Kategorien

Archive

Kalender

September 2017
M D M D F S S
 123
45678910
11121314151617
18192021222324
252627282930  

Urlaubsbericht Tag 3

2. September 2017, 20:49 Uhr von Uwe

Ich bin nach wie vor recht unkreativ beim Finden von Überschriften, das soll aber nicht weiter stören. Eine Fahrt mit der Dampfbahn Furka-Bergstrecke (DFB, nicht zu verwechseln mit dem Rasenhalma-Verband in Deutschland) stand auf dem Programm des Tages, dazu gabs unvorhergesehene Begegnungen mit einem Hund, Wandern auf den Spuren von James Bond und Sonnenbrand (nicht zwingend in der Reihenfolge). Aber der Reihe nach:

Etappe 0 – Planung

Das Fahren mit der Dampfbahn Furka-Bergstrecke ist gar nicht so einfach. Die Strecke ist überhaupt nur 3 Monate im Jahr befahrbar, ansonsten liegt da nämlich meterhoch Schnee, der im Frühjahr mit Baggern und schwerem Gerät weggeräumt werden muß. Damit nicht genug, die klappen auf der Strecke zwar nicht die Bürgersteige hoch, aber dafür eine Brücke ein, weil sie in einer Lawineneinflugschneise steht. Aus eben diesen für die Durchführung eines Eisenbahnbetriebs eher hinderlichen Gründen wurde in den 1970er Jahren der Furka-Basistunnel gebaut und die Bergstrecke nach dessen Eröffnung 1982 stillgelegt. Warum man heute trotzdem dort Fahren kann? Ganz einfach, einige 1000 positiv Bekloppte haben die Strecke in freiwilliger(!) Arbeit saniert, die originalen Dampflokomotiven vom anderen Ende der Welt zurückgeholt und führen seit 2010 wieder regelmäßigen Betrieb in den Sommermonaten durch. Das nötigt schon gewaltigen Respekt ab. Der SWR hat in der Reihe Eisenbahnromantik eine Sendung darüber gemacht, in der man u.a. auch die Schneemassen sieht, die dort jedes Jahr die Strecke unpassierbar machen.

Damit sind wir nun also beim Planungsteil angekommen – ich wollte mit dem Dampfzug von Realp aus in Richtung Furkapass fahren. Die Fahrt im Dampfzug muss man reservieren, es gibt auch Züge mit Dieselloks, da braucht man nicht reservieren. Ich wollte die Reservierung soweit wie möglich aufschieben, damit ich bei einigermaßen vernünftigem Wetter unterwegs sein konnte – was am Ende nur dazu führte, dass die normative Macht des Faktischen eingriff. Als ich am Vorabend gegen 18 Uhr eine Fahrt reservieren wollte stellte ich fest, dass ich bis 16 Uhr hätte reservieren müssen, aber es war eh alles ausreserviert, ich hätte also sowieso keinen Platz gekriegt. Was also tun? Ganz einfach, eine Stunde eher aufstehen und dann halt von einer Diesellok gezogen werden. Die Landschaft wird davon auch nicht weniger spektakulär. Da ich nun auch eine Stunde mehr Zeit fürs Wandern hatte, änderte ich den Plan dann auch dahingehend, nicht nur bis zum Furkapass, sondern weiter bis zur Westseite zu fahren, und dann über den Pass Richtung Osten wandern zu wollen – unter Berücksichtigung des Wetters natürlich. Und damit fiel ich ins Bett.

Etappe 1 – Bahnfahrt Andermatt-Realp (8.63 km, ↗111 m, ↘17 m)

Ich war pünktlichst beim Frühstück, ich hatte ja nur eine gute halbe Stunde Zeit für Futtern, Kaffee und Fußweg zum Bahnhof. Aus diesem Grund wollte ich eigentlich auch direkt vom Frühstück aus zum Bahnhof gehen und auf den Kaffee verzichten, aber die Hotelchefin überschlug sich mit Höflichkeit und schlug mir stattdessen einen Coffee to go vor, den ich dann schlecht ablehnen konnte. Danach wünschte sie mir viel Spaß bei der Tour und ich machte mich zwei Brötchen und einen Orangensaft später auf den Weg. Am Bahnhof angekommen hatte ich auch den Kaffee intus, und somit konnte der Tag beginnen.

Höhendiagramm

Das Wetter war immer noch von tiefhängenden Wolken gekennzeichnet, aber es sollte im Lauf des Tages aufklaren. Der Zug rollte gemütlich in Richtung Realp, was bei der kurzen Strecke ohnehin nur ungefähr eine Viertelstunde dauerte, insofern gibts da nix zu berichten. In Realp angekommen war ein Fußmarsch von knapp 700m zu absolvieren, da der Bahnhof der DFB etwas abseits neben dem Autoverladeterminal liegt. Letzteres bietet mittels Fahrt durch den Basistunnel eine Alternative zum Befahren der Furkapassstraße und ist im Winter die einzige Verbindung zwischen den Kantonen Uri und Wallis.

Dort wollte ich nun erstmal eine Fahrkarte käuflich erwerben, wobei sich herausstellte, dass die mit Diesellok bespannten Züge für Inhaber einer Gästekarte (hurra, eine solche hatte ich dabei) kostenlos benutzbar sind. Damit hatte sich das zeitiger aufstehen schon um gut einige Dutzend Franken gelohnt. Ich hab aber trotzdem 20 Franken gespendet, schließlich erhalten die da ein technisches Kulturgut allererster Güte (jedenfalls meiner völlig unmaßgeblichen Meinung nach). Außerdem erwarb ich noch zwei Ansichtskarten, weil sowas zwar altmodisch, aber viel persönlicher als eine e-Mail ist. Anschließend begab ich mich zum Bahnsteig und stellte fest, dass ich einen ganzen Waggon für mich alleine hatte.

Etappe 2 – Bahnfahrt Realp DFB – Furka DFB (7 km, ↗589 m, ↘1 m)

Die Fahrt dauerte zwar nur ungefähr 40 min, war aber dafür extrem spektakulär. Die Strecke folgt im ersten Abschnitt bis Tiefenbach dem tief eingeschnittenen engen Reusstal, schlängelt sich durch drei kurze Tunnel und über die Steffenbachbrücke (das ist die, die im Winter eingeklappt wird). Hinter Tiefenbach wird das Tal weiter, Bäume wachsen auf der Höhe schon lange keine mehr, und ungefähr ab dem Steinstafelviadukt waren wir dann wieder in den Wolken angekommen. Das fühlte sich dann an wie eine Fahrt durch eine unwirtliche Mondlandschaft – steiniger Boden, nur Gras, in der Ferne das Gebimmel von irgendwelchen Kühen, und irgendwann tauchte dann in einer Wolkenlücke vor uns der Furkapass auf.

Steigungsdiagramm

In Anbetracht der Tatsache, dass wir zum Einen eh schon bei ungefähr 10 Grad in den Wolken herumfuhren, und zum Anderen weiter oben am Pass noch Schnee lag, änderte ich spontan meinen Plan. Eine Paßquerung zu Fuß hätte bei dem Wetter wenig gebracht, höchstens Absturzgefahr und Schnupfenrisiko. Und so entschloss ich mich kurzerhand, an der Station Furka auf 2160 m auszusteigen und zurück in Richtung Realp zu wandern.

Etappe 3 – Wandern Furka DFB – Andermatt (19 km, ↗191 m, ↘838 m)

Ich war der einzige Irre, der bei diesem Wetter zu dieser Zeit dort spazieren gehen wollte, und so machte ich mich also dick eingepackt in Pullover und Regenjacke auf den Weg. Die Mondlandschaft auf über 2000m Höhe war durch den Regen eher mit einem Moor oder Sumpf zu vergleichen, vom Weg abkommen war also eher ungünstig. Selbiger war mehr oder minder gut ausgeschildert in Form von Markierungen an großen Felsbrocken, Trittstufen aus alten Bahnschwellen und stellenweise auch nur durch niedergetrampeltes Gras – man mußte also schon ungefähr wissen wohin es geht. Wirklich verlaufen konnte man sich allerdings nicht, auf der einen Seite war die Bahnstrecke, auf der anderen Seite die Reuss, solange man sich zwischen beidem befand war man nicht völlig falsch abgebogen…

Tempodiagramm

Einziger Begleiter hierbei war nur das undefinierte Hintergrundgebimmel zahlloser lila Alpenkühe (vielleicht waren sie auch nicht lila, ich hab sie in den Wolken ja nicht gesehen…). Über einige Weideabschnitte marschierte man auch wieder drüber, markiert jeweils durch Weidezäune. So gings beständig leicht bergab. Unterwegs war ein Trupp Fronarbeiter mit Streckenausbesserungen beschäftigt, und irgendwann kam ich dann in der Nähe des Steinstafelviaduktes an, und da gings erstmal nicht weiter.

Dort befindet sich ein kleines Gehöft eines Bergbauern, und der Weg führt auf einem vielleicht 100m langen Abschnitt über seine Weide. Von den Anwohnern war nix zu sehen, einzig der Hofhund (ohne es genau bestimmen zu können würde nach dem Studium von Wikipedia von einen Border Collie ausgehen) hielt Wache. Dieser musterte mich zunächst eingehend, aber als ich dem Weg auch nur einen Schritt weiter folgen wollte, veränderte sich das harmlose Hundegesicht in eine fiese zähnefletschende knurrende Grimasse. Was nun? Drumrumlaufen um den Abschnitt ging nicht, der Weg war auch korrekt markiert, ich musste also an dem liebreizenden Vierbeiner vorbei. Also rief ich mal laut in die Runde, ob irgendein anderer Zweibeiner in der Nähe wäre, grüßte den daraufhin aus der Garage auftauchenden Mann freundlich (entgegen anderslautenden Gerüchten kann ich freundlich wenn ich will, ich will nur fast nie) und fragte ob er nicht kurz seinen Hund zurückpfeifen könnte, weil ich ja nur ein harmloser Wanderer sei. Damit war auch diese Situation entschärft, der Hund gehorchte aufs Wort (halt nur nicht auf meins) und ich konnte anschließend unhelligt meiner Wege ziehen.

Höhendiagramm

Der Weg folgt ab dem Steinstafelviadukt direkt der Bahnstrecke bis hin zur Station Tiefenbach. Ab hier hatte ich nun zwei Möglichkeiten zum Weiterwandern, eine je Talseite. Hier hatte ich mich glücklicherweise vorher informiert und hielt mich auf der südlichen Seite, die wesentlich näher an der Bahntrasse verläuft. Dazu mußte selbige zunächst überquert werden, und hier hatte ich nun tatsächlich mal Glück, denn genau zu dem Zeitpunkt kam ein Zug vorbei, so dass ich ein paar Fotos mit Zug und Landschaft machen konnte. Danach ging es kurz und steil nach oben, was auf dem immer noch schlammigen Untergrund gar nicht so einfach war. Ziel der Übung war das Überqueren einer Bergzacke, danach ging es weiter relativ gemächlich bergab, vorbei an weiteren Kühen (wie die auf dem Untergrund rumlaufen können ist mir schleierhaft). Das Wetter klarte nun zusehends auf, die Sicht Richtung Realp wurde bedeutend besser, und sogar einige Fetzen blauen Himmels waren schon zu erkennen.

Ungefähr auf Höhe der Steffenbachbrücke hatte sich die Sonne endgültig durch die Wolken gekämpft, so dass ich noch ein paar schöne Fotos vom Zug im Tal machen konnte. Ungefähr an der gleichen Stelle, nur auf der gegenüberliegenden Seite des Tals, spielte sich übrigens im Film Goldfinger die Szene ab, wo James Bond bei einer Pause während seiner Verfolgung Goldfingers von Tilly Masterson beschossen wird. Wenige Minuten später war ich wieder in Realp angekommen und musste nur noch ein letztes gefährliches Gebiet durchqueren: Große Warnschilder warnen hier vor tieffliegenden Projektilen, man solle den Bereich daher schnell durchqueren. Nein, das war kein Schießstand der Schweizer Armee, sondern ganz simpel ein Golfplatz…

Steigungsdiagramm

Die Uhr zeigte nun etwa 13 Uhr an, was für eine Rückkehr nach Andermatt per Zug ein bissl arg zeitig war. Also entschloß ich mich, die ungefähr 8km, die ja ohnehin fast eben sind, auch noch zu wandern. Die Sonne schien, es war einigermaßen windig, was also sollte schiefgehen? Also wandelte ich noch ein gutes Stück weiter auf den Spuren von James Bond. Nach dem Beschuß am Furkapass verfolgt Bond nämlich von Realp aus Richtung Andermatt die Schützin und drängt sie mit Hilfe seines Aston Martin und dessen eingebauter Gadgets in den Straßengraben. Anschließend setzt er sie dann in Andermatt an einer Tankstelle ab. Die Szene gibts auch bei youtube. Und genau die gleiche Strecke hatte ich ja nun vor mir, bis auf den Teil mit der Tankstelle, weil ich auf der anderen Uferseite der Reuss unterwegs sein würde.

Langer Rede kurzer Sinn, ich spazierte (wandern kann man es in der Ebene nicht wirklich nennen) gemütlich die Straße entlang, vorbei an einem Steinbruch, einem Schießstand (vermutlich von der Schweizer Armee, die üben regelmäßig das Beschießen der Berge zum gezielten Auslösen von Lawinen), diversen Kühen (inzwischen schien die Sonne, es war eindeutig erkennbar dass die Kühe eher grau statt lila waren) und erreichte somit gegen 14:00 Uhr Hospental. Ab hier führte der Weg direkt an der Reuss entlang und machte dann in Richtung Andermatt aber nochmal ein paar eigentlich unnötige Schlenker rund um den dortigen Golfplatz (was dann eine Golfplatzdichte von 2 auf 8 km Fußweg ergibt…).

Tempodiagramm

Der letzte Abschnitt führte mich schließlich quer durch Andermatt, vorbei an der Kirche, am Hotel und in den nächsten Supermarkt. Frisch ausgerüstet mit Getränken und kohlenhydratreichem Futter für die nächste Wanderung landete ich nun endlich gegen 15:45 Uhr im Hotel und unter der Dusche. Beim Blick in den Spiegel stellte ich dann eine gewisse Rotstichigkeit meines Gesichtes fest… Das hielt mich aber nicht davon ab, abends nach unten in die Bar zu gehen, wo mich die Chefin gleich fragte ob ich einen guten Tag gehabt hätte – die kümmern sich echt um ihre Gäste. Ich verdrückte erneut einen Hamburger (warum was anderes probieren wenn man schon etwas weiß was schmeckt?) und spülte mit zwei Bier nach. Anschließend fragte ich nach, ob ich am nächsten Morgen nicht vielleicht 10 Minuten eher zum Frühstück kommen könnte, weil ich pünktlich Richtung Göschenen aufbrechen, andererseits aber wenigstens vorher in Ruhe einen Kaffee trinken wollte. Auch das wurde sofort zugesichert und war überhaupt kein Problem. So viel Kundennähe beeindruckte mich echt.

Fazit: Es war eine schöne Wanderung in beeindruckender Landschaft, der Sonnenbrand war meine eigene Schuld, ich hätte ja nur den Hut statt im Rucksack auf dem Kopf tragen brauchen (Anfängerfehler). Das Wetter oben am Paß war halt nicht zu ändern, und die Fahrt mit der Bahn kann ich uneingeschränkt empfehlen. Nun fehlt mir noch die Westseite des Furkapasses hinunter nach Gletsch und Oberwald, die muß ich dann irgendwann in den nächsten Jahren mal auf den Plan schreiben. Die Tour könnte man z.B. auch so machen, dass man die gesamte Bergstrecke abfährt und gar nicht wandert. Oder man wandert an der Westseite, da gibts mit dem Rhônegletscher auch deutlich mehr zu sehen als auf der doch extrem kargen Ostseite.

Einen Kommentar schreiben