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Qualitative Unterschiede

6. Oktober 2015, 21:09 Uhr von Uwe

Am Sonntag, den. 30.8., konnte ich (wieder einmal) wunderbar erfahren, wieso die Deutsche Bahn als Verein von Chaoten gilt, während es im Ausland alles deutlich entspannter zugeht… Und das kam so…

Als letzten Aufenthaltsort meines Urlaubs hatte ich mir eine bekannte Stadt im Südwesten der Republik ausgesucht, da man von dort aus relativ einfach besagten Südwesten würde unsicher machen können. Um nun aber von Salzburg nach Stuttgart zu kommen, wollte ich natürlich auch wieder mit der Bahn ums Dorf fahren. Schließlich hat man nicht jeden Tag diese Möglichkeiten.

Also begann der Tag erneut mit einem gediegenen Frühstück, danach folgte unzeremoniell der Abschied vom Hotel und ich zog mitsamt meines Koffers zum Bahnhof. Dort bestieg ich den RailJet in Richtung Zürich. Dieser war zu dieser frühen Stunde noch recht spärlich besetzt, ich hatte ein Viererabteil für mich, auf der anderen Seite des Waggons saß ein englisches Ehepaar, die sich dann als erstes ein Frühstück aus dem Speisewagen genehmigten, bevor sie sich über marvellous splendid wonderful landscapes and mountains unterhielten.

Durch den Korridor

Aufgrund der topographischen und politischen Gegebenheiten – irgendeiner hat da halt so komisch kaskadierende Bergketten in den Weg gestellt und die depperten Bayern und Österreicher haben sich bei ihrer Grenzziehung nicht daran orientiert – führt die schnellste Bahnverbindung von Salzburg nach Innsbruck über das sogenannte Deutsche Eck. Das hat nix mit Koblenz zu tun, sondern beschreibt die Tatsache, dass man via Rosenheim und Kufstein einfacher um den Berg herumfahren kann als über Bischofshofen und Kitzbühel (wobei letztere Variante sicherlich optisch mehr zu bieten hätte). Man einigte sich hier jedenfalls schon vor langer Zeit über die Durchführung von vereinfachten Grenzkontrollen und die Nutzung von Korridorzügen (mit sowas hatten die Deutschen ja schon seit 1918 umfassende Erfahrungen gesammelt).

Der Zug fährt also jedenfalls in Richtung Rosenheim, biegt dann aber kurz vor dem Bahnhof links ab und biegt auf die Strecke Richtung Kufstein ein. Ich genoß den blauen Himmel und den Ausblick auf die Berge, deren Höhe mit zunehmender Reisedauer deutlich zunahm. Ab Kufstein war man nun wieder in Österreich unterwegs, bis auf ein Schild auf der neben der Bahnstrecke verlaufenden Straße war davon aber quasi überhaupt gar nix zu bemerken. Der Zug eilte nun flotterweise zwischen Lärmschutzwänden entlang auf Innsbruck zu. Auch da wird ja im Winter gerne holzbrettschliddernde Versuche im Segelfliegen unternommen. Daran war bei den aktuellen Temperaturen jedoch nicht zu denken.

Berge links und Berge rechts

Nun folgte bereits das erste Highlight des Tages, nämlich die Fahrt über die Arlbergstrecke. Auf dem Navigerät bin ich die schon zahllose Male zu Testzwecken abgefahren, um die Darstellung der Autobahntunnel zu prüfen (die nie so funktionierten wie wir das gerne gewollt hätten)… Aber was meißeln die da auch so völlig beknackte Tunnelkaskaden in den Berg, wo doch das Fahren über den Berg viel mehr gute Aussichten verspricht? Das dachte sich wohl auch das österreichische Straßenbauamt (oder wer auch immer da zuständig ist), weswegen der Arlbergtunnel ziemlich geschlossen war und alle die Passstraße nutzen mussten. So viele Leute waren aber nicht unterwegs, es gab keinen Stau. Auch auf der Bahnstrecke verlief alles planmäßig, der Zug erklomm die Rampen, ich ärgerte mich über die blöden Bäume, die immer im unpassendsten Augenblick ins Foto hüpften, und viel zu früh hatten wir den Arlbergtunnel erreicht.

Es galt natürlich auch hier wieder die alte Radfahrerregel: Wer bergab fahren will, muss vorher bergauf fahren. Und wenn man ganz oben ist, kann es logischerweise nur noch bergab gehen. Ich wechselte nun meinen Sitzplatz von der rechten auf die linke Seite, da irgendein Ingenieur damals der Meinung war, die Westrampe an den Südhang dranzubasteln (ja, das hat so schon seine Richtigkeit), was nun auch dank Gegenlicht keine gescheiten Fotos mehr ermöglichte (inwieweit Schnappschüsse aus dem fahrenden Zug als gescheit gelten ist ohnehin diskussionswürdig, aber egal). Der Zug rollte also nun den Berg wieder runter, und ehe man es sich versah, waren wir schon im nächsten wichtigen Kaff angekommen, an dem ich aus- und umsteigen durfte.

Felder und Kirchen und Wasser

Dies fasst die Landschaft einigermaßen gut zusammen, und deswegen heißt das Nest wohl auch Feldkirch – oder auch nicht, ich bin Tourist, ich hab keine Ahnung. Dafür konnte ich beim Umsteigen nun feststellen, dass man in dieser Ecke Österreichs eine ziemlich komische Sprache spricht, die wohl selbst von den Österreichern nicht für voll genommen wird. Verstehen tu ich sie jedenfalls eher nicht.

Aber ich wollte ja auch mit den Eingeborenen keinen weiteren Kontakt aufnehmen, sondern eigentlich nur auf der inzwischen topfebenen Strecke (die Berge hielten sich mittlerweile dezent im Hintergrund und fehlten in Fahrtrichtung links vorne gänzlich) in eben jene Richtung fahren, wo keine Berge den Blick zum Horizont verstellten.

An eben dieser Stelle – der geographisch einigermaßen Bewanderte wird es längst bemerkt haben – liegt das Schwäbische Meer. Und das war gut besucht, bei Außentemperaturen um die 30 Grad kein Wunder. Und so stapelten sich an den wenigen Grasflächen die Badewütigen, daneben rollten die Radwanderer ihres Weges, und direkt daneben guckte ich mir die ganze Szenerie samt Segelbooten und Fähren aus dem fahrenden Zug an – und war froh über die funktionierende Klimaanlage.

Willkommen in Deutschland

In Lindau Hauptbahnhof betrat ich nun wieder deutschen Boden – und eilte in erster Amtshandlung gleich erstmal quer über den ganzen Bahnhof zum Anschlußzug Richtung Friedrichshafen. Dieser fährt natürlich am anderen Ende des Bahnhofs ab, und damit man einen Anreiz zu sportlicher Betätigung hat ist die Umsteigezeit knackig kurz. Als besonderes Highlight bestandt der Zug aus einem 30 Jahre alten Triebwagen, der dementsprechend zwar über kleine Klappfenster, aber weder eine Klimaanlage noch eine erste Klasse verfügte.

Das Gegurke nach Friedrichshafen war denn auch ziemlich zermürbend, zum Einen wegen der Hitze im Zug, zum Anderen aufgrund des knapp volljährigen Mädels gegenüber, die die ganze Zeit lautstark mit ihrer Mutter telefonierte. Es interessierte mich nicht im Allergeringsten, dass du einen tollen Zelturlaub hattest, und es interessiert mich auch nicht, dass du in zwei Wochen zur Bundeswehr gehst und Feld-, Wald- und Wiesenwebel werden willst. Ich dachte mir da nur so, dass sie sich ob ihrer überlangen Fingernägel und der Schminke im Gesicht noch ziemlich wird umgucken können *hrhr* Aber gut, die Fahrt war dann zum Glück auch schnell vorbei.

In Friedrichshafen Stadt – nicht zu verwechseln mit Friedrichshafen Hafen – stand der Anschlußzug auch schon bereit. Aufgrund von Bauarbeiten fuhr dieser allerdings nur bis nach Ulm und nicht nach Stuttgart, was zu zahllosen verpeilten Reisenden führte, da auf dem Bahnhof genau gar nichts ausgeschildert oder ausgehängt war. Während ich also noch gemütlich den Zug abschritt und den Waggon mit der ersten Klasse suchte, hörte ich hinter mir ein bekanntes Geräusch, welches ich da nun so überhaupt nicht erwartet hätte – eine Dampflokpfeife.

Ich drehte mich um und da fuhr doch auf dem Nachbargleis tatsächlich ein Sonderzug ein, bestehend aus einer BR 64 (wenn ich es richtig gesehen habe) und Silberlingen. Die Teilnehmer dieser Sonderfahrt werden da drin sicherlich schön geschwitzt haben… Ich hingegen ließ mich in die neuen Polster eines klimatisierten Doppelstockwaggons fallen, was mir in diesen tropischen Temperaturen allemal lieber war. Ich war bisher zweimal in Friedrichshafen, und beide Male war eine Affenhitze – inwieweit man hier Korrelationen und Kausalitäten herstellen kann mögen andere diskutieren.

Nordkorea bei Ulm

Die Bahnfahrt nach Ulm wurde denn auch ziemlich kurzweilig, allerdings anders als ich mir das gedacht hatte. Zunächst ging es recht flott voran, die Landschaft war hier nun auch vergleichsweise unspektakulär. Interessant wurde es dann so ungefähr ab Laupheim, da standen wir nämlich aufgrund der Bauarbeiten erstmal eine Viertelstunde dusslig in der Gegend herum.

Und so kamen die Reisenden ins Gespräch, denn nichts verbindet so wie das gemeinschaftliche Motzen über die Bahn. Das meiste ist ja dabei substanzloses Dummplappern, aber einer hatte da tatsächlich interessante Stories zu erzählen, zum Beispiel vom Bahnfahren in Südostasien oder von Dienstreisen nach Nordkorea. Das war dann doch in der Tat recht spannend.

Spannend war auch das Umsteigen in Ulm, weil es schlicht keinerlei Infos gab, mit welchem Zug man denn nun eigentlich weiter nach Stuttgart fahren könnte. Der eigentlich laut Fahrplan nächste Zug wäre ein IC gewesen, der aber gerade abfuhr als wir einfuhren. Ich guckte also schnell auf meinem handlichen Taschencomputer nach, der mir einen Regionalbummelzug fünf Minuten später anbot. Also hastete ich zum entsprechenden Bahnsteig, wo auch tatsächlich ein elektrisch betriebener Triebwagen mit elektrisch betriebener Klimaanlage stand – mit der klitzekleinen aber relevanten Einschränkung, dass die Klimaanlage nicht funktionierte…

Der Märchenonkel mit den Reiseerfahrungen in Korea saß mir nun gegenüber (er hatte zunächst vergeblich versucht den IC zu erreichen, da es wie gesagt keinerlei Infos über mögliche Anschlüsse gab). Wir kamen also ins Gespräch und stellten fest, dass er in ähnlicher Branche unterwegs war, inzwischen aber als Rentner nur noch ausgewählte Sonderaufgaben übernahm, wenn jemand mit besonders viel Erfahrung gebraucht wurde. Das war auch für mich recht spannend, von so alten Hasen kann man schließlich noch was lernen. Über das Gespräch vergaß ich sogar aus dem Fenster zu gucken und die Geislinger Steige anzuschauen…

Im Schwabenländle

Das letzte Teilstück unterhielt ich mich dann tatsächlich noch mit einem anderen Mitreisenden, der in erster Linie durch den starken ortsüblichen Dialekt auffiel. Ich finds ja immer a weng putzig. Gut gedünstet im eigenen Saft kamen wir schließlich in der Baustelle an, die den Stuttgarter Hauptbahnhof darstellen soll, nur eine reichliche Stunde nach dem ursprünglichen Plan, dafür mit Schwitzflecken am Allerwertesten…

Mein letzter Weg des Tages führte mich denn auch schnurstracks zum Hotel, welches zum Glück eine funktionierende und gut regelbare Klimaanlage aufwies. Zu diesem Zeitpunkt fand ich das Hotelzimmer auch noch recht schick… Warum sich dies in den nächsten Tagen änderte wird dann demnächst mal erzählt…

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