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Tízezer lépés

19. September 2015, 23:08 Uhr von Uwe

Der Titel eines Songs einer ungarischen Rockband mit griechischem Namen (hey, wir sind hier heute international) fiel mir gerade als Überschrift ein – weils ungefähr passt. Ich bin nämlich den ganzen Tag in Hamburg herumgetrottet. Was ich dabei so erlebt habe und warum mir am Ende des Tages die Füße ordentlich schmerzten gibts in den folgenden Absätzen.

Frühaufstehertouristen vs. Langschlafmuseumspförtner

Zunächst einmal hatte ich das Problem zu lösen, wie man den Tag beginnt. Für ostdeutsche Frühaufsteher sind die üblichen Öffnungszeiten von Museen nämlich totaler Blödsinn. Und gerade im Hochsommer hat man echt was davon, wenn man morgens schon bevor es richtig heiß ist die wesentlichen Dinge erledigt hat und sich dann irgendwo Eis futternd hinsetzen kann – siehe Ausflug nach Weimar in der vorhergehenden Woche.

Nun fand ich glücklicherweise heraus, dass die Aussichtsplattform eines bekannten Hamburger Wahrzeichens, nämlich der St. Michaeliskirche, gemeinhin Michel genannt, bereits um 9 Uhr öffnet. Aufgrund der guten Erfahrungen des Vortages mit zeitig Aufstehen und Ruhe beim Frühstück haben wurde trotzdem der Wecker auf 6:45 Uhr gestellt, allerdings wurde der Alarm durch einen sanften Voralarm ergänzt. Das heißt da wird erstmal drei Minuten irgendwas Entspannendes berieselt, Meeresrauschen oder so, und das langsam lauter werdend, bevor dann der eigentliche Alarm daherkommt und man das depperte Ding nur deswegen nicht an die Wand pfeffert, weil es so teuer war…

Auf jeden Fall war ich beim Frühstück trotz Frühaufstehen diesmal nicht alleine, eine Familie aus dem schwäbischen mitsamt Teenietochter frühstückte gleichzeitig mit mir. Wie man schon vor dem ersten Kaffee so penetrant rumschwätze tun kann wird mir ewig ein Rätsel bleiben… Ich verdrückte also einigermaßen gemütlich meine Brötchen und das Frühstücksei und spülte mit einer Kanne Kaffee, bevor ich mich dann irgendwann nach acht Uhr langsam auf den Weg machte.

Hamburg von oben

Der Weg war trotz morgendlichem Berufsverkehr problemlos absolvierbar, ich war auch prompt viel zu früh da und konnte noch dreimal rund um die Kirche wandern und die Anzahl der Türen zählen, sparte mir das aber und pflanzte mich einfach auf die nächstbeste Parkbank und beobachtete die erste LadungTouristen, die kurz vor 9 Uhr reichlich verpeilt dem Bus entstieg.

Kurz nach neun Uhr betrat ich also die Kirche, und wie üblich und bereits letztes Jahr in Ulm praktiziert darf man zwar für lau zu Gott beten, ihm aber nur nach Entrichtung eines Obulus aufs Dach steigen. Im Gegensatz zu Ulm (und für die Touristengruppen sehr praktisch) ist jedoch die Tatsache, dass es im Michel einen Fahrstuhl gibt. Allerdings war an der Kasse so oder so erstmal Andrang wegen der Touristengruppe, also guckte ich mich erstmal in Ruhe in der Kirche um.

So richtig ruhig war es aber gar nicht, denn ich kam ungeplant in den Genuß eines Orgelkonzerts. Also in Teilen. Da waren nämlich Organisten und Techniker gerade dabei, die Orgel irgendwie zu richten und den Orgelpfeifen die richtigen Flötentöne beizubringen. Als Laie höre ich da sowieso keine Fehler, war aber ob der beeindruckenden Akustik doch… na beeindruckt eben. Da kann selbst eine echte Hammond mit Leslies nicht dagegen anstinken 😉

Treppensteigen für Fortgeschrittene

Dann war die Schlange an der Kasse endlich weg, und während die Touristen auf den Fahrstuhl warteten, machte ich mich auf zur Überprüfung der Treppenstufen auf vollzählige Anwesenheit. Wenn ich in Ulm hochklettern kann kann ich das auch in Hamburg, der Turm hat schließlich nur ungefähr 2/3 der Höhe. Ich hab mich selten so getäuscht…

Während man in Ulm in einer geschlossenen engen Wendeltreppe nach oben kraxeln muss und höchstens mit Klaustrophobie und Gegenverkehr zu kämpfen hat, wurde mir in Hamburg tierisch schwindlig. Das Problem ist ganz einfach: Im Turm hat jede Zwischendecke eine Höhe von ungefähr 10 Meter. Und da klebt dann die Treppe an der Wand und man hat einen wunderschönen Blick in die Tiefe des Raumes. Ich war bereits nach der ersten Ebene schweißgebadet, und das lag definitiv nicht am Wetter und nicht an den Treppenstufen…

Ich legte also auf jeder Zwischenebene eine Pause ein und beguckte dort gemütlich das Uhrwerk, welches gemächlich vor sich hin tickte – grüne oder rote oder blaue Drähte hab ich keine gesehen, kann also auch keine Bombe gewesen sein. Die Kirchenglocken kann man sich auch aus der Nähe anschauen, da verzog ich mich allerdings lieber zügig, da ein plötzlich Herumgebimmel gegen 9:30 Uhr zu befürchten war und ich mein Ohren noch zum Hören von anderem Krach brauche.

Kurz nach halb 10 Uhr hatte ich es dann also geschafft und stand auf der Aussichtsplattform. Die Innenstadt lag noch im Morgendunst, im Hafen rangierten die Ozeanriesen, über allem strahlte die Sonne und ich war definitiv mächtig stolz auf mich, dass ich mich erfolgreich hochgekämpft hatte. Nach ungefähr einer Viertelstunde hatte ich dann alles gesehen und fotografiert, was es da so sinnvollerweise zu sehen gab, und machte mich wieder auf den Weg nach unten. Und da ich es schon die Treppen hinauf geschafft hatte, wollte ich auch beim Rückweg nicht kneifen. Das war witzigerweise deutlich einfacher, weil man sich genau auf die Treppenstufen konzentrieren musste, um nicht zu stolpern. Da war dann auch nix mehr mit Höhenangst.

Maritime Museumsstücke

Das nächste Ziel des Tages war das Maritime Museum in der HafenCity, an dem ich am Vortag schon vorbeigeschippert worden war. Dazu muss man erstmal in die HafenCity kommen, die ja in weiten Teilen eine Großbaustelle ist. Dank elektronischer Stadtpläne ging das jedoch problemlos, so dass ich mich nun ausführlich dem Studium des Museums widmen konnte. Dieses ist in einem ehemaligen Speicher untergebracht und verfügt über 11 Decks – was ja nix anderes als Marinesprech für Etagen ist. Ich fragte also am Einlass in welcher Reihenfolge man sich das Museum angucken sollte: „Ja entweder unten anfangen und dann nach oben, oder mit dem Fahrstuhl hoch und dann nach unten.“ Da ich schon genug Treppen gestiegen war entschied ich mich also spontan für letzteres.

Ich will jetzt nicht alles aufzählen, was man im Museum besichtigen kann, das beginnt mit zehntausenden Modellschiffen in allen Maßstäben und aus allen möglichen und unmöglichen Materialien (vom Segler in Fingerhutgröße bis zum Legoschiff aus 750.000 Steinen mit 13m Länge), darunter aus Papier gefaltete, aus Elfenbein oder Bernstein oder Gold geschnitzte und und und. Es folgen zahllose Bilder (Marinemalerei ist ja eine eigene Kunstrichtung), Uniformen aus aller Welt, Orden und Ehrenabzeichen und mehere Decks mit Material über Marinekriegstechnik, Abhandlungen zur Entwicklung der zivilen Schifffahrt von den Phöniziern über die Titanic bis zum modernen Containerfrachter oder so), und natürlich auch die grundlegenden nautischen wissenschaftlichen Entwicklungen – auf hoher See die gar nicht so dämliche Frage „Wo bin ich denn hier eigentlich?“ zu beantworten ist nämlich gar nicht so einfach. Navigation ist ja keine Erfindung von Google, sondern wird auf hoher See schon ein paar tausend Jahre länger gemacht 😉

Irgendwann zwischen 14 und 14:30 Uhr war ich dann am Ausgang angekommen, man kann dort aber definitiv noch mehr als die knapp vier Stunden zubringen, die ich da drin war. Draußen wurde ich von einem dicken Hitzewand getroffen, die Temperaturen im sonst so kühlen Norden waren schweißtreibend rekordverdächtig. Ich schlich mich also im Schatten der Gebäude zum nächsten Museum.

Der Prototyp eines Museum

Mein Ziel war das Prototypen-Museum, welches sich darauf spezialisiert hat, Fahrzeugprototypen aller Couleur auszustellen. Das sind dann in aller Regel Einzelstücke, Leihgaben der jeweiligen Konzernmuseen oder auch (im Falle von Rennwagen) von entsprechenden Sammlern und Rennställen.

Um es kurz zu machen: Ich war nur mäßig beeindruckt. Auf drei Etagen verloren sich rund 30 Autos, die dritte Etage war für eine Sonderausstellung zu Wolfgang Graf Berghe von Trips reserviert und zeigte vorrangig Fotos statt Autos. Wirklich schick waren lediglich einige wenige Porsche, ein Le Mans-Audi und der Jordan, mit dem Michael Schumacher sein erstes Formel 1-Rennen bestritt.

Werbung

Nun war es Zeit für eine Erfrischung. HafenCity und Erfrischung, da hatte doch der Typ von der Hafenrundfahrt das Unilever-Haus genannt. Also nix wie hin. Das muss man sich vorstellen wie die Autowelt in Wolfsburg oder ähnliche Firmenpräsentationen. Die präsentieren also sich und ihre Produkte, und im Falle von Unilever ist das halt quasi eine bunte Mischung aus Tütensuppen, Putzmitteln und… Eis.

Das Gedrängel am Eisstand war den Temperaturen angemessen, die Massen standen bis zur Türe raus. Die Anzahl der verfügbaren Sorten erinnerte mich allerdings eher an die besten DDR-Zeiten der inzwischen geschlossenen Güstener Eisdiele – wir haben zehn Sorten im Angebot, aber heute Vanille und Erdbeere da. Am Ende wurde es dann wenn ich mich recht entsinne Vanille, Nuss und irgendwas mit Frucht – irgendeine wilde Waldbeere oder so – völlig schnuppe, Hauptsache kalt. Und bevor mir jetzt einer Schleichwerbung unterstellt – das Eis, was ich eine Woche später im Südwesten der Republik gegessen habe schmeckte erheblich besser als diese komischen Langnasen-Fertigmischungen.

Schluss mit lustig

Irgendwie war ich nun aber trotzdem fix und fast fertig. Deswegen trat ich den Rückweg zum Hotel an, mit einem letzten Zwischenstop bei der lokalen Filiale einer bekannten Elektronikmarktkette.

Das Angebot dort war ziemlich großartig – viel Krach zu vernünftigen Preisen. Eigentlich wollte ich nur die genau an diesem Tag erschienene neue Ghost einsacken, dann gabs aber außerdem noch Rereleases von King Diamond und Led Zeppelin (wo ich mich vertan hab und jetzt deswegen wieder mal was doppelt im Schrank steht). Verquer war noch der Althippie, der ungefähr eine halbe Stunde an der Station zum Probehören stand und sich Johnny Cash reinzog – und die Songs lautstark mitbrummte.

Ich schleppte meine müden Knochen nun endgültig zurück zum Hotel und kam unterwegs noch am Schaufenster des Lego Shops vorbei. Die hatten aber nur den neuen Ferrari F40 und sonst nix relevantes, und ich hatte eh nicht vor noch irgendwas zu shoppen. Damit war der Tag auch beendet, den Rest des Abends verbrachte ich mit Lektüre der Magazine, die ich im Miniaturwunderland gekauft hatte und dem Studium des Fahrplans der U-Bahn, denn die spielte am nächsten Tag eine Nebenrolle.

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