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Nah am Wasser gelaufen

3. September 2019, 21:32 Uhr von Uwe

Die längste Tour des Urlaubs, so rein wanderungsmäßig, führte mich durch die Rheinschlucht. Das heißt genaugenommen nicht direkt durch, mehr so rein, dann oben raus, um drei Ecken und eine Brücke weiter wieder rein und dann noch ein Stück an der Bahn lang. Oder so ähnlich.

Abschnitt 1 – Bahnfahrt Chur-Ilanz (30km, ↗177m, ↘74m)

Das ganze Gelaber so von wegen Frühstück und Wurschtbrötchen und Kaffee und noch’n Wurschtbrötchen und morgentlicher Inthronisierung lasse ich jetzt mal weg, der erste relevante Gang des Tages führte mich dann kurz nach halb neun Uhr morgens nämlich zu… einem Briefkasten. Dort landeten diverse mehr oder minder sauber beschriebselte Ansichtskarten in der Hoffnung dass die Post besser funktioniert als die Deutsche Bahn, hrhr. Anschließend bestieg ich den Zug in Richtung Disentis/Mustér. Irgendwie fehlt mir auch grad die Muße da jetzt überlange Absätze über die rätoromanische Sprache abzuhandeln, zumal ich das glaube ich vor zwei Jahren oder sechs Jahren auch schon mal gemacht hab. Außerdem wollte ich ja auch überhaupt nicht so weit fahren, sondern nur bis zur ersten Stadt am Rhein – Ilanz.

Diagramm

Die Strecke führt dabei in westsüdwestlicher Richtung am Rhein entlang, der dort eine sehr markante Felslandschaft geschaffen hat (oder Slartibartfaß hat ein paar Sonderschichten eingelegt). Ich guckte also während der Fahrt gemütlich aus dem Fenster und schaute mir schon mal an, wo ich langwandern wollte. Nicht ganz unwichtig war auch das Wetter, es herrschten knapp 20 Grad, es war bedeckt und trocken – ziemlich vernünftiges Wanderwetter also. Und beim Anblick der Felsformationen entlang der Wanderstrecke kamen mir dann auch überhaupt gar keine Zweifel (nein, ganz ehrlich nicht, großes Indianerehrenwort *hust*), dass ich der Strecke gewachsen wäre. Immerhin gurkte der Zug ja in reichlich 30 Minuten dort herum, so anstrengend könnte das also alles gar nicht sein. Nuja, wenn mir sonst schon keiner beim Kampf gegen den inneren Schweinehund hilft muss ichs halt alleine machen.

Gegen halb 10 Uhr morgens, während im Werbefernsehen alle ihr kalorienreiches Frühstücksknusperhaselnussdingens verspeisen begann für mich also die Wanderung des Tages.

Abschnitt 2 – Rheinschluchtwanderung (30,52 km, ↗832m, ↘953m)

Die Wanderstrecke hatte ich mir schön in mentale Etappen eingeteilt, immer von einer Bahnstation zur nächsten. Damit ergaben sich drei Flachetappen (zwei am Anfang und eine am Ende), eine Hügeletappe und eine schwere Bergetappe in der Mitte. Los gings also in Ilanz über gut ausgebaute Wander- und Radwege nah am Flussufer. Die Landschaft hier war noch relativ unspektakulär, abgesehen von den Bergen links und rechts und den steil aufragenden Felsen irgendwo am Horizont. Ich kam entsprechend gut voran und hatte nur an einer Stelle kurz hinter Castrisch aufgrund eigener Blödheit einen kleinen Umweg, weil ich der Meinung war dass der Wanderwegweiser da gar nicht stimmen könne und einige 100m und ein Wegende auf nem Feld später dann doch einsehen musste dass der Wegweiser doch im Recht war. Das sieht man auch als schönen Zacken im GPS-Track.

Diagramm

Ab Valendas-Sagogn kamen die Felsen dann langsam näher ans Ufer, das Gelände wurde rauer, aber der Wanderweg weiterhin gut begehbar, sieht man mal von diversen schlammigen Pfützen ab, die sich nach dem kräftigen Regen der letzten Tage gebildet hatten. Die erste wirklich spektakuläre Stelle war die Querung des Carrerabachs (nein, nicht verwandt oder verschwägert mit den Blechkaleschen aus Zuffenhausen). Ab dort entfernte sich der Weg dann etwas vom Rhein und führte auch gemächlich bergauf, was ein paar nette Aussichten ermöglichte. Nächster Zwischenhalt und Ende der Hügeletappe war in Versam-Safien, wo dann der spektakulärste Teil der Schlucht beginnt – und gleichzeitig auch die längste und schwerste Bergetappe der Wanderung ihren Ausgangspunkt hatte.

Zunächst mal ging es steil bergauf aus dem Tal heraus, entlang der Straße, die vom Bahnhof Versam zum Dorf führt. Durchs Tal selbst führt ja nur die Bahnstrecke, Straßen gibts nicht, man könnte höchstens noch per Wildwasserkanu durch. Ich stiefelte also wie ein geölter Blitz (so kam ich mir jedenfalls vor) die Straße entlang und machte innerhalb kürzester Zeit über 300 Höhenmeter, was mich selbst erstaunte. Oben angekommen war trotzdem erstmal Pause angesagt, freundlicherweise hatten findige Schweizer ein paar Aussichtspunkte an exponierten Stellen aufgebaut, so dass man auch schön Aussicht der Sorte Bäume und Schlucht mit Fluss und Eisenbahn vor Berghintergrund hatte.

Diagramm

Das Dorf Versam ist einer der entlegeneren Ärsche der Schweizer Bergwelt, aber recht nett anzusehen und vor allem nicht völlig überlaufen wie gewisse andere Bergdörfer. Der Wanderweg führt nun in großem Bogen erst nach Versam und von dort hinab zur alten Straßenbrücke über ein Seitental. Direkt hinter der Straßenbrücke führt der Weg nun direkt auf der Straße entlang. Das ist eine typische Bergpassstraße, schmal genug dass man dem Gegenverkehr ausweichen muss, was aber gar nicht so einfach ist wenn auf einer Seite eine senkrechte Felswand und auf der anderen Seite hinter der Leitplanke ein großes Nichts zu finden ist. Und völlig verkehrsfrei war die Strecke auch nicht, selbst Lastwagen waren unterwegs. Wenn ich mich nicht vorher informiert hätte hätte ich dort echt gedacht ich wäre falsch abgebogen. Aber gut, aufgrund des gut funktionierenden Echos hört man die Autos schon Minuten bevor sie da sind und hat daher keine wirklichen Probleme.

Witzig wurde es nur im Tunnel – ungefähr 250 m lang und finster wie im… Tunnel eben. Da tapste man dann so a bissl blind durch die Gegend, aber immerhin war dort die Straße ordentlich zweistreifig mit Fußweg ausgebaut. Je nach Blickwinkel erinnerte es an diverse Ausschnitte von korsischen Küstenstraßen, allerdings ohne röhrenden Rallye-Quattro und mit weniger Sonnenschein. Dafür gabs im Hintergrund Rauschenden Fluss und spektakuläre Aussichten. Wer will kann sich das mittels Streetview auch online angucken.

Diagramm

Kurz vorm Aussichtspunkt Zault war dann auch der letzte Anstieg des Tages bewältigt – so anstrengend wars dort gar nicht, da hatte man aber schon den Aufstieg nach Versam in den Beinen, insofern kam die Sitzbank am Aussichtspunkt nicht ungelegen. Ich verpflegte mich also und machte ein paar schicke Fotos von schicker Aussicht. Nebendran am Parkplatz stand ein SUV mit einem Pärchen drin, die irgendwie nur drauf zu warten schienen dass ich mich endlich verkrümeln möge. Irgendwas kam mir da merkwürdig vor – welche junge Frau trägt bei 20 Grad und bedecktem Himmel an einem Aussichtspunkt am Berg Flip-Flips und einen langen Trenchcoat? Auch die weitere Aufmachung mit zig Einkaufstüten im offenen Kofferraum und die dicke Fotoausrüstung des Kerls mutete etwas merkwürdig an. Kaum hatte ich mich wieder auf den Weg gemacht dürfte das Fotoshooting begonnen haben, und ich glaube das wär eins von einer Sorte wo man eher ungestört sein möchte… Naja, jeder wie er/sie meint.

Mein Weg führte mich nun zunächst gemächlich bergab, bevor ich an einem Schild vorbeikam, auf dem Pferde verboten und Fahrräder schieben geboten wurde. Hier kamen mir zwei Gruppen aus Schülern entgegen, deren Betreuer vermutlich lieber einen Flohzirkus gehütet hätten. Ich hingegen hatte mit dem steilen Abstieg jetzt doch einige Mühe, aber unten angekommen wartete die erste Rheinquerung des Tages in Form einer faul in der Gegend herumhängenden Hängebrücke. Auf der anderen Seite war ich schließlich an der Station Trin angekommen, die ich aber links liegen ließ, weil ich ja noch eine letzte Flachetappe marschieren wollte.

Diagramm

Der Abschnitt zwischen Versam und Trin wird vom Zug ja in nur fünf Minuten durchfahren, aber ein wirklich gutes Bild von den spektakulären Felsen kann man sich tatsächlich nur zu Fuß machen. Nicht umsonst gibt es dort auch auf beiden Seiten der Schlucht zahlreiche Aussichtspunkte, die jedoch in aller Regel 200 bis 300 Meter oberhalb des Flusses sind – gut für die Aussicht, aber der Aufstieg macht eben auch nen recht schlanken Fuß.

Der letzte Abschnitt führte dafür nun direkt an der Bahnstrecke entlang und enthielt quasi gar keine Steigungen mehr. Das war ideal um am Ende einfach nur die Beine noch ein bissl gemütlich zu bewegen ohne sich sonderlich anstrengen zu müssen. Und erfreulicherweise kam dann auch passend an der Flussbiegung ein Zug um die Ecke, so dass ich ein einigermaßen brauchbares Beweisfoto knipsen konnte. Danach folgte der letzte „Anstieg“ des Tages, da gings ein paar Treppenstufen hinauf zur Rheinbrücke – der Wanderweg führt hier direkt neben der Bahnstrecke auf einer Stahlbrücke über den Rhein.

Diagramm

Nun blieben nur noch die letzten paar Kilometer bis zum Bahnhof, wofür ich erneut den Rhein überqueren musste, dann am Schloss Reichenau vorbei erneut den Rhein überquerte (diesmal allerdings den Rhein, nicht den Vorderrhein wie bisher) und schon war ich nach gut sieben Stunden Wanderung am Bahnhof angekommen. Das mit dem vorderen und dem hinteren Rhein ist ja dort so eine Sache, weil der eine Rhein nämlich in den anderen Rhein rheinfließt (boah welch mieses Wortspiel). Und im übrigen gilt sowieso: Wo ich bin ist vorn. Und wenn ich hinten bin ist hinten vorn.

Abschnitt 3 – Reichenau-Chur (13km, ↗0m, ↘5m)

Nach gut zehn Minuten Warten kam auch prompt ein Zug, der meine etwas maladen Knochen nun ohne weitere Zwischenfälle zurück nach Chur beförderte. Ich war in der Tat ziemlich fix und fertig, weniger wegen der Tour an sich (ich hatte auch danach keinen Muskelkater oder so), aber meine Füße waren doch ziemlich hinüber ob der ungewohnten Anstrengungen, was sich durch eine hässliche Blase an der Ferse manifestierte. Jaja, Jammern auf hohem Niveau, ich weiß schon. Trotzdem lautete der Entschluss am nächsten Tag höchstens von einem Bahnsteig zum anderen Wandern zu wollen. Urlaub ist ja schließlich zur Erholung da, mich selbst kaputtmachen klappt im Büro halt einfach besser 😉

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