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Steht ein Stein auf’m Berg

16. September 2019, 22:15 Uhr von Uwe

In der Schweiz steht nicht das Pferd aufm Flur, sondern ein Stein aufm Berg. Und im konkreten Fall steht der Stein aus historischen Gründen da, weil sich anno dunnemals da einflußreiche Lokalpolitiker getroffen und verhandelt haben. Halte ich für ausgemachten Schwachfug, Verhandeln kann man nämlich im Gasthaus bei ’nem Bier viel besser als wenn man erst auf über 2000m Höhe kraxeln muss… Aber gut, die Lokalfolklore sagt es so, also glauben wir das mal. Und dementsprechend gings bei der letzten Wanderung dann eben auch den Berg hoch.

Besagter Stein ist der sogenannte Dreibündenstein. Dieser steht ganz in der Nähe von Chur auf 2160m Höhe am Brambrüesch. Diesen wiederum erreicht man bequem per Seilbahn direkt von Chur aus. Dementsprechend wurde das auch als Wandertour eingeplant – mit der Seilbahn auf so ca. 1500m Höhe, und anschließend nochmal 600 Höhenmeter rauf und danach in gemütlicher Runde um den Berg wieder zurück zur Seilbahn zurück.

Mit der Gondel am Drahtseil

Nach dem Frühstück begab ich mich also ausnahmsweise nicht zum Bahnhof, sondern durch die Fußgängerzone hin zur Talstation der Seilbahn. Dort erstand ich ein Billet inklusive Retour wie es im lokalen Dialekt genannt wird und saß nun noch ein paar Minuten herum, bis die nächste Bahn fahren sollte. In die Kabine passen mächtig viele Leute, zum Glück war aber nicht so viel Betrieb, es war also keine Sardinendosentortur.

Die Seilbahn führt aber nur bis zur Mittelstation, danach folgt noch eine weitere Gondelbahn mit kleineren Gondeln für 4 Personen. Da saß ich nun mit zwei älteren Schweizer Herren zusammen, die sich in lustiger Donald-Duck-Sprache über die Touristenmassen unterhielten, die die Schweiz heimsuchen. In Chur ist das ja aber deutlich weniger ausgeprägt als z.B. in Interlaken, insofern war das Jammern auf hohem Niveau. Ich hielt mich aber lieber raus, ich bin ja auch einer von den vermaledeiten Touristen…

Diagramm

Oben angekommen konnte nun die eigentliche Wanderung beginnen. Die ersten paar hundert Meter gings mehr oder weniger geradeaus auf einem betonierten Weg, dann kam eine Kreuzung mit öchzig Wegweisern und einer Karte und ab da gings dann bergauf.

Im Frühtau zu Berge ich zieh, fallera…

Der Weg, also eigentlich eher eine asphaltierte Zufahrtsstraße zu einem Bauerngehöft, führte recht direkt und einigermaßen steil den Berg hinauf. Allerdings erfreulicherweise nicht so steil dass man sofort komplett außer Puste war, weswegen ich recht schnell ordentlich Meter machen konnte. Nach mehreren hundert Höhenmetern war die Straße dann abgesperrt, weiter gings auf schmaleren Feldwegen, aber immer noch schön den Berg hoch.

Nächster Zwischenstop war an einem Stall. Naja, sagen wir mal es war die nächste Abwechslung beim Wandern, einen Zwischenstop hab ich aufgrund olfaktorischer Umstände lieber vermieden. Die Protosteaks waren eh alle irgendwo anders unterwegs, nur ein Protoschweineschnitzel wühlte gelangweilt im Dreck. Der Weg wand sich nun in diversen Kehren den Berg hinauf bis zu einem Bergsee, von dem aus man erstmals eine gute Aussicht in Richtung Rheinschlucht und das dahinter liegende Gotthardmassiv hatte. Das lag in erster Linie daran dass ich die Baumgrenze erreicht hatte und außerdem die Sonne schön schien. Dummerweise hatte ich aber auch erst rund die Hälfte der Strecke geschafft.

Diagramm

Der nächste echte Zwischenstop war dann an der Talstation eines Sessellifts, der jetzt im Sommer aber nicht in Betrieb war. Im Winter vergnügen sich da dann die Leute mit den Brettern an den Füßen beim runterfahren vom Berg. Ich hingegen wollte ja rauf auf den Berg. Und das wurde nun tatsächlich echt steil und anstrengend. Wobei es natürlich auch an der immer dünner werdenden Höhenluft gelegen haben könnte. Oder an der stärker werdenden Sonneinstrahlung. Immerhin konnte man sich nicht verlaufen, solang es steil nach oben ging konnte es nicht falsch sein.

Am Gipfel angekommen

Irgendwann hatte ich also den Berg erklommen und war an der Bergstation des Sessellifts angekommen. Von dort hatte man nun ein fantastisches Panorama von fast 360 Grad, nur in Richtung Südwesten versperrten andere Berge die Aussicht. Am Dreibündenstein war ich damit aber auch noch nicht, der steht nämlich ein paar hundert Meter weiter südlich. Die Ausschilderung hier ließ allerdings ein wenig zu wünschen übrig, ebenso die Qualität der Wege – das war hier alles recht schweres Geläuf quer durch Rindviehweidefläche.

Ein paar Erinnerungsfotos am Stein später begann dann der lange Abstieg. Diese sollte mich in großem Bogen zunächst nach Süden führen und dann scharf in Richtung Norden abknicken. In der Theorie wäre der Abstieg deutlich weniger steil gewesen als der Aufstieg (gleiche Höhendifferenz geteilt durch längere Wegstrecke), praktisch war der erste Teil auch beschissen steil. Und beschissen beschissen. Nämlich voller Verdauungsendprodukte diverser vierbeiniger Milchproduzenten. Man musste also ziemlich aufpassen wo man da hintrat. Zu allem Überfluss war der Weg auch eher wenig bis gar nicht beschildert, und das Gebimmel von Kuhglocken in der Nähe war jetzt auch nicht unbedingt vertrauensweckend, immerhin hatten sie Jungtiere dabei, und da kanns dann auch schnell brenzlig werden.

Steht ’ne Kuh auf’m Weg

Nach einer guten halben Stunde hatte ich das steilste Stück dann aber hinter mir und erreichte einen gut ausgebauten und relativ ebenen Panoramaweg. Der führte mich knapp oberhalb der Baumgrenze zurück nach Norden. Die einzige knifflige Stelle war wieder ein Abschnitt mit erhöhter Kuhglockendichte. Der Weg führte da an einem recht steilen Abhang entlant, links oberhalb schloss sich eine größere Bergwiese an, rechts gings nach unten, flankiert von einigen Sträuchern. Und mittendrin standen ein paar gelangweilte Wiederkäuer und waren damit beschäftigt was Kühe halt so machen – gelangweilt in der Gegend herumglotzen und Gras fressen.

Vorbeigehen war aufgrund der Topologie nicht wirklich möglich, sich an der Kuh vorbeizwängen hielt ich jetzt auch nicht für wahnsinnig clever, also blieb nur noch die Variante in der Gegend rumzustehen wie ein Steinpilz, der Kuh auf den fetten Arsch zu glotzen und zu warten bis sie sich von alleine weiterbewegte… Was sie dann irgendwann auch tat. Hatte ich erwähnt, dass ich zwar gefühlt hunderte Rindviecher gesehen hab und dabei nicht eine lila Kuh war? Das kann kein Zufall sein…

Von weiteren Begegnungen mit einheimischen Rindviechern blieb ich danach verschont (bis auf gehirnamputierte Rindviecher der zweibeinigen Sorte, mehr dazu weiter unten). Der Weg kam schließlich dort raus, wo ich am Morgen schon den ersten Abschnitt des Aufstiegs hinter mich gebracht hatte – an der Schranke wo die Straße zuende war. Nun gings also bei inzwischen hochsommerlichen Temperaturen am frühen Nachmittag wieder den Berg hinunter zurück in die Zivilisation (oder was man so dafür hält). Das war mir ganz recht, machten sich meine Füße nun doch wieder so langsam bemerkbar, obwohl es gar nicht so viele Kilometer gewesen waren.

Steile Abfahrt

An der Bergstation der Gondelbahn machte ich nun noch eine längere Verschnaufpause. Diese wurde untermalt von lautstarker Blasmusik, die der Typ an der Gondelbahn (stilecht mit Trachtenhut und Lederhose) zur Untermalung seines Arbeitsplatzes einsetzte. Und da war ordentlich Betrieb – direkt neben der Gondelbahnstation beginnt nämlich der Downhill-Trail. Nein, nicht der für gehirnamputierte Skifahrer, sondern der für gehirnamputierte Radlfahrer. Die Gondelbahn beförderte hier im Akkord je zwei Fahrräder und zwei Adrenalinjunkies nach oben. Dabei ist schnell runterfahren keine Leistung, hochstrampeln ist viel anstrengender.

Wie auch immer, ich bestieg schließlich die Gondel und gondelte (bah, welch Wortwitz, phänomenal) die ganze Strecke wieder nach unten. An der Mittelstation entstand noch ein Foto vom Ausblick auf die Stadt, und keine halbe Stunde später war ich auch schon wieder in selbiger angekommen. Hier wars nun brütend heiß, und weil ich am nächsten Tag ja wieder nach Hause fahren würde organisierte ich mir noch einen Vorrat an Getränken. Eigentlich(tm) hatte ich mir dann noch vorgenommen einen Eisbecher zu futtern um noch etwas überschüssige Franken in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen, aber nachdem ich im Hotel aus meinen Stiefeln ausgestiegen und unter die Dusche gekrabbelt war konnte ich mich irgendwie nicht nochmal dazu aufraffen mich ausgehfein zu machen.

Der Tag endete also mit gemütlichem Ausspannen im Hotelzimmer, bevor Koffer packen und Abreisen angesagt sein würde. Was da dann passierte wird demnächst mal festgehalten (Hint: Da passierte einiges nicht Alltägliches).

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