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Elektronische Fehlanzeige

18. April 2022, 13:47 Uhr von Uwe

Ich war die Tage nach längerer Zeit mal wieder mit der Bahn unterwegs. Da gabs es eine Premiere für mich, ich hab nämlich zum ersten Mal eine Rückmeldung zum Fahrterlebnis per Smartphone gegeben. Und das kam so:

Wie bei meinen Reisen im Fernverkehr üblich hatte ich eine Platzreservierung, auf den ICE-Strecken empfiehlt sich das an Wochenenden und insbesondere an Feiertagswochenenden sowieso. Dementsprechend führte mich mein erster Gang am Bahnhof zum Schaukasten für die Wagenstandsanzeige. Für alle die das nicht kennen: Das ist ein großer Zettel, auf dem man ablesen kann in welchem Bereich vom Bahnsteig welcher Wagen des Zuges ungefähr halten wird, damit man möglichst direkt in den Wagen einsteigen kann wo man reserviert hat. In Nipponesien funktioniert das beispielsweise so gut, dass sie am Bahnsteig direkt Markierungen haben, wo der Zug exakt halten wird und wo dann die Türen sein werden. Das klappt in Deutschland ja schon deswegen nicht weil die unterschiedlichen Züge unterschiedliche Türabstände haben, aber auch weil die Züge mal 50m weiter vorn oder hinten zum Stehen kommen, vor allem aber weil Fahrpläne und Wagenstandsanzeigen bei der Deutschen Bahn eher mal so als Empfehlung zu verstehen sind.

Nun wurden diese Papierpläne durch elektronische Anzeigen ersetzt, d.h. der große elektronische Schaukasten am  Bahnsteig, wo der aktuelle Zug angezeigt wird, sieht man nun auch die Wagennummern. Mein erster Reflexgedanke: Gut, dann hat sich das Problem der Planabweichung ja erledigt, wenn man keinen Plan mehr hat an den man sich halten muss ist man ja gleich deutlich flexibler. Ich trollte mich also ans hintere Ende des Bahnsteigs und harrte der Züge die denn da kommen sollten.

Feststellung 1: Da wo ich am Bahnsteig stand gabs keine elektronische Anzeige mehr in der Nähe. Das heißt wenn sich da kurzfristig was ändern würde hätte ich als Reisender keine Chance das mitzukriegen. Die nächste elektronische Anzeigekiste wäre über 100m weiter in der Bahnsteigmitte gewesen, das kann man also nicht lesen. Ergo null Vorteil gegenüber dem alten Papierplan.

Feststellung 2: Wenn der Zug einfährt und der erste Wagen die Nummer 14 hat, dann muss man die Beine in die Hand nehmen und 400m vom hintersten Bahnsteigende ans vorderste Bahnsteigende hetzen, weil Wagen 11 dann bestimmt nicht am hinteren Bahnsteigende stehen wird. Das macht viel Spaß, besonders wenn man einen dickeren Koffer hinter sich her zotteln muss. Es ist mir unbegreiflich, wieso man das nicht auf die Kette kriegt. Spätestens bei der Abfahrt in Nürnberg weiß man doch, in welcher Reihung der Zug eine Viertelstunde später in Erlangen zum Stehen kommen wird. Da ist ja kein Wurmloch dazwischen, wo der Zug neu zusammengepuzzelt wird (oder vielleicht doch und ich weiß es nur nicht). Es ist jedenfalls eine Zumutung, dass da die Anzeige fröhlich das falsche anzeigte und auch keinerlei Durchsage am Bahnsteig kam. Erfreulicherweise trifft sowas dann natürlich die Fahrgäste der ersten Klasse besonders stark, weil die dann die längsten Wege haben. Vermutlich sollen sie für die höheren Preise auch am meisten geboten kriegen.

Ich hastete also los und kam denn auch problemlos im richtigen Waggon zu sitzen, wenn auch nicht am reservierten Platz, da hatte sich nämlich schon eine Familie breitgemacht, die ich nun nicht unbedingt verscheuchen wollte, zumal genug andere Plätze frei waren. Die restlichen Passagiere, die auch am Bahnsteig gewartet hatten, kamen dann so fünf Minuten später und deutlich nach der Abfahrt an – sie hatten die Sachlage nicht so schnell erkannt wie ich und/oder waren nicht so schnell nach vorn gehastet und hatten sich dann erst durch mehrere gut besuchte Wagen der zweiten Klasse und den Bistrowagen nach vorn durchkämpfen müssen. Da kommt beim Passagier doch Freude auf. Nicht.

Jedenfalls saß ich dann gemütlich in der Gegend herum und hatte vor mir auf der Rückenlehne vom nächsten Platz einen QR-Aufkleber „Geben sie Feedback zur Fahrt“ oder so ähnlich. Normalerweise würde ich sowas ignorieren, weil da nur blödsinnige Fragen gestellt werden, aber in dem Fall hatte ich erstens grad nix besseres zu tun und zweitens Grund mich aufzuregen.

Die Fahrt bewertete ich dann also mit „so lala“, ob der Zug nun wirklich verkehrt herum fuhr oder nur die Anzeige in Erlangen falsch war ließ sich nicht feststellen (das hätte man mit dem Papierplan gekonnt, so kann sich die Bahn nun immer rausreden…), in Bamberg stimmte die Anzeige am Bahnsteig dann auch mit der Realität überein. In Erfurt kamen wir leidlich pünktlich am falschen Bahnsteig an. Da hatte ich meinen Senf zur Fahrt aber schon dazugegeben und musste ohnehin aussteigen.

Das Feedback ist natürlich ein Witz für sich: Eine Frage allgemein  zur Qualität der Fahrt, eine zur Sauberkeit des Zuges („geht so“), eine zur Sauberkeit der Toiletten („keine Angabe, nicht benutzt“) und dann ein halbes Dutzend(!) Fragen zum WLAN und Mobilfunkempfang im Zug. Bei der Schwerpunktsetzung wundert mich auch nicht, dass das alles nicht vernünftig funktioniert…

Ich erwarte von einer Bahnfahrt, dass ich pünktlich(!!!) in der richtigen Wagenreihung(!!) in einem Zug mit funktionierender Klimaanlage(!) und funktionierendem Klo(!) und ausreichend Kapazität für alle Fahrgäste vom korrekten Bahnsteig in Ort A zum korrekten Bahnsteig in Ort B transportiert werde – zu einem Preis der nicht als „lackgesoffen teuer“ bezeichnet werden muss. Das ist das A und O, das muss funktionieren, da gibts nix dran zu diskutieren. Das Muster der Sitze, die Farbe des Zuges und die Qualität des WLANs sind demgegenüber so wichtig wie die Temperatur des Kaffees im Bordrestaurant (sofern es überhaupt eins gibt). Dass nicht jeder Zug immer pünktlich sein kann ist klar, dazu ist das System zu groß und zu komplex, irgendwas kann immer mal kaputtgehen und wenn einer vor den Zug hüpft oder sich ein Laster auf die Schienen schmeißt kann die Bahn nix dafür. Aber es gibt leider viel zu viele Verspätungsgründe wo ausschließlich die Bahn schuldig ist, sei es durch mangelhafte Wartung oder schlechte Planung oder nicht ausreichende Redundanz und Flexibilität im System.

Ich könnte außerdem erwarten, dass ich beim Umsteigen nicht planmäßig 1:44h warten muss, bis ich endlich weiterfahren kann – damit ist die eigentlich konkurrenzlos schnelle Verbindung nämlich komplett für die Füße, die man sich dann zwischendurch in den Bauch steht. Ich würde außerdem erwarten, dass es an einem Bahnhof geeignete Sitzplätze für wartende Reisende gibt, die nicht an den Erwerb eines Latte irgendwas oder eines Croissants gebunden sind und die auch nicht gerade dort aufgebaut sind wo der Wind am stärksten durch die Bahnhofshalle pfeift.

So wird das mit der Verkehrswende jedenfalls nix auf absehbare Zeit. Leute, die das eigene Auto gewohnt sind kriegt man so auf keinen Fall in die Züge.

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