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Album der Woche

13. Juni 2024, 18:22 Uhr von Uwe

Heute wirds diplomatisch. Das liegt mir ja eigentlich nicht so, ich bin eher undiplomatisch inkorrekt, wohingegen Politiker lieber diplomatisch unkonkret sind. Viel schlimmer als inhaltsleeres Geschwafel (viel reden, wenig sagen) sind hingegen Verträge, wo die Relevanz des Inhalts oft indirekt proportional zur Schriftgröße ist (was so viel heißt wie „das Wichtigste ist das Kleingedruckte“ in umständlich ausgedrückt). Noch gefährlicher sind Verträge, wenn davon betroffene Parteien gar nichts über den Inhalt wissen. Geheimverträge quasi. Während es in aller Regel allen außer Verein und Spieler völlig wurscht sein kann, wie viel Kohle er unter welchen Bedingungen kriegen wird, sieht das bei so berüchtigten Sachen wie dem geheimen Zusatzprotokoll vom Hitler-Stalinpakt aus dem August 1939 ganz anders aus. Und wie kriege ich jetzt die Kurve zurück zur Musik?

Mit einer Vollbremsung und Rolle rückwärts – vor 50 Jahren erschien ein Album einer Band mit lustigen Punkten überm O (nein, nicht Motörhead, die kamen später) ein Album namens „Secret Treaties„. Da isse auch schon, die Verbindung zur Einleitung. Die Band heißt Blue Öyster Cult. Die meisten kennen die Band heutzutage aufgrund eines Sketches aus Saturday Night Live („more cowbell!“), das bezieht sich aber auf das nächste Album „Agents Of Fortune“, was in dieser Reihe schon besprochen wurde. „Secret Treaties“ war der Vorgänger und hat eine ME 262 auf dem Cover – das war eines der ersten Düsenflugzeuge der Welt, hergestellt von Nazideutschland.

Die Scheibe enthält acht Songs, sämtliche Texte – und das war eine Besonderheit bei BÖC in ihrer gesamten Karriere – kamen dabei von externen Schreibern, in diesem Fall von Patti Smith, Produzent Sandy Pearlman und Rockkritiker Richard Meltzer. Den Auftakt macht Career Of Evil, mit einem passend diabolischen Text von Patti Smith, der für die Singleauskopplung entschärft wurde („I’d like to do it to your daughter on a dirt road“ ist aber auch eine fiese Zeile). Musikalisch hingegen ist der Song überraschend simpel. Ähnliches gilt für das folgende Subhuman, wobei ich zugegebenermaßen aus dem Text nicht schlau werde – live rockt die Nummer allerdings heftig, während das Hauptriff hier noch recht zahm herüberkommt. Ähnlich wirr ist der Text zum plakativ betitelten Dominance and Submission, die Nummer rockt aber ordentlich und wurde ein Standard im Liveset. Völlig unzweideutig sind die Texte beim abschließenden Song der ersten Seite, ME 262 behandelt eben jenes Flugzeug. Passend dazu wird das Tempo angezogen und um ein eingängiges Riff herum jede Menge Gitarrenkrach durch die Lautsprecher gejagt.

Auf Seite zwei geht es ähnlich zu, gradliniger Hardrock mit mehr oder minder einfach zu verstehenden Texten. Den Auftakt dieser Seite macht Cagey Cretins (mit wirrem Text), gefolgt von Harvester Of Eyes (mit ganz klar verständlichem Text, der als Vorlage für einen Horrorfilm dienen könnte) – nur die Musik ist unpassend fröhlich gestimmt. Die ganz großen Klassiker stehen am Ende des Albums – zunächst Flaming Telepaths, das mit einer lustigen kleinen Melodie aus einer Musikbox beginnt, bevor heftigeres Riffing einsetzt und ein böser Text zu Gehör gebracht wird – Gift im Blut, fehlgeschlagene Experimente, eine Mischung aus irrem Wissenschaftler und Frankensteins Monster – oder doch Drogenkonsum?. Danach folgt noch das epische Astronomy, welches Metallica später coverten. Der auf ersten Blick nette Text über Spaziergänge am Strand wird zunehmend düsterer und endet im fiesen Wortspiel „these gravely digs of mine will surely prove a sight“.

Fazit: Wer seinen Hardrock mit Texten zum Nachdenken haben will anstatt dass es (wie z.B. bei Van Halen) nur um Sex und Party geht, der ist hier genau richtig.

 

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