungeons Are Calling und endete mit Hall Of The Mountain King (und zwischendrin waren noch mehr, aber die hab ich schon wieder vergessen…). Zwischendrin widmete er Dio den sowieso besten Savatage-Song aller Zeiten, nämlich Believe. Und da rollten bei mir dann die Tränen, wenn auch eher weil mir der Zigarettenqualm vom Nebenmann in den Augen brannte… Nach einem weiteren aktuellen Song gabs dann noch Rainbow In The Dark und nicht nur ich war restlos begeistert.

Nächste im Bunde war Doro, die vermutlich auch in der Sahara noch mit Leder und Nieten herumlaufen würde (obgleich sie zwischendurch auch zu kämpfen hatte und kaum mit dem Trinken hinterherkam). Auch sie konzentrierte sich auf alte Schoten aus Warlock-Zeiten wie I Rule The Ruins, Earth Shaker Rock und das allseits bekannte All We Are. Zwischendrin gabs neuere Sachen, Für Immer durfte natürlich keinesfalls fehlen und als Bonusschmankerl obendrauf wurden Breaking The Law und Egypt (The Chains Are On) serviert. Vorhersehbarer Auftritt, aber genau passend zu diesem Zeitpunkt auf dem Festival.

Nun war es Zeit für Krokus. Ich kannte die Eidgenossen bis dato nur vom Namen (und von der aktuellen Single, die als Zugabe gespielt wurde), aber Anfang der 80er müssen die mal ’ne große Nummer gewesen sein, die dann den Durchbruch doch nicht geschafft hat. Auf jeden Fall lieferten sie eine gute Show, der Begeisterung der älteren Semester nach zu urteilen wurde auch viel Altbekanntes gespielt – ich kannte davon nur American Woman, weil das ’n Cover aus den Spätsechzigern ist. Auf jeden Fall rockte das Zeugs schon ordentlich, ich denke mal ich muss mir da mal ein paar CDs zulegen um die Bildungslücke zu füllen…

Headliner am Freitag waren Hammerfall. Die Jungs sind ja inzwischen auch schon seit deutlich über 10 Jahren im Geschäft und spielten eine richtig gute Show, mit ein paar launigen Ansagen, die zeigten, dass sie sich selbst nicht so ganz bierernst nehmen. Die Fans fuhren jedenfalls tierisch drauf ab, und bei Mitgröhlnummern wie Hearts On Fire oder inzwischen zu Klassikern gereiften Frühwerken wie Heeding The Call war weiter vorn heftiges Propellerbanging angesagt, und Dio wurde (wie kaum anders zu erwarten) durch Man On The Silver Mountain gewürdigt. Die Headlinerrolle haben sie jedenfalls problemlos ausgefüllt.

Danach gings dann zu meinem Kollegen nach Hause zum Übernachten und Ausschlafen, am nächsten Tag hatte das Wetter leider umgeschlagen, es war knappe 20 Grad kalt und regnete in Strömen. Den Auftritt von Fates Warning verfolgten wir daher von einem Pommesstand außerhalb des Festivalgeländes. Es wurde dann aber langsam besser, wir wagten uns aufs Gelände, stellten uns unters Partyzelt und begannen den Tag erstmal mit einem Bier. Den Auftritt der Quireboys ignorierten wir geflissentlich, ich kannte die Band nicht, und das was ich hörte war nicht unbedingt angetan, diesen Zustand zu ändern.

Der Regen hatte aufgehört, und Nevermore gingen auf die Bühne. Sie zockten zwar ein richtig heftiges Brett, aber entweder wars noch zu nass, oder die Songs zu anspruchsvoll, aber ich hatte nicht so richtig den Eindruck, als wenn der Funke überspringen wollte. Auf Tonkonserve sind sie aber eh über jeden Zweifel erhaben.

Vorletzte Band und erstes Highlight des Tages waren danach Queensrÿche. Blöderweise spielten die ziemlich viele neue Sachen, die die Fans nicht nachhaltig beeindruckten. Das änderte sich, als endlich Breaking The Silence, Jet City Woman, Silent Lucidity und I Don’t Believe In Love ausgepackt wurden. Sänger Geoff Tate hielt eine sehr bewegende Ansprache über Dio (Queensrÿche hatte mehrfach mit ihm zusammengearbeitet), bevor die Band eine bärenstarke Version von Neon Knights ablieferte, bei der insbesondere Geoff Tate bewies, dass er nach wie vor zu den Besten seines Fachs zählt.

Und damit war die Zeit reif für den Headliner. Vor der Bühne wurde es merklich enger, die letzten Wolken verzogen sich zum Sonnenuntergang, und alles wartete auf Twisted Sister. Ums kurz zu machen: Es wurde ein Triumphzug. Mit Hits wie I Wanna Rock, I Am (I’m Me), The Kids Are Back, Under The Blade, Stay Hungry, Captain Howdy, You Can’t Stop Rock’n’Roll und nicht zuletzt We’re Not Gonna Take It (was die Fans so lange weiterbrüllten, bis die Band den Refrain noch zweimal wiederholt hatte) kann man aber auch nicht viel falsch machen. Zu Burn In Hell wurde Dee Snider in grellrotes Licht getaucht, beim Schlagzeugsolo wurde mit LEDs im Drumstick mal eindrucksvoll visualisiert, wie sich die Bewegungsmuster so verändern beim Trommeln und auch sonst war alles im dunkelgrünen Bereich. Die Fans gingen ab wie Schmidt’s Katze, eine Dame präsentierte auf den Schultern ihres Freundes sitzend ihre prallen Silikonmöpse und Dee Snider sprang über die Bühne wie ein Flummi auf Speed. Spätestens beim von allen Fans mitgesungenen Long Live Rock’n’Roll (einen passenderen Song hätten Twisted Sister nicht covern können) rasteten dann endgültig alle aus – nun muss man auf die DVD warten, die die Band aus diesem superfetten Auftritt schneidern will.

Ein großes Feuerwerk beendete anschließend zwei Tage Headbangen, und nach einem Absackerbier war dann auch für uns Schluss. Und nun noch die Plusminus-Kritik:

Es ist nicht Metal:

  • mit Baggypants, Calvin Klein-Unterhose und Sonnenbrille cool in der Gegend herumzustehen und während eines Bandauftritts zu telefonieren (oder es zu versuchen, zum Glück war die Band laut genug)…
  • stoisch in der Gegend herumzuglotzen, während ringsrum die Fans am Ausrasten sind und dabei nicht mal ein Bier in der Hand zu halten, was als Ausrede dienen könnte
  • während des Auftritts nur damit beschäftigt zu sein, Handyfotos unterirdischer Qualität zu machen, anstatt mitzusingen/mitzuklatschen.

Es ist sehr Metal

  • anderen zu sagen, dass sie ein cooles Shirt / Backpatch / Hut tragen
  • sich nicht einfach vorzudrängeln, sondern zu warten, bis Platz ist (egal ob vor der Bühne oder am Klo oder am Bierstand)
  • den Müll in die Müllbehälter zu tun und nicht das ganze Gelände einzumüllen
  • den Damen, die am Freitag viel Haut zeigten, nicht ungeniert hinterherzupfeifen, sondern sich gesittet zu benehmen (bzw. wenn doch mal einer nen blöden Spruch lässt, dieser von seinen Kumpels zurechtgewiesen wird)
  • drauf aufzupassen, dass die Bierholer selbiges nicht im Gedränge verkippen
  • sich entschuldigen und schulterklopfen, wenn beim Propellerbanging dem Nachbarn die Haare ins Gesicht fliegen
  • erwachsen genug zu sein, sich nicht bei 30 Grad und prallem Sonnenschein die Kante zu geben
  • Leute mit Kindern auf den Schultern nach vorn zu lassen, wenn die Kinder Gehörschutz tragen (was bei fast allen der Fall war)

Man merkt dem Festival durchaus an, dass die Fans im Schnitt deutlich Ü40 sind. Es geht einfach sehr schön relaxt zu, man kann mit vielen Leuten prima quatschen, die wenigsten kommen einem blöd, weil man andere Bands mag, und überhaupt zeigt sich in vielen kleinen Gesten deutlich, dass die Leute Spaß haben wollen, ohne in irgendeiner Form agressiv zu sein. Und so machts dann auch Spaß, da hinzugehen.

Ruhe in Frieden, Ronnie – deine Songs sind unsterblich, das hat dieses Festival auf beeindruckendste Art gezeigt.

Ein Kommentar zu “Kopfschütteln!”

  1. Weasel

    Glückwunsch zu einem schönen Wochenende. Habe Wetter, Lautstärke und Geschwindigkeit in anderer Form erlebt, nämlich da:
    http://www.sachsenring-circuit.com/
    und da:
    http://www.fichtelbergstaffel.de/

    Dir ist gewohntermaßen ein toller Bericht gelungen – mit interessanten Kritikpunkten. Und ich schließe mich an: R.I.P., Ronnie.

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