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Der Boden vom See

19. August 2019, 14:03 Uhr von Uwe

Am allerersten Urlaubstag gings – logisch – von daheim zum Urlaubsziel. Das war  wie üblich bei mir mit einigem Hin und Her und akuter Umsteigeritis verbunden, und die Bahn machte es auch nicht unbedingt einfacher. Aber der Reihe nach…

Planung ersetzt Zufall durch Irrtum

Da ich in der Vergangenheit ja schon einige Male in der besten Schweiz der Welt war und alle Strecken dahin (Rheintalbahn nach Basel, Bodensee westlich über Schaffhausen und Bodensee östlich über Bregenz) inzwischen kenne, war diesmal ein relevanter Planungspunkt, nicht um den Bodensee drumrumzugurken (wow, das sind gleich vier u’s in einem Wort…), sondern über den Bodensee drüber zu schippern. Also suchte ich mir dafür eine entsprechende Verbindung raus, was dann dazu führte, dass der Abschnitt von Friedrichshafen Hafen nach Romanshorn (da schippert die Fähre) als Fixpunkt gesetzt war. Nun musste ich also „nur noch“ irgendwie nach Friedrichshafen kommen. Über den restlichen Abschnitt von Romanshorn nach Chur machte ich mir quasi gar keine Gedanken, da würde schon irgendwas fahren, zumal ich ja für die Schweiz das All-in-one-Flatrate-Super-Duper-Mondscheintarif-Spezialticket gekauft hatte.

Um nun also nach Friedrichshafen zu fahren, muss man irgendwie erst nach Ulm, und dann nicht um Ulm herum, sondern in Ulm umsteigen. Blöderweise gibt es genau null brauchbare Verbindungen von Nürnberg nach Ulm bzw. weiter Richtung Bodensee. Und wer ist dran schuld? Die deutsche Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts. Da gabs nämlich das Königreich Bayern und das Königreich Württemberg. Und die hatten (wie könnt es anders sein) als Prioritäten erstmal die Verbindungen innerhalb ihrer Königreiche im Sinn. Somit ergaben sich dann zwar direkte Strecken von Ulm nach Friedrichshafen (alles württembergisch), aber eben von Ulm eher in Richtung München bzw. von München nach Nürnberg. Eine Diagonalverbindung gibts bis heute nicht, bzw. muss man auf unterschiedlich gut ausgebauten Strecken ein bissl über die Dörfer juckeln.

Ich entschied mich also für eine Verbindung über Ingolstadt nach Ulm via Donautalbahn (die andere Variante via Aalen/Crailsheim gabs dann bei der Rückfahrt). Egal wie, ich kannte die Strecken bereits alle, von daher war das alles wenig spannend.

Etappe 1 – Von Erlangen nach Ulm

Der Urlaub begann quasi mitten in der Nacht, noch vor sechs nämlich. Der Koffer war gepackt, ich musste nur den Bus erreichen um pünktlich am Bahnhof rumzustehen. Das war auch alles überhaupt kein Problem, der Bus war sogar überraschend leer, dafür dass ich eigentlich Berufsverkehr erwartet hatte. Aber so früh scheint man hier nicht aufzustehen…

Der erste Zug des Tages war dann ein ICE Richtung München, der mich nun ohne weiteren Firlefanz nach Ingolstadt bringen sollte. Den angebotenen Kaffee lehnte ich dankend ab, wer will schon auf der Tunnelrennpiste wach sein? Im Übrigen war es eine relativ dämliche Idee, direkt am ersten Urlaubstag losfahren zu wollen, gedanklich war ich nämlich überhaupt noch nicht im Urlaub, sondern dachte über irgendwelchen Arbeitskrempel nach. Das ist natürlich alles andere als erholsam.

Erholsamer war dann schon die Fahrt von Ingolstadt nach Ulm, da gings eher gemütlich zu. Der Tag entwickelte sich langsam zu einem ausgewachsenen Sommertag, so richtig mit blauem Himmel und allem was so dazugehört. Das Umsteigen in Ingolstadt hatte ich da schon hinter mir, da hatte es überhaupt keine Probleme gegeben. Mehr Bammel hatte ich da vor dem Umstieg in Ulm, weil ich in der Vergangenheit dort grundsätzlich immer Probleme gehabt hatte.

Etappe 2 – Von Ulm nach Friedrichshafen

Und was soll ich sagen, es gab (kann ja nicht anders sein) wieder Probleme. Bis Neu-Ulm ging alles recht problemlos, der Zug war pünktlich und alles sah nach einem knappen, aber machbaren Umstieg aus. Bis…ja, bis wir dann auf der Donaubrücke zwischen Ulm und Neu-Ulm rumstanden, quasi in Sichtweite des Bahnsteigs, und es einfach nicht weiterging. Es hilft dann auch nicht wirklich, wenn man in Ulm auf Gleis 28 ankommt (was jeglicher Logik zum Trotz ganz woanders liegt als man sich das normalerweise denken würde) und zum Gleis 6 Süd muss. Da hat man schon einen Mittelstreckenlauf hinter sich um überhaupt erst an der Unterführung anzukommen. Grund für diesen Mist ist natürlich auch wieder die Kleinstaaterei – bayrischer Bahnhof und württembergischer Bahnhof waren damals getrennt, und bis heute hat man dadurch unnötig lange Wege. Wie würde mein Bruder sagen: Alles kaputtschlahn! Und dann nochmal sauber geplant neu aufbauen.

Ich erreichte also mit Ach und Krach den bereitstehenden Zug, und konnte dann gleich bei diesem Verb bleiben, denn herumstehen war nun auch das was ich tun konnte – im Zug nämlich. Ist ja auch völlig unmöglich vorherzusehen, dass an einem sonnigen Freitag im Hochsommer mitten in der Ferienzeit irgendwer an den Bodensee fahren wollen könnte… Und dass dann die Leute auch noch Fahrräder dabei haben könnten. Die mickrigen acht Plätze der ersten Klasse waren von einer Reisegruppe belegt, in der zweiten Klasse stapelten sich die Leute, also stapelte ich einfach fleißig mit, was blieb mir anderes übrig?

Im Gang eines 612er Wackeldackels zu stehen ist KEIN Spaß. Gut, die Kiste war so voll dass man nicht umkippen konnte, dafür war nix mit prima Klima, stattdessen war Dünsten im eigenen Schweiß angesagt. Waren ja auch nur 28 Grad (laut Anzeige beim Ausstieg in Friedrichshafen), und im Zug wars noch ein gutes Stück wärmer. Zum Glück dauerte die Fahrt nach Friedrichshafen nur ungefähr eine Stunde.

Dort angekommen hätte ich laut Plan in den nächsten Zug einsteigen sollen. Dieser hätte mich die rund 800 Meter von Friedrichshafen Stadt nach Friedrichshafen Hafen transportiert. Nach der überstandenen Tortur war mir das aber zu doof, ich bin dann lieber die paar Meter mit dem Koffer im Schlepptaudurch die Fußgängerzone marschiert. Ich hatte ja bis zur Abfahrt der Fähre genug Zeit, außerdem war ja wie bereits erwähnt fantastisches Wetter. Und wie ich dann da so endlich am Ufer des Bodensees stand war mir auch so langsam wie Urlaub.

Etappe 3 – Jetzt fahr’n wir über’n See, über’n See…

Die Fähre verkehrt halbstündlich mit ungefähr halbstündiger Fahrzeit zwischen Friedrichshafen und Romanshorn und transportiert dabei hauptsächlich Autos und Autoinsassen. Harmlose Fußgänger so wie meinereiner werden aber auch mitgenommen. Die Autos stehen dann gemütlich auf dem unteren Deck, während man sich je nach Wetterlage weiter oben auf dem geschlossenen oder offenen Oberdeck die Beine vertreten kann.

Ich zog mir die Jacke wieder an (die ich vorher im überfüllten Zug abgelegt hatte), denn auf hoher See (oder auch nicht ganz so hohem Bodensee) ziehts doch ganz schön. Die Fahrt selbst war aber schön gemütlich mit tollem Ausblick auf Berge und Segelboote. Snacks und Getränke hätte man sich auch kaufen können, ich war aber versorgt – womit ich auch das schöne Lied vom Bodensee nicht singen brauchte: Ach wie tut das Herz mir weh, wenn ich vom Glas den Boden seh… Und so erreichte ich gegen Mittag zu den Klängen von Deep Purple die Schweiz.

Höhenprofil

Amüsante Anekdote am Rande: Der Bodensee ist abschüssig ;-). Friedrichshafen Hafen liegt auf 403m Höhe, Romanshorn hingegen auf 398.5m – keine Ahnung ob das an den unterschiedlichen Bezugsgrößen liegt…

Hier hatte ich nun fast eine Stunde Aufenthalt bis zur Weiterfahrt – wäre natürlich auch eher gegangen, aber dann hätte ich öfter umsteigen müssen, darauf hatte ich mit Koffer und nach dem ganzen Chaos in Ulm und um Ulm herum (ha, ich habs doch untergekriegt im Text, hihi) keinen Bock. Außerdem stand der IC bereits eine halbe Stunde vor Abfahrt mit laufender Klimaanlage am Bahnsteig. Und das war wenigstens ein richtiger Zug, so mit 4 Waggons der ersten und mindestens 6 der zweiten Klasse, alles doppelstöckig. Da passen richtig Leute rein, nicht wie in die Schuhkartons die in Deutschland teilweise unterwegs sind. Und bequeme Sitze gibts da auch.

Ich lief noch eine Runde über den Bahnhof auf der Suche nach einem Geldautomaten für buntes Papier, fand aber irgendwie keinen. Da ich das auch noch später erledigen würde können und die Sonne wirklich massiv runterbrannte suchte ich mir dann alsbald ein ruhiges Plätzchen im Oberdeck des Zuges.

Etappe 4 – Romanshorn-Zürich

Der IC brachte mich nun ohne weiter erwähnenswerte Ereignisse nach Zürich – dabei war das die einzige mir noch nicht bekannte Strecke des Tages. Highlight war die Fahrt vorbei am Flughafen Zürich, bzw. unter dem Flughafen durch: als wir aus dem Tunnel wieder rauskamen hob über meinem Kopf gerade ein A340 ab (eventuell wars auch eine 747, aber ich würde schon auf Airbus tippen – auf jeden Fall vierstrahlig). Kaum hatte ich das gesehen, fuhren wir auch schon durch Oerlikon und in den nächsten Tunnel. Und schon war ich im unterirdischen Teil des Zürcher Hauptbahnhof angekommen.

Zwei Rolltreppen später war ich am oberen Querbahnsteig angekommen und stellte wieder mal fest, dass die Deutsche Bahn es einfach nicht draufhat – so im Vergleich zu den Schweizern. Denn der ICE, der mich nun von Zürich nach Chur bringen sollte, entfiel mal eben, weiß der Henker wieso. Die Schweizer haben da aber ein ganz tolles neues innovatives Konzept. Sie nennen es „Ersatzzug“. Ich mag mich irren, aber das könnte Zukunft haben, zumindest wenn man bereit ist dafür Geld in die Hand zu nehmen (was die Füchse im Deutschen Bahnvorstand ja mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht sind).

Wie auch immer, ich lief erstmal zum Geldautomaten, denn eigentlich hatte ich gar nicht mit dem ICE fahren wollen – lieber 30 Minuten warten und Schweizer Rollmaterial mit bequemen Sitzen als Deutsche Holzklasse. Nachdem die Deutsche Holzklasse aber durch Abwesenheit glänzte und stattdessen ein weiterer IC2000 an den Bahnsteig rollte stieg ich einfach mal ein und suchte mir einen Platz auf der in Fahrtrichtung linken Seite.

Etappe 5 – Zürich-Chur

Eine Fahrt durch einen länglichen Tunnel (also alleine drei Tunnel im Zürcher Stadtgebiet, der Untergrund da scheint Schweizer Käse zu sein) später kamen wir in Thalwil wieder an die Erdoberfläche und nun lag links vor mir der in der Sonne glitzernde Zürichsee. Die Temperaturen hatten inzwischen die 30 Grad geknackt, entsprechend viel Andrang war an allen Freibädern, die sich auf den zehn bis zwanzig Metern zwischen Bahnstrecke und Seeufer einzwängen. Ich hingegen saß im gut klimatisierten Wagen und guckte mir Schweizer Landschaft an. Diese wird ja schon bald hinter Zürich wesentlich bergiger, die ersten Zweitausender stehen ja schon am Walensee in der Gegend herum.

Und so verging die Zeit wie im Zuge (boah, wasn dussliges Wortspiel) und schon war ich in der ältesten Stadt der Schweiz angekommen, in Chur nämlich. Mit gut 37.000 Einwohnern ist die Stadt die größte im Kanton Graubünden und unter den Top 20 der Schweiz (zum Vergleich: in Bayern wär sie nicht mal in den Top 30), außerdem ist dort das Ende der normalspurigen Eisenbahnwelt, in alle Richtungen außer Norden gehts nur schmalspurig weiter.

Wir hatten völlig unerwarteterweise fünf Minuten Verspätung bei der Ankunft, was weder mich noch sonst irgendwen zu tangieren schien. War ja auch alles kein Problem, ich wollte ins Hotel, und alle Umsteigeverbindungen würden ohnehin warten. So muss das sein.

Das Hotel hatte ich in weiser Voraussicht so gewählt, dass es möglichst direkt am Bahnhof liegt, und das war so auch absolut goldrichtig. Ich schaltete erstmal auf Sommermodus mit kurzer Hose um – laut Wetterbericht des nächsten Morgens waren in Chur 33.7°C gemessen worden – und begab mich auf einen ersten Spaziergang durch die Innen- bzw. Altstadt. Wirklich aufnahmefähig war ich allerdings dank der Hitze nicht, zumal ich unbedingt noch was zu trinken kaufen musste. Nach einigem Suchen wurde dann auch ein Supermarkt gefunden, in dem ich passende Erfrischungsgetränke erstehen konnte.

Den Abend verbrachte ich dann mit dem Wälzen von Wanderplänen und dem Studium des Wetterberichts (auf Schwyzerdütsch gar nicht so ohne weiteres verständlich), bis ich dann entschieden hatte, dass die erste Wanderung des Urlaubs von Arosa nach Langwies würde führen sollen. Aber das ist dann ein anderer Bericht.

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