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Wundern im Kleinen und herumschippern im Großen

17. September 2015, 20:04 Uhr von Uwe

Der erste Tag des Hamburg-Urlaubs stand ganz im Zeichen des Sightseeings. Das erste Ziel war dabei das Miniaturwunderland, das zweite eine Hafenrundfahrt, alles andere war dann Zugabe. Und weil bei mir Planübererfüllung eher die Norm als die Ausnahme ist lief der Tag wie folgt ab…

Wer eher aufsteht hat weniger geschlafen

Der clevere Taschencomputer weckte mich wenig clever um 6:45 Uhr mit lautem Herumgepiepse. Nachdem ich also erfolgreich aus dem Bett gefallen war und mir erfolgreich die gröbsten Falten aus dem Gesicht gemogelt hatte, ging es pünktlich um sieben Uhr zum Frühstück. Dieses wurde in Form eines kleinen Brotkorbs und einer Platte mit Wurstkäseaufschnitt sowie eines Tellers mit Honig, Nutella und Marmelade am Sietzplatz im Frühstücksraum serviert. Dazu gehörten auch ein Kännchen Kaffee, O-Saft und ein Frühstücksei. Das war alles soweit prima, und da ich der einzige Volldepp war, der da mitten in der Nacht frühstückte, hatte ich auch genügend Ruhe, um den Tag mit einer ausreichenden Stärkung zu beginnen. Immerhin hatte ich ja viel vor.

Pünktlich um 7:30 Uhr ging es nun per pedes durch den Großstadtdschungel. Das nördliche Bahnhofsvorfeld war noch in dichten Bodennebel gehüllt, die Sonne war aber bereits dabei, diesen hinwegzubrutzeln. So früh am Morgen kam man auch problemlos ohne Gedränge durch die Innenstadt, so dass ich bereits 10 Minuten zu zeitig an der Speicherstadt ankam. Also nahm ich Tempo raus, entledigte mich der Jacke – es wurde inzwischen dann doch schon zu warm dafür – und machte noch ein paar Alibifotos.

Minimale Größe und maximales Wundern

Pünktlich um kurz nach acht Uhr morgens stand ich dann also an der Kasse des Miniaturwunderlandes. Da war ich vorher einmal anno 2006 oder so gewesen, an einem Samstag gegen 10 Uhr morgens, und hatte 90 Minuten an der Kasse anstehen müssen. Das wollte ich dieses Mal unbedingt vermeiden, daher der frühe Termin mitten in der Woche. Außerdem hatte ich für 8:50 Uhr eine Führung hinter die Kulissen gebucht, wenn man halt schon mal da ist.

Die Planung ging voll auf, ohne jede Wartezeit kam ich rein und konnte sogar noch ohne Probleme an der Kasse Wechselgeld für die Garderobe organisieren. Nun hatte ich also noch eine runde dreiviertel Stunde Zeit bis zur Führung und lief erstmal einigermaßen ziellos durch die gesamte Ausstellung. Einen großen Teil kannte ich, einen nicht unbedingt kleinen Teil sah ich zum ersten Mal, und alleine schon der Anblick des Alpenabschnitts über zwei Stockwerke sorgte für einen ausgerenkten Unterkiefer. Modellbahnberge auf fünf Meter Höhe zu bauen und dies noch mit zahllosen kleinen und noch kleineren Details zu versehen ist schon latent irre. Und um diese Zeit war eben auch wirklich noch niemand unterwegs, in der gesamten Ausstellung verliefen sich vielleicht zwei Dutzend Leute, man konnte überall ungestört hin und sich alles in Ruhe anschauen, ohne irgendwo beiseite geschoben zu werden.

Hinter den Kulissen

Die Führung begann absolut pünktlich, außer mir war noch ein Ehepaar mit Sohn aus dem Schwäbischen und ein weiteres älteres Ehepaar dabei. Die erste Warnung bezog sich auf die Platzverhältnisse, hinter den Kulissen geht es doch recht beengt zu. Ich hatte keine Schwierigkeiten (bis auf die Beule am Kopf…), der eine ältere Herr hatte jedoch stellenweise latente Probleme mit dem Vorbeizwängen des Bierbauchs am Anlagenrand.

Die Führung dauert ungefähr 45 Minuten und offenbart den gesamten Irrsinn des Teams: Selbst Anlagenecken, die man als Besucher niemals einsehen kann, sind vollständig ausmodelliert. So findet man hinter der Stabkirche in Norwegen einen kompletten Friedhof (mitsamt Weeping Angel), irgendwo im Wald werden Aufnahmen der nicht jugendfreien Sorte gemacht, und in Las Vegas springt Spiderman herum – um nur einige ganz wenig Impressionen zu nennen.

Ganz nebenbei erfährt man natürlich sehr viel wissenswertes über die Anlagen und das Team und wie da aus einer fixen Idee eines Discobesitzers mal eben die größte Modellbahnanlage der Welt wurde. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen eine dreistellige Anzahl Mitarbeiter und trägt mit seiner Anziehungskraft nicht unerheblich zum Touristenaufkommen der Stadt bei.

Das funktioniert nur deshalb, weil den Machern das Kernkonzept völlig klar ist: In jedem Mann steckt ein kleines Kind. Deswegen darf man nicht alles aus der bierernsten Eisenbahnerbrille betrachten – wen interessiert schon, ob da eine bestimmte Dampflok neben einem ICE steht, was so nie stattgefunden hat? Wichtiger ist, dass man überall Details, Details und noch mehr Details findet, und da gibts dann eben auch mal Drachenhöhlen, norwegische Bergtrolle oder Pippi Langstrumpf zu sehen. Und vieles sieht man auch nur, wenn man sich nicht nur gedanklich in ein kleines Kind verwandelt, sondern auch mal in die Hocke geht und die Welt aus der Perspektive eines Kindes betrachtet. Mir wären sonst sicher die Saurierdemos und die Weltverschwörungsszenarien mit der nachgestellten Mondlandung entgangen 😉

Die ganzen Highlights aufzuzählen sprengt jetzt hier sowieso den Rahmen, also belassen wir es bei einer klaren Empfehlung, dass man da unbedingt mal hingefahren sein muss, bevorzugt an einem Wochentag und noch bevorzugter am frühen Morgen. Denn ab spätestens 11 Uhr wird es gerammelt voll, an allen Absperrungen drängeln sich die Leute in Dreierreihe und irgendwann verarbeitet das Hirn die vielen Eindrücke ohnehin nicht mehr vernünftig.

Stärkung vor der zweiten Etappe

Bei mir war der Tilt so gegen 13:30 Uhr erreicht, so dass ich im Bistro eine Portion geplatztes Huhn mit Pommes für einen lachhaften Preis erstand und mich zum Futtern in einen ausrangierten Erste Klasse-Sessel sinken ließ. Nach dem Essen wurde noch der Shop heimgesucht und eine umfangreiche Fotodokumentation erworben (nach deren Lektüre mir klar wurde, dass ich mindestens 90% der interessanten Sachen übersehen hatte) und schließlich gegen 14:30 Uhr wieder die frische – und inzwischen recht warme – Luft betreten.

Der Weg führte mich nun zu den nur wenige 100m entfernten Landungsbrücken, um zu schauen was in Richtung einer Hafenrundfahrt machbar wäre. Während ich da also noch relativ ziellos zwischen den Buden herumlief und mir die Angebote und Preise anschaute – Mondscheinfahrt zu zweit, Musical-Sonderfahrt im Kombiticket und ähnlicher Kram – quatschte mich doch tatsächlich einer schräg von der Seite an. Der Typ hatte eine entfernte Ähnlichkeit mit Heinz Erhardt und trug eine Kapitänsmütze. Ob ich denn Interesse an einer Hafenrundfahrt hätte – nein sowas aber auch, wie kommt er denn nur da drauf, wo ich doch grad vor dem Ticketschalter stehe? Na jedenfalls hatte ich keine 60 Sekunden später ein Ticket für eine ausführliche zweistündige Hafenrundfahrt, die in weniger als fünf Minuten beginnen würde. Na bitte, geht doch.

Im Hafenrund gefahren – oder so

Die Rundfahrt war dann ein echtes Erlebnis, was zum einen Teil an den Dingen lag, die man so zu sehen bekam, zum eigentlich größeren Teil jedoch an den launigen Erklärungen des Kapitäns (nein, nicht der Heinz Erhardt von vorhin, der war noch für die Akquise der Gäste auf den Landungsbrücken zuständig). Im schönsten norddeutschen Dialekt und mit diesem speziellen hanseatischen Humor wurde erläutert was man so links und rechts des Bootes so sehen konnte.

Links und rechts ist ja maritimerweise dabei völlig falsch, wie die Einleitung verriet: „Vorn is‘ der Bug, hinten is achtern, links is backbord, rechts is steuerbord, oben is oben und unten is Wasser.“ Die Fahrt führte zunächst die Elbe hinab, vorbei an Museumsschiffen, einem großen U-Boot, „dem schönsten Strand Hamburchs“, an Fähren „im schnittigen Bügeleisen-Design„, bis es schließlich zur Wende über backbord in den Parkhafen und den Waltershofer Hafen ging.

Da werden massenweise Container umgeschlagen, einige ziemlich dicke Pötte lagen vor Anker (und passten mal so gar nicht aufs Foto). Da wird einem schon etwas anders, wenn man so einen 350m langen, knapp 50m breiten und ungefähr ebenso hohen Koloss in drei Meter Abstand passiert. Das ist etwa so, als wenn man an der Ampel steht und statt einem Auto fährt ein Hochhaus vorbei. Der Kapitän plauderte dazu munter über die Geschichte des Hafens, die notwendigen Ausbauten, Umbauten, und was da sonst so alles dazugehört.

Es ging vorbei an verschiedenen weiteren Hafenteilen, an Kreuzfahrtterminals, am Werfthafen („Da wird grad ein Kreuzer für die Bundesmarine gebaut, kostet so etwa 700 Millionen das Teil. Dafür kriegt man schon fast eine Elbphilharmonie.“), am Trockendock (der Weltmarktführer für Schiffsschrauben sitzt wohl inzwischen in Waren/Müritz), an den Musicalspielstätten und schließlich in die Speicherstadt.

„Hier in der Speicherstadt gibts viele Brücken, da stehen die Touristen und das Spiel geht so: Die winken, wir winken zurück und lächeln und alle sind zufrieden.“ Das war die Ansage. Tatsächlich waren aber gar nicht so viele winkende Touristen unterwegs. Vermutlich schauten die sich das Teemuseum („da kann man sich durch 16 Tassen Tee durchprobieren, bis man endlich das erste kalte Bier kricht“) oder orientalische Teppiche an (die Speicherstadt ist wohl das größte Teppichlager außerhalb des nahen Ostens oder so) oder riechen an exotischen Gewürzen.

Daneben gibt es dann die Hafencity („wir haben ungefähr x leerstehende Büros, also dachte sich der Senat, dass wir noch dreimal so viele neue Büros brauchen“). Dort wurde auf das riesige Maritim-Museum hingewiesen, ebenso auf das Unilever-Haus („da gibts dann ungefähr 60 Sorten Eis zum Probieren, da kann man schön in der Sonne sitzen und Schiffe gucken“), ein großes Bürogebäude mit Mieten jenseits von Gut und Böse („da sitzt die größte Reederei der Welt… Greenpeace… mit ungefähr 5000 Schlauchbooten“) sowie auf ein einzeln stehendes Hochhaus („dieser übergroße Dönerspieß mit der spiegelnden Fassade da“). Dort wohnen die Reichen und Betuchten, und wohl auch Helene Fischer („aber ganz unten, sie ist ja immer so schnell atemlos. Jaja, ich gebs ja zu, der war nun wirklich flach.“)

Zu guter Letzt (oder auch als krönender Abschluss oder so) fuhren wir schlußendlich an der nach wie vor nicht fertigen Elbphilharmonie vorbei. Im Miniaturwunderland war sie schon fertig und kostete nur das Doppelte des veranschlagten Preises. Das echte Teil ist noch immer im Bau und kostet mal eben schlappe 800 Millionen oder so. Es gab wohl sogar mal eine Petition, die Baukräne unter Denkmalschutz zu stellen… die Hamburger lieben ihre Großbaustelle offensichtlich sehr 😉

Damit waren dann auch zwei Stunden kurzweiliges Herumgeschipper vorbei und ich konnte problemlos zurück zur Landratte mutieren.

Unter Wasser

Das letzte Ziel des Tages war ein kleiner Fußweg. Dieser wurde Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut und führt von einem Elbufer ans andere. Und da man schon damals keine Brücke über die Elbe bauen konnte (weil sonst kein Schiff mehr durchpasst), hat man die Elbe eben kurzerhand untertunnelt. Der Elbtunnel St. Pauli zählt zu den ingenieurstechnischen Meisterwerken in Deutschland (oder wie diese Liste noch gleich heißt), da kann man sich das schon mal angucken. Nach unten kommt man mit Hilfe der Treppen relativ einfach, der Aufstieg ist allerdings auch mit dem Fahrstuhl möglich. An jedem Ende steht ein Polizist, der aufpaßt, dass nix passiert und sich ansonsten mit Touristen fotografieren lässt.

So lief ich also den Tunnel von Norden nach Süden entlang, stieg am am Südufer wieder zum Tageslicht empor und machte noch ein paar Fotos der Hamburger Skyline. Das war so kurz vor 17 Uhr, und langsam wollte ich auch zurück ins Hotel. Also das ganze Spiel erneut – Treppe runter und ab in den Tunnel. Knapp vor der Tunnelmitte hörte ich hinter mir ein seltsam vertrautes knatterndes Geräusch. Ich dachte erst, meine Ohren wollten mir einen Streich spielen, dann stellte sich meine erste Vermutung jedoch tatsächlich als korrekt heraus – und ich hab kein Foto gemacht… Da knatterte doch tatsächlich ein grüner Trabant P601 mit Hamburger Kennzeichen an mir vorbei und nebelte den halben Tunnel in blaugraue Dunstschwaden ein. Dinge gibts, die glaubt man kaum.

Damit hatte ich dann aber auch wirklich genug gesehen (und gehört) und schleppte mich abgekämpft zurück ins Hotel. Am nächsten Morgen sollte es ja zu den nächsten spannenden Reisezielen weitergehen.

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