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Wer lange fährt kommt auch mal an

14. September 2015, 20:32 Uhr von Uwe

Am Mittwoch, den 19.8.2015, fuhr ich von Erlangen nach Hamburg, um dort für ein paar Tage Urlaub zu machen. So weit, so gewöhnlich. Was ich da nun alles erlebte, wird im folgenden unnötig breit ausgewalzt und mit zahlreichen Belanglosigkeiten aufgehübscht.

Reiseplanung

Um von Erlangen nach Hamburg zu kommen gibt es verschiedene Varianten – man kann stundenlang beim Checkin herumbummeln um sich in einen engen und lauten Flieger zu zwängen, man kann seine Nerven mit wiederholtem Herumstehen auf der Autobahn ruinieren, oder man ist völlig irre und fährt mit der Bahn. Dreimal darf geraten werden, mit welchem Verkehrsmittel meiner ersten Wahl ich in Hamburg angekommen bin ;-).

Allerdings fuhr ich natürlich nicht den kürzesten Weg (der führt über Nürnberg nach Würzburg, von dort über die Schnellfahrstrecke nach Hannover und weiter direkt nach Hamburg) mit etwas über 600 Kilometern und knapp fünf Stunden Fahrzeit. Das Problem an diesem kürzesten Weg ist nämlich die Schnellfahrstrecke – da fährt man zwar schnieke 250 Sachen, sieht allerdings außer vielen Tunneln so ziemlich überhaupt nix von der Landschaft. Da kann ich dann auch gleich in den Flieger steigen.

Nein, ich bestieg den ebenfalls umsteigefrei von Nürnberg nach Hamburg fahrenden IC, der knapp 900 km in knapp 9h fährt. Dabei geht es durch landschaftlich wesentlich reizvollere Ecken wie den Spessart, vorbei an der Skyline Frankfurts, über den Rhein bei Mainz, nordwärts durch das Welt-, Wald- und Kulturerbe des Oberen Mittelrheintales bis zum ebenfalls sehenswerten Kölner Dom, dort erneut über den Rhein und schließlich durchs Ruhrgebiet ins vergleichsweise öde Niedersachsen, mit Zwischenstops in so illustren Ecken wie Münster, Osnabrück und Bremen.

Morgenstund hat irgendwas im Mund

Und so begab es sich, dass ich morgens um sechs Uhr mit Ringen unter den Augen und einem Gähnen im Gesicht an der Bushaltestelle stand, um pünktlich zum Erlanger Bahnhof und von dort ohne weiteren Stress zum Nürnberger Hauptbahnhof zu gelangen. Der alles entscheidende IC fuhr dort gegen halb acht ab, so dass ich noch Zeit hatte, mich mit Getränken und einer Notration Schokolade einzudecken. Ich suchte mir einen Platz in einem spärlich befüllten Waggon – achtete dabei darauf, in Fahrtrichtung links und gegen der Fahrtrichtung zu sitzen – und verschlief dann das erste landschaftliche Highlight ganz gemütlich.

Meine Erinnerung hat eine Lücke beginnend bei der Durchfahrt durch Fürth, dann gibt es einzelne Blickschnipsel aus der Ecke zwischen Würzburg und Aschaffenburg (Bauarbeiten an der Neutrassierung der Spessartrampe). Wirklich wach wurde ich dann irgendwo zwischen Hanau und Frankfurt. In letzterem Ort wurde der Zug erstens mächtig voll, zweitens wechselt die Fahrtrichtung, so dass ich nun in Fahrtrichtung blickend rechts saß.

Im schönen Rheintal

Wie anhand der Koffergröße und -anhänger recht einfach zu prognostizieren war, verließen die meisten Reisenden den Zug am folgenden Halt Frankfurt Flughafen. Nun folgte der kurze Abschnitt bis nach Mainz, wobei die Rheinquerung das besondere Highlight darstellt. Von Bingen bis Koblenz folgt die Strecke nun dem linken Rheinufer, so dass ich die optimale Sicht auf den niedrigen Wasserstand genießen konnte. Passend dazu war das Wetter wunderbar sonnig. Nur Güterzüge vermisste ich auf der rechten Rheinstrecke wie schon im letzten Jahr.

Et hätt noch emmer joot jejange.

Das Zugpersonal war derweil gut damit beschäftigt, in Mainz zugestiegenen Fahrgästen zu erläutern, dass ein Zug eine erste und zweite Klasse hat, und man doch bitte den Sitzplatz mit dem im Fahrschein vermerkten Aufdruck in Übereinklang bringen möge. Ich weiß nicht genau wieso, aber wenn eine Fünfergruppe junger Männer in Sporthosen den Waggon betritt, glaube ich weniger daran, dass diese einen IC-Fahrschein gelöst haben, von der ersten Klasse mal zu schweigen. Aber gut, ich mit meinem „erste Klasse für Schmarotzer“-Pass war ja auch nicht wirklich viel besser. Normalerweise hätte ich ja schon für diese eine Fahrt so viel berappen müssen wie fast zwei Wochen Deutschlandpass kosten.

Viel zu schnell hatten wir Loreleyfelsen und Koblenz passiert, mehr als ein schneller Blick aufs Deutsche Eck und Erinnerungen an den letztjährigen Urlaub waren nicht drin. Gegen Mittag hatten wir einigermaßen pünktlich Köln erreicht. Das ist ja immer ein Nadelöhr im Bahnverkehr, es ging allerdings alles einigermaßen glatt und wir schafften eine recht pünktliche Rheinquerung in Richtung Deutz.

Papstboutique und Ruhrpottcharme

Nun ging es weiter nach Norden in Richtung Ruhrgebiet. Der Zug fuhr dabei die östliche/südliche Route via Solingen (ich wiederhole mal einen alten Witz von Terence Hill aus dem Jahre 1972, indem ich sage, dass dieser von dort Ansichtskarten kennt) und Wuppertal. Dort sah ich zum ersten Mal die dortige Schwebebahn in Betrieb, allerdings ging das schöne Wetter über die Wupper und wurde durch kurze Regenschauer ersetzt.

Ab Wuppertal musste ich die elektronische Karte meines smarten Taschencomputers benutzen, denn da gibt es nun mehrere mögliche Strecken, auf denen man Dortmund ansteuern kann. Während wir also durch die Wälder und Einschnitte zwischen Wuppertal, Hagen und schließlich entlang der Ruhr Richtung Witten gurkten (und im Hintergrund auf einer anderen Strecke ein schicker Güterzug seine Bahnen zog), beobachtete ich das hochauflösende Digitaldisplay, dass mir nicht nur den ungefähren Standort, sondern auch die niedrige Akkuladung anzeigte.

Von Dortmund aus ging es nun auf verschlungenen Pfaden über Lünen aus dem Ruhrgebiet heraus auf die Rollbahn. Diese machte ihrem Namen alle Ehre, kam uns doch ein Güterzug nach dem anderen entgegen (auf dem Nachbargleis natürlich). Wir passierten Münster und Osnabrück, und alles schien gut zu laufen… bis dann kurz vor Bremen der Baustellenteufel zuschlug.

Was lange fährt kommt dann zu spät

Wir standen ungefähr 10 Minuten in der Gegend herum, da sich vor uns aufgrund eingleisiger Streckenführung ein Rückstau gebildet hatte. Die Schleife über Bremen (die damals aufgrund zollrechtlicher Bestimmungen(!) so gebaut worden war) änderte nix an der Verspätung, weitere Baustellen in Richtung Hamburg hingegen schon. Mir konnte das zum Glück ja egal sein, ich musste ja nur zu Fuß zum Hotel laufen.

In Hamburg kamen wir schlußendlich mit ungefähr 15 Minuten Verspätung an, gemessen an dem was ich in den folgenden Tagen dort noch erlebte war das vergleichsweise lächerlich. Und den Autofahrer möchte ich sehen, der mir auf 15 Minuten genau seine Ankunft am Hamburger Hauptbahnhof vorhersagen kann, wenn er in Erlangen startet.

Der Weg zum Hotel war schnell gefunden, einfach in Richtung des teuersten Fünf-Sterne-Schuppens und zwei Türen vorher eintreten. Dort wurde ich bereits erwartet und darüber aufgeklärt, dass keine 10 Minuten vor meiner Ankunft ein Gewitter heruntergekommen sei. Konnte ich zwar nicht recht nachvollziehen anhand des Feuchtigkeitsgrades der Straßen, aber gut, von mir aus. Mir wurde also der Zimmerschlüssel für „Zimmer 6, dritter Stock“ überreicht und ich machte mich auf den Weg nach oben.

69 und andere Verwechslungen

Am Zimmer angekommen konnte ich selbiges mit dem Schlüssel allerdings nicht öffnen. Ich ging also wieder runter, die Empfangsdame gab mir den Ersatzschlüssel, der aber genausowenig Erfolg brachte. Nun kam die Dame selbst mit und wir bemerkten den Irrtum: Nicht Zimmer 6, sondern Zimmer 9. Am Zimmerschlüssel war keinerlei Markierung, wo an der 9 oben oder unten war und ich wollte ins falsche Zimmer. Da hatte ich noch Glück gehabt, dass keiner im Zimmer war und mich zur Sau gemacht hat.

Die Tür zum richtigen Zimmer ging dann auch sofort und völlig beschwerdefrei auf, so dass ich nun erstmal durchatmen konnte. Ich schaute mir einige der Prospekte an und begann die weiteren Unternehmungen für die nächsten Tage zu planen. Dazu gehörte das Anfertigen einer Liste von zu besuchenden Sehenswürdigkeiten, ein Vergleich mit dem Stadplan zwecks optimierter Wegfindung und natürlich die Überprüfung der Öffnungszeiten.

Erste Stadtbesichtigung

Nachdem die Planung ungefähr 20 Minuten später zu meiner Zufriedenheit abgehakt war, ging es nun an die Planung der kleinen Details. Dazu gehörte zunächst einmal die Frage: Wie lange brauche ich vom Hotel zu den Landungsbrücken als Ausgangspunkt der meisten Besichtigungstouren? Daraus ergab sich nämlich direkt, wann morgens der Wecker klingeln müsste, damit ich pünktlich zum Frühstück antreten könnte.

Also machte ich mich auf den Weg in die ungefähre Richtung. Zunächst mal ging es quer durch die Promenaden des Hauptbahnhofs, und dann immer entlang der Fußgängerzone in die Innenstadt, vorbei am Rathaus und dann grob in Richtung der Landungsbrücken. Inklusive einiger Fotohalte ergab dies eine ungefähre Zeit von 30 Minuten Fußweg, womit sich das Frühstück auf 7:00 Uhr bis 7:30 Uhr festlegen ließ.

Was mir bei dieser ersten Begehung mitten im Berufsverkehr auffiel, war die umfassende Gestresstheit der Ureinwohner. An jeder Ampel wurden Wettbewerbe im Synchron- und Dauerhupen abgehalten, die Radfahrer scherten sich einen Dreck um Ampeln oder Fahrspuren und betätigten sich stattdessen im gehobenen Fußgängerslalom mit gleichzeitigen Mittelfingerstreckübungen. Im Gegensatz dazu stapelten sich an den Landungsbrücken die verpeilten Touristen vor den Fähren und Barkassen und Souvenirshops.

Weitere Gegensätze ließen nicht lange auf sich warten. Keine 20 Meter neben den Landungsbrücken, wo man den Touristen die Kohlen aus der Tasche zieht, hausen nämlich die Penner unter der Brücke – vergleichsweise gut ausgerüstet mit Schlafsack und Zelt… Und nochmal 100 Meter weiter kann man im Designershop Schuhe für reduzierte 389 EUR bestaunen, während vor besagtem Laden die reichen Tussis ihre aufgepumpten Plastikhupen spazierenführen.

Ich machte mich nun wieder auf den Weg in Richtung Hotel und kam schließlich an der Binnenalster heraus, die ich noch gemütlich (und nicht ohne ein paar Fotos zu machen) umrundete. Dabei stellte ich dann noch fest, dass man an der Außenalster von fitnessbegeisterten Dauerläufern umgerannt werden kann, wenn man nicht schnell genug zur Seite springt. Da ich diesmal von der anderen Seite zum Hotel kam, musste ich noch am Eingang vom Hotel Kempinski vorbei, wo man mich vermutlich nicht mal reinlassen würde… Da steht der Page in Livree vor der Türe und transportiert für die gehobene Klientel (die dem Anschein nach entweder zu alt oder zu blasiert für derartig banale Dinge ist) die Koffer durch die Türe. Da bezahl ich für mein Zimmer lieber nur ein Drittel und kann mir vom Rest irgendwelchen unnötigen Blödsinn kaufen 😉

Damit war ich wieder am Hotel angekommen und schmiss mich vergleichsweise fix und fertig ins Bett. Ist schon krass wie kaputt man sein kann, obwohl man eigentlich überhaupt nix gemacht hat außer zeitig aufstehen, 917 km Bahn fahren und ungefähr 7km zu laufen…

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