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Album der Woche

14. April 2023, 19:37 Uhr von Uwe

Der Postbote hat heute das neue Metallica-Album vorbeigebracht. Ob das nur eine aufgepumpte Parodie von Vivaldi ist (so von wegen 18x Vier Jahreszeiten) oder einfach nur das Wetter dieser Woche beschreibt (wir hatten nämlich von Sonnenschein über Nebel, Regen und Nachtfrost so ziemlich alles dabei, was man nicht unbedingt haben will) ist noch nicht klar, und Album der Woche ist es auch nicht. Warum ich das dann trotzdem erwähne? Weil das Album der Woche von der anderen Band ist, die man neben Metallica als unumschränkte Platzhirsche im Heavy Metal ansehen kann.

Es geht also um Iron Maiden, und die große Gretchenfrage ist nun eigentlich nur: Welches Album darfs denn sein? Zur Auswahl stehen (in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge): Dance Of Death von 2003, Virtual XI von 1998, Seventh Son Of A Seventh Son von 1988 und Piece Of Mind von 1983.

Dance Of Death enthält eine Handvoll relativ brauchbarer Songs, aber auch jede Menge Füllmaterial. Als brauchbare Songs würde ich No More Lies und Dance Of Death bezeichnen (letzterer ist der einzige, der sich längerfristig im Liveset halten konnte). Einsames Highlight und einer der besten Songs der Band, der es auch mit den Großtaten der 80er aufnehmen kann, ist Paschendale, ein Epos über die Dritte Flandernschlacht, die 1917 an der belgischen Westfront stattfand. Das Albumcover hingegen ist das mit Abstand schlechteste der Bandgeschichte.

Virtual XI war damals das zweite und letzte Album mit Blaze Bayley als Sänger, der die großen Fußstapfen von Bruce Dickinson nicht ausfüllen konnte – was aber nicht allein an ihm lag, wie er 2000 mit Silicon Messiah bewies. Das Songmaterial des Albums ist auch eher mal mittelprächtig, und Steve Harris tat sich auch keinen Gefallen, als er alles selbst im Heimstudio abmischte. The Angel And The Gambler durch endlose Wiederholungen auf knapp 10 Minuten aufzupusten, obwohl dem Song nach spätestens der Hälfte die Luft ausgeht ist auch kein Fehler des Sängers gewesen. Als Highlights gehen hingegen die Single Futureal (eins der kürzesten Stücke von Maiden überhaupt) und The Clansman durch – beide wurden auch von Bruce Dickinson live gesungen.

Kommen wir nun also zu den eigentlichen Anwärtern auf den Titel „Album der Woche“. Seventh Son Of A Seventh Son borgt sich den Titel von einem Buch von Orson Scott Card und spinnt daraus eine Art Geschichte, was die Scheibe zu einem „Konzeptalbum light“ macht – jeder Song steht für sich alleine, aber alles dreht sich lose um den Kampf zwischen Gut und Böse, die sich die Kräfte des Siebten Sohnes eines siebten Sohnes zunutze machen wollen. Den Charakter eines Konzeptalbums unterstreichen dann auch so Sachen wie die Wiederholung des Intros als Outro. Mich hat das Konzept nie wirklich überzeugt, die Songs (bis auf einen) hingegen schon.

Soundtechnisch relevant ist hier die Verwendung von Synthesizern zur Erweiterung des Klangspektrums, nachdem im Vorgängeralbum Somewhere In Time noch Gitarren-Synths verwendet worden waren, sehr zum Verdruss der Fans. Hier sorgte es allenfalls für einen Sound, der für einige zu pop-orientiert war. Insbesondere die Single Can I Play With Madness schielt arg direkt auf Radio-Airplay und landete auch auf Platz 3 in den britischen Charts, ist als Song aber eher mal verzichtbar.

Aber beginnen wir mal ganz am Anfang: Moonchild eröffnet das Album mit einem ruhigen Intro, steigert sich dann nach und nach in einen flotten Banger, ist aber ansonsten nicht irgendwie weiter relevant. Das folgende Infinite Dreams erzählt wieder mal von fiesen Alpträumen, was bei Maiden ja Tradition hat und punktet mit abwechslungsreichem Songwriting und viel Heaviness. Danach folgt das schon angesprochene Can I Play With Madness, auf das wiederum The Evil That Men Do folgt, einer der großen Klassiker der Band. Gesanglich ist der Refrain ein ziemlicher Killer, textlich ist Shakespeare angesagt (wenn auch nur in Anlehnung und nicht inhaltlich): „The Evil that men do lives after them, The good is oft interred with their bones.“ Hat er recht gehabt, der gute William.

Auf der zweiten Seite des Albums findet sich das namensgebende Magnum Opus Seventh Son Of A Seventh Son, einer der ganz großen (und langen) Klassiker der Bandgeschichte mit seinen fast 10 Minuten. Die dritte Single The Clairvoyant kommt mit einem netten Bass-Intro und ziemlich starken Refrains daher und entstand aus der gar nicht mal so dämlichen Fragestellung „Kann ein Hellseher seinen eigenen Tod vorhersehen?“ Das abschließende Only The Good Die Young beschließt das Album, hat aber sonst keine weitergehende Relevanz, ebenso das von mir grad übersprungene The Prophecy – beide Songs spinnen das Konzept-Thema aus, über dass ich mir aber eben quasi nie Gedanken machte.

Das letzte Album im Bunde ist nun Piece Of Mind (ja richtig, nix Peace Of Mind, aufm Cover gibts Gummizelle und Lobotomie). Das Album war das erste mit Nicko McBrain am Schlagzeug, womit die klassischste Maiden-Besetzung mit Bruce Dickinson, Adrian Smith, Dave Murray, Steve Harris und eben Nicko McBrain komplett war. In dieser Besetzung wurden dann auch die nächsten Alben bis inklusive „Seventh Son…“ aufgenommen, die ja bis heute als Eckpfeiler der Banddiskographie und Konsens-Album der allermeisten Metal-Fans gelten.

Ein paar Stinker gibts aber auch hier, die fallen nur nicht so auf, weil sie sich zwischen ordentlich Weltklasse verstecken. Das Album beginnt mit Where Eagles Dare, einem Song über einen gleichnamigen Roman, der Clint Eastwood verfilmt wurde. Dessen Story über das Enttarnen eines britischen Doppelagenten im Zweiten Weltkrieg ist aber so verworren, dass ich sie bis heute nicht geschnallt habe. Ist halt ein Actionfilm, Denken ist da nicht so entscheidend. Musikalisch ist das aber erste Sahne, und das Drum-Intro zeigt gleich mal, dass Nicko ordentlich was drauf hat. Revelations ist mein persönlicher Lieblingssong auf dem Album, mächtig heavy und mit einem vieldeutigen Text über Crowley und die Bibel. Der andere Lieblingssong ist das folgende The Flight Of Icarus, was sich aber inhaltlich nicht an die griechische Vorlage hält. Die Nummer wurde nach jahrzehntelanger Pause vor fünf Jahren endlich auch live wieder ausgepackt und war großes Konzerthighlight. Die erste Albumseite wird abgeschlossen von Die With Your Boots On. Das ist dann aber eher ein Lückenfüller.

Die zweite Seite enthält mit The Trooper gleich einen der allergrößten Klassiker überhaupt. Der Song bezieht sich auf den Angriff der leichten Kavallerie während des Krimkriegs anno 1854, was ja aktuell wieder tagesaktuell ist – also die Krim, nicht die leichte Kavallerie. Der Angriff war ein Desaster für die Briten – ein Frontalangriff auf eine befestigte und mit Kanonen verteidigte Position und damit ein Vorbote auf das, was sich später in ähnlicher Form in der Schlacht von Gettysburg und noch viel später an der Somme wiederholen sollte. Der Song ist wie schon gesagt einer der allergrößten Klassiker nicht nur von Maiden, sondern im Heavy Metal überhaupt. Das kann man vom folgenden Still Life nicht behaupten, das bleibt in erster Linie wegen des davor zu hörenden rückwärts abgespielten Textes von Nicko McBrain im Gedächtnis. Damit nahm die Band die Kritiker in Amerika aufs Korn, die ihnen wegen The Number Of The Beast Satanismus vorwarfen. Danach folgen zwei weitere Lückenfüller namens Quest For Fire (basierend auf einem seltsamem französischen Film von 1981) und Sun And Steel (eine Nummer über Samurai – das Thema wurde Jahrzehnte später mit „Senjutsu“ erneut aufgegriffen). Den Abschluss der Scheibe bildet ein Song, der nicht so heißen durfte wie er hätte heißen müssen: To Tame A Land basiert auf der Romanreihe Dune von Frank Herbert, der aber keine Erlaubnis zur Verwendung des Namens gab. Der Song ist ein Epos in der Tradition von Phantom Of The Opera oder Hallowed Be Thy Name, kommt aber nicht ganz an diese beiden Songs ran.

Fazit: Vier Alben, zweimal meh, zweimal yeah. Und nun werd ich mir wohl mal in Ruhe die neue Metallica reinziehen.

 

 

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