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Brummochse im Nebel

21. August 2019, 20:52 Uhr von Uwe

Wie man der Überschrift bereits entnehmen kann war das Wetter am ersten Urlaubstag eher mal suboptimal, allerdings hielt mich das nicht vom Wandern ab. Es gab also Berge und grandiose Aussichten irgendwo hinter den Wolken und mordmäßig quietschende Eisenbahnen.

Am Anfang war das Frühstück

Ohne Mampf kein Kampf sagt das Sprichwort, und wenn ich gegen den inneren Schweinehund bergauf wandern will gilt das natürlich gleich verschärft. Dementsprechend ging es nach einer geruhsamen Nacht kurz nach sieben zum heißen Kampf am kalten Frühstücksbuffet. Der Andrang war überschaubar, ich holte mir also die notwendigen Kalorien in Form zweier Wurstbrötchen und spülte mit O-Saft und Kaffee nach.

Danach war erstmal eine ausgiebige Thronsitzung angesagt, bevor ich mich wanderfertig machte – Wanderstiefel an die Füße, Regenjacke anziehen, Getränke und Wanderkarte im Rucksack und nochmal ausgiebig den Wetterbericht angucken. Besonders vielversprechend sah es nicht aus, aber zumindest war kein Regen angesagt.

Diagramm

(Anmerkung zu den Diagrammen: Der GPS-Tracker hat die Bahnfahrt nach Arosa nur durch zwei Punkte getrackt – vorm Einsteigen und nachm Aussteigen. Deswegen ist der Teil komplett interpoliert und nicht wirklich aussagekräftig. Auf der Rückfahrt war das Tracking besser, daher sind da die Werte auch brauchbarer).

Gegen dreiviertel acht (oder sagt man in der Schweiz viertel vor 9?) ging es dann zum Bahnhof. Die Bahn in Richtung Arosa fährt direkt vorm Bahnhofsgebäude ab und rattert dann erstmal als Straßenbahn durch die Stadt, bevor es dann bergauf in die Schweizer Wildnis geht. Noch stand aber kein Zug in der Gegend herum, nur jede Menge Leute die aussahen als würden sie Wandern wollen. Gut, war ein Samstag, da ist sowas nicht auszuschließen. Es waren auch viele Familien mit kleinen Kindern unterwegs, die wollten in Arosa Bären angucken (nicht Himbären, sondern Braunbären, wie ich dann lernte).

Auf den Schmalspurgleisen tat sich erstmal eine ganze Weile gar nix, dann kam der Zug aus Arosa auf dem Nachbargleis an und es begann ein Schauspiel was man in Deutschland so nur noch sehr sehr selten sieht – es wurde nämlich rangiert. Und zwar so richtig, mit Rangierer an den Kupplungen und Weichenstellen und kompletter Bremsprobe inklusive Abklopfen der Bremsen. Pünktlich wie das berühmte Uhrwerk saß ich also im Zug und… wartete auf die Abfahrt, die sich wegen Warten auf umsteigende Reisende um fünf Minuten verzögerte. Gut, konnte mir wurscht sein, ich hatte ja keine knappen Anschlüsse abzuwarten.

Diagramm

Im Frühtau zu berge ich quietsch, fallera

Der Zug setzte sich dann irgendwann tatsächlich in Bewegung und wir zuckelten gemütlich in Richtung Süden. Am Ortsausgang angekommen gings in den ersten von vielen Tunneln und hinein in eine ordentliche Steigung. Auf der rechten Seite war dann viel Tal, auf der linken Seite steiler Berghang und vor uns eine Kurve nach der anderen. Der Zug zuckelt die Strecke so mit etwa Tempo 30 entlang, die Kurven haben Radien die einer Straßenbahn zur Ehre gereichen, und ich guckte gebannt ausm Fenster weil ich die Strecke vorher noch nie gefahren war. Das Quietschen kommt natürlich im Tunnel besonders gut, und von denen gibts natürlich reichlich. Gleiches gilt für Brücken, unter ihnen dann auch so markante Großbauwerke wie das Langwieser Viadukt. Allerdings wurde unsere Verspätung eher größer als kleiner, weil wir natürlich auf der eingleisigen Strecke immer wieder auf Gegenzüge warten mussten und die Schienen auch schön feucht waren.

Mit ungefähr 15 Minuten Verspätung (bei grade mal einer Stunde Fahrzeit, Skandal!) erreichten wir schließlich Arosa. Hier befand ich mich nun noch unterhalb der Wolkendecke, es war trocken und die Temperaturen waren akzeptabel zum Wandern – ungefähr 15 Grad. Also gings auch direkt los – allerdings in die falsche Richtung, weil ich an der ersten Kreuzung das Hinweisschild „zu den Wanderwegen“ übersehen hatte. Den dadurch entstandenden Schlenker sieht man auch schön in der Karte. Ich lief dann nochmal zurück zum Bahnhof und schaute mir dort die aushängende Wanderkarte nochmal genauer an. Und dann gings im zweiten Anlauf auch in die richtige Richtung – zumindest horizontal, vertikal wars immer noch falsch, weil bergab.

Diagramm

Der Weg folgte erstmal der Bahnstrecke talwärts, bevor er knapp 200 Höhenmeter später an einem kleinen Stausee abzweigte und von da ab in den Wald führte. Der Boden war hier grundsätzlich nass, aber nicht völlig aufgeweicht, man konnte also recht problemlos laufen ohne die halbe Schweiz an den Füßen kleben zu haben. Nur auf den Steinen musste man ein bissl aufpassen wegen der Rutschgefahr.

Der Weg (ha, ich wiederhole mich) stieg kontinuierlich an, und schon nach kurzer Zeit ärgerte es mich dass ich erst den Berg runtergelaufen war, denn das musste ich nun alles zusätzlich wieder hochlaufen. Ich merkte auch schnell dass ich ziemlich aus der Übung war, so konditionsmäßig. Es könnte natürlich auch einfach nur die Höhenluft gewesen sein, jedenfalls machte sich eine gewisse Kurzatmigkeit bemerkbar.

Diagramm

Dummerweise war das Wetter nicht unbedingt wirklich gut geeignet für anstrengende Wanderungen, da ich zwar die Klamotten schnell durchschwitzte, aber gleichzeitig die Regenjacke brauchte, die wiederum Wasser in weder der einen noch der anderen Richtung durchlässt… Aber gut, von solchen Kleinlichkeiten lässt sich ein Depp wie ich nicht beirren, also frisch auf weiter den Berg hoch. In Anbetracht der Witterungsbedingungen hatten ich den ganzen Berg für mich alleine – bis auf die drei Kühe (kein Fleckvieh, sondern Braunvieh), die zwischendrin einfach mal so auf dem Weg herumstanden, mich gelangweilt mit großen Augen anglotzten und stur weiter auf Grasbüscheln herumkauten.

Wie sie sehen, sehen sie nichts

Mit fortschreitender Wanderdauer gings immer weiter bergauf, die Luft wurde dünner und die Aussicht immer schlechter – tiefhängende Wolken und so. Knapp über der Baumgrenze war ich schließlich auch in den Wolken angekommen – d.h. Sichtweite um die 50 Meter, wenn überhaupt, außerdem ein konstanter Nieselregen und überhaupt alles klamm und feucht. Rein theoretisch hätte ich von den verschiedenen Aussichtspunkten eine grandiose Aussicht ins Tal haben müssen (kann man bei Google Earth schön nachvollziehen), allein ich sah nur grau in grau.

Diagramm

Das ganze hatte oben auf der Alm was von einem schlechten Horrorfilm (The Fog oder auch Silent Hill oder The Last House on the Left) – es hat eben eine ganz merkwürdige Atmosphäre wenn man da so durch den Nebel stolpert. Kaum Sicht, merkwürdig gedämpfte Geräusche und man weiß auch nicht so richtig ob man überhaupt in die richtige Richtung läuft. Markierungen am Weg gibts zwar alle paar hundert Meter mal, aber wenn man kaum 50 Meter Sicht hat und sich nur daran orientieren kann dass das Gras der Wiese am Weg etwas stärker zertrampelt ist als daneben muss man schon recht genau hingucken was Sache ist. Ich war mir jedenfalls zwischendrin nicht immer so ganz sicher ob ich noch aufm richtigen Pfad unterwegs war. War ich allerdings wie ich zu meiner Beruhigung immer wieder feststellen konnte, nachdem ich dann doch den nächsten Wegweiser gefunden hatte.

Irgendwann gings dann wieder recht steil bergab. Größtes Hindernis hierbei waren diverse Spinnweben, die fieserweise einfach quer über den Wanderweg gespannt worden waren, und deren Besitzer es sich in der Mitte gemütlich gemacht hatten… Nichtsdestoabertrotz ging es immer weiter bergab – sowohl beim Wandern als auch mit meiner Laune, ist eben schon recht nervig wenn man so durch eigentlich tolle Landschaft latscht, aber nix davon mitkriegt. Außerdem taten mir so langsam aber sicher Füße und Kniegelenke weh (jaja, ich jammerndes Weichei, ich).

Satz von der Erhaltung der Gemeinheit

Auf jeden Fall kam ich irgendwann wieder aus den Wolken raus und hatte auch wieder eine Aussicht die man guten Gewissens als solche bezeichnen kann. Mittlerweile war ich allerdings auch schon fast in Langwies angekommen und hatte dummerweise nicht ein gutes Foto vom Viadukt machen können. Kurz vor 15 Uhr erreichte ich schlußendlich den Bahnhof, durchgeschwitzt, nassgeregnet, mit schmerzenden Knien, recht abgekämpft und wie sich später rausstellen sollte kleineren Blasen am rechten Fuß (der geneigte Leser darf mich jetzt bemitleiden oder auch die Nase rümpfen über mein Gejammer).

Diagramm

Dem Fahrplanaushang konnte ich entnehmen dass der nächste Zug eine Viertelstunde später ankommen würde, also setzte ich mich auf die bereitstehende Bank (ja, liebe DB, sowas gehört zu einem Bahnhof – Sitzmöglichkeiten für wartende Fahrgäste) und harrte der Dinge die da kommen sollten. Und siehe da, es kam auch gleich was, nämlich der Gegenzug, was mir schließlich doch noch ein paar brauchbare Beweisfotos der Sorte „Zug auf großer Brücke vor gebirgiger Landschaft“ einbrachte. Außerdem traute sich wie zum Hohn die Sonne hinter den Wolken hervor, nachdem sie den gesamten bisherigen Tag mit Abwesenheit geglänzt hatte…

Der Zug zurück nach Chur kündigte sich bereits Minuten vorher durch lautstarkes Gequietsche am Berghang an, mehrfach von der gegenüberliegenden Talseite reflektiert und mit ordentlich Echo und Hall versehen. Ich hatte dann einen gesamten Waggon für mich, was ich prompt dazu nutzte das Fenster zu öffnen (ja, liebe DB, sowas reicht vollkommen aus zum Belüften und kann im Gegensatz zu einer Klimaanlage auch nicht so leicht kaputtgehen) und jede Menge mehr oder minder brauchbarer Schnappschüsse der Sorte „Fahrleitungsmast vor toller Landschaft“ anzufertigen. Eine gute halbe Stunde später und mit vom lautstarken Gequietsche ziemlich klingelnden Ohren erreichte ich schließlich wieder Chur und schlich zurück ins Hotel.

Fazit: Als Wanderung war das gar nicht schlecht, allerdings sollte man für den Anstieg schon ein bissl mehr Kondition bzw. Übung mitbringen als ich es tat, und das vorherige Bestellen von schönem Wetter hätte sicherlich auch nicht geschadet. Am nächsten Tag gings dann wieder in die gleiche Richtung, allerdings nochmal 1000 Höhenmeter weiter hinauf. Aber das wird im nächsten Beitrag besprochen werden.

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