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Album der Woche

29. April 2022, 21:36 Uhr von Uwe

Ich bin grad mächtig sauer. Also so richtig ober mega riesensauer. Ich musste mich nämlich grad mit einer absolut grottigen „user experience“ einer Onlinebanking-App herumschlagen. Die braucht für eine Funktion – die ich nicht nutzen will – Daten, die ich nicht in der App eintragen will, damit ich mich überhaupt erst am PC in die Webseite einloggen kann. Dafür hab ich nun noch ein Passwort mehr, was ich mir merken muss, damit ein böser Bube der mir das Handy klaut nicht einfach so meinen Kontostand abfragen kann. Sicherheitstechnisch fragwürdig und in Sachen Benutzerkomfort echt das Allerletzte, wobei grade sowas eigentlich das A und O wäre. Und das zum Ende der Woche… Und damit sind wir beim Thema Album der Woche, da gehts heute nämlich auch um das A und O.

Also eigentlich gehts weniger um das A und mehr um das O, und außerdem um Fremdsprachen. Das ABC heißt ja vor allem deswegen Alphabet, weil es mit Gamma und Delta weitergeht. Und wenn Epsilon nicht grade kleiner als Null ist, sind wir auch schon beim Ende des ganzen Witzes angekommen, da steht nämlich das Omega (oder wahlweise der Omega, dann bezeichnet es aber ein Modell von Opel von vor 30 Jahren). Der Physiker wird sich jetzt hochohmig aufstellen, während sich die Informatiker über untere Schranke der Komplexität meiner weitschweifigen Einleitung den Kopf zerbrechen.

Hier gehts ja aber um das Album der Woche, und somit sollte einleuchten, dass es um die Band Omega geht. Die stammt aus Ungarn, existierte seit 1962 (yay, Jubiläum!) und war seit den 70er Jahren eine der größten Rockbands im damaligen Ostblock. Die Band war noch bis vor Kurzem aktiv, allerdings sind in den letzten beiden Jahren mehrere Mitglieder verstorben, so dass man dieses Kapitel Musikgeschichte wohl als abgeschlossen betrachten kann.

Wesentliches Alleinstellungsmerkmal der Band waren und sind die ungarischen Texte, die einen Exotenbonus verleihen (es gibt auch englischsprachige Aufnahmen, aber die sind im Vergleich eher schwächer). Zwei Alben feiern dieses Jahr runden Geburtstag: „200 évvel az utolsó háború után“ (200 Years After The Last War) wurde zwar vor 50 Jahren aufgenommen, erschien aber erst Ende der 90er Jahre, weil es damals den politischen Machthabern nicht in den Kram passte. Ergo ist das Album der Woche das 1977 erschienene „Időrabló“ (Time Robber). Die englische Version ist dabei eine komplette Neueinspielung, die sogar noch vor der ungarischen Variante veröffentlicht wurde.

In ihrer Anfangszeit hatten Omega typische Beatmusik im Stile der Beatles oder der Kinks gespielt, danach folgte eine Phase im Stile der Protohardrocker in Richtung Deep Purple oder Led Zeppelin, und hier kommen nun als Haupteinflüsse die progressiven Bands der 70er hinzu, in erster Linie Pink Floyd.

Fünf Titel sind auf der Scheibe versammelt, von denen das Titelstück das mit Abstand längste und beste ist. Hier sind auch die Einflüsse von Pink Floyd in Form von flächigen Keyboardarrangements am stärksten zu hören. Das Stück hat sehr viele Parallelen zu Shine On You Crazy Diamond, haut aber zwischendurch wesentlich rockiger aus den Boxen. Zwischen dem Rauschen des Windes, atmosphärischen Akustikteilen und heftigem Rock pendelt diese Nummer und kommt nach 12 Minuten ans Ziel, wobei das Grundthema des ersten Teils nach zwei Dritteln nochmal schön aufgenommen und variiert wird.

Der folgende Fünfminüter Névtelen utazó (Invitation) basiert auf einem schnellen Sequencerlauf (vgl On The Run von „Dark Side Of The Moon“), ist ansonsten aber ein klassischer Rocksong, wie man ihn auch von Aerosmith oder ähnlichen Kalibern in jener Zeit hören konnte. An dritter Stelle (zumindest in der ungarischen Variante, die englische tauscht ein paar Titel durch) folgt A könyvelõ álma (An Accountant’s Dream), ein sehr an Uriah Heep erinnerndes heftig riffendes Stück mit einem witzigen Text über einen Buchhalter, der davon träumt Rockstar zu sein.

Das nun folgende Nélküled (Don’t Keep Me Waiting) ist im Gegensatz dazu recht ruhig gehalten, ein schwermütiges gitarrenlastiges Stück von über sieben Minuten mit ausladenden Instrumentalparts. Pate standen hier sicherlich die großen westlichen Rockbands der 70er, Led Zeppelin hat man ganz offensichtlich auch hinterm Eisernen Vorhang gehört. Den Abschluss des Albums bildet Éjféli koncert (Late Night Concert), welches ebenfalls ruhiger gehalten ist und nach der Hälfte mit einem akustischen Intermezzo aufwartet, bevor man sich mit Gitarre und Keyboard zum großen Finale steigert, sehr ähnlich wie bei July Morning von Uriah Heep, allerdings nicht so episch ausgewalzt, sondern (leider) nach reichlich fünf Minuten ausgefaded.

Fazit: Zusammen mit den beiden Nachfolgeplatten so ziemlich die stärkste Scheibe der Bandgeschichte, die restlichen Highlights im Bandkatalog werden in den nächsten Jahren noch in dieser Reihe besprochen werden. Und ich werd mir jetzt das ganze Album nochmal von A bis O anhören.

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